Der Kollektivismus und die soziale Monarchie. Josef von Neupauer

Der Kollektivismus und die soziale Monarchie - Josef von Neupauer


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bisher Dörfer oder Weiler nannte, wollen wir die Urgemeinden nennen. Sie sollen die gesamte produktive Bevölkerung beherbergen, nicht nur die der Urproduktion sich widmende, wesentlich bäuerliche Bevölkerung, sondern auch die gesamte Industrie- und gewerbliche Bevölkerung wird ausschließlich in diesen Urgemeinden und den Bezirksvororten, welche schon um eine Stufe höherer Ordnung sind, angesiedelt und dadurch dem Übelstande abgeholfen, daß der Bildungs- und Kulturstand der Bauern und der Industriebevölkerung ein wesentlich verschiedener ist. Die Dorfbewohner können unter den heutigen Verhältnissen nur eine sehr unvollkommene Schulbildung erlangen, während die in den Städten angesiedelte industrielle und gewerbliche Bevölkerung in den städtischen Volks- und Bürgerschulen eine viel höhere Ausbildung erlangen kann. Auch die Weltanschauung dieser beiden Bevölkerungsschichten ist heute eine wesentlich verschiedene. In den Dörfern hat Klerus und Religion eine viel größere Bedeutung als in der Industriebevölkerung der Städte. Und wenn diese beiden Volksschichten in den Urgemeinden und Bezirksvororten angesiedelt und die Städte nur einer ausgewählten Bevölkerung höherer wissenschaftlicher Ausbildung, dann den Hochschulen und dem Reiseverkehr vorbehalten werden sollen, so soll das nicht geschehen, um die Ausbildung der Industriebevölkerung zu verkümmern, sondern vielmehr um sie beträchtlich über das heutige Niveau hinauszuheben, aber die heutige bäuerliche oder Dorfbevölkerung ihr in der Ausbildung vollkommen gleichzustellen.

      Aber nicht nur dieses wesentlich soziale Bedürfnis soll durch die hier vorgeschlagene Ausdehnung der Urgemeinden und die damit zusammenhängende Verteilung der Bevölkerung befriediget werden, auch zahlreiche wirtschaftliche Vorteile hängen damit zusammen und die Ermöglichung einer, das ganze Volk umfassenden staatlichen Erziehung, ein intensiverer Landbau, eine größere Frachtökonomie und vieles andere ist davon abhängig. Auch eine wirkliche Assanierung der ländlichen und der städtischen Ansiedlungen ist anders, als wie die Ansiedlungen hier gedacht sind, kaum möglich.

      Durch diese Verteilung der Bevölkerung und die Einrichtung der Urgemeinden, welchen im Wesentlichen die nächst höhere Stufe der Wohnungsansiedelungen, die Bezirksvororte, beizuzählen sind, soll die Besiedelung der Urgemeinden auf rund 1000 Köpfe gebracht werden, welche höchstens 240 Kinder im schulpflichtigen Alter, das für den kollektivistischen Staat vom 6. bis zum 18. Jahre, also zwölf Jahre dauern soll, enthalten wird. Das gibt eine entsprechende Anzahl von durchschnittlich 20 Schulkindern in jedem der Schuljahrgänge und ermöglicht einen außerordentlich vollkommenen Volksschulunterricht, welchem entsprechend der Unterrichtsdienst, wie in V, 3, a, dargestellt, organisiert sein soll.

      Alle Altersstufen sind in einer solchen Urgemeinde genügend besetzt, die Geselligkeit wird eine reichhaltige sein und, hält man sich an eine solche Maximalzahl von 1000 Köpfen, so kann man die Urgemeinden nach einem gewissen Schema erbauen, hat nicht nötig der Volksvermehrung wegen die bestehenden Ansiedlungen zu erweitern, sondern wird für sie immer wieder neue Urgemeinden erbauen. Ein solches Schema für die Urgemeinden, wie es in seinen Hauptzügen nachfolgend geschildert wird, steht doch einer großen Mannigfaltigkeit und Individualisierung der einzelnen Urgemeinden, insbesondere in der Architektur, der dekorativen Ausschmückung und in der Benützung der Terrainverhältnisse nicht im Wege.

      Wie der Bevölkerungsstand der Urgemeinden, nicht pedantisch aber innerhalb gewisser, durch die Verwaltungsinteressen gezogener Grenzen, konstant erhalten werden kann, ist in VI, 2, genau angegeben.

      In der Urgemeinde wird es sich empfehlen, die eigentliche Wohnungsansiedlung von den Wirtschaftsgebäuden und Betriebsstätten zu trennen, besonders weil die Stallungen einen schlechten Geruch verbreiten und sich dort Ungeziefer und Insekten aufhalten, welche lästig werden. Auch andere Betriebsstätten verderben die Luft, daher es am besten wäre, wenn sie von der eigentlichen Wohnungsansiedlung durch einen breiten Streifen dichten Waldes getrennt wären. Die Landstraße (oder Eisenbahn, Kanal usw.) wird an den Wirtschaftsgebäuden und Betriebsstätten vorbeiführen und zwischen ihnen und der Wohnungsansiedlung eine Zweigstraße, vielleicht mit einer Geleisanlage, hergestellt werden.

      Die Mitte der eigentlichen Wohnungsansiedlung wird ein großer Bau — den ich Gemeindepalast nennen will — einnehmen, in welchem sich Küchen, Wäscherei, Keller, gewisse Arten von Bädern, dann die Versammlungssäle für die gemeinsamen Mahlzeiten und Geselligkeit, Schulzimmer, Amtsräume und Bibliothek befinden. In vier großen Gebäuden, welche den Gemeindepalast umgeben, könnten je 256, zusammen 1024 Schlafzellen (richtiger Wohnungseinheiten für die Nachtruhe) erbaut werden, nämlich in 4 Gebäuden, jedes mit 4 Flügeln, die von einer Zentralstiege aus zugänglich sind, und in jedem der vier Stockwerke, einem Hochparterre, 1., 2. und 3. Stock, je 16 Wohnungseinheiten, 8 zu beiden Seiten des Kommunikationsganges, enthalten. Diese Wohnungseinheiten würden nach Wunsch der Ortsinsassen in Wohnzellen zum Alleinbewohnen, oder größere und kleinere gemeinschaftliche Schlafgemächer, oder auch Familienwohnungen abgeteilt. Zwischen diesen fünf großen Gebäuden wären Gärten anzulegen, Freibäder und Eislaufplätze einzurichten und Verbindungen durch gedeckte Gänge herzustellen. Für gewisse Arten von Bädern wäre in jedem Stockwerke der Schlafhäuser Vorsorge zu treffen. Um die Fäkalien jeden Tag entfernen zu können, wird es sich empfehlen, die Abortgruben durch unterirdische Gänge zu verbinden und diese an einer entsprechenden Stelle ins Freie münden zu lassen. Nach bestimmten Typen wäre für Beheizung, Beleuchtung, Ventilation, gesundes Wasser, Spaziergänge usw. vorzusorgen. In manchen Beziehungen können auch Verschiedenheiten in den Gemeinden zugestanden werden, daher es sich empfehlen würde, jeder Gemeinde ein bestimmtes Maß von Aufwand, ausgedrückt in Material und Arbeit, zu dem Zwecke einzuräumen, um Gemeindeanstalten nach dem Wunsche der Ortsbewohner zu errichten, welche ihnen besondere Annehmlichkeiten bieten und eine Individualisierung der Ansiedlungen ermöglichen sollen. Man könnte an Wintergärten, Volieren, Glashäuser, Aussichtstürme, Parkwege denken. In diesen Urgemeinden, mit Einschluß der Bezirksvororte, von welchen sofort die Rede sein wird, sollen 95-98% der Bevölkerung angesiedelt sein, ja mehr noch, da in den städtischen Ansiedlungen der größere Teil der Besiedelung die Reisenden sind, wovon wieder die meisten beurlaubte Bewohner der Urgemeinde sein werden.

      Der allgemeine Charakter der Urgemeinden wäre also: Besiedelung nicht nur durch jene Bevölkerung, die wir heute die bäuerliche nennen und durch die Arbeiter der Urproduktion, sondern auch durch die Industrie- und gewerbliche Bevölkerung und eine große Zahl wissenschaftlich gebildeter Personen, Trennung der Wirtschaftsgebäude und Betriebsstätten von der eigentlichen Wohnungsansiedlung, in dieser Trennung der Schlafhäuser vom Gemeindepalaste und Einrichtung der Bauten für eine Gesamthauswirtschaft, welche gemeinsame Speisebereitung und die Zentralisierung aller heute familienweise betriebenen hauswirtschaftlichen Arbeiten ermöglicht.

      b) Die Bezirksvororte.

      Nach einem bestimmten Verhältnisse und teilweise dem Charakter des Landes angemessen wären nach Art der heutigen Märkte Ortschaften, die zu den Urgemeinden gehören, zu Bezirksvororten zu erweitern und sie werden etwa zwei Gemeindepaläste und sechs Schlafhäuser enthalten und Raum für 1500 Bewohner bieten. Hier werden Verwaltungsbeamte, Ärzte und Unterrichtspersonen von höherem Range ihren Sitz haben, etwa eine Fachlehranstalt für Gewerbe, Landbau, Gartenbau, Bergbau oder für Musik, bildende Kunst, Kunstgewerbe errichtet, eine größere Fabrik betrieben, größere Magazine eingerichtet und schon für Fremdenbeherbergung gesorgt, da die Reisenden, welche das Land zu Fuß durchziehen, oder sich eines Fahrrades oder Reitpferdes bedienen, nur in sehr geringer Zahl in den Urgemeinden Unterkunft finden können. Auch eine große Zahl von arbeitsbefreiten Alten, XI, 1, e, wird in den Bezirksvororten Platz finden. Hier werden größere Bücherbestände und Sammlungen untergebracht, Versammlungen der Verwaltungsbeamten, Ärzte und Lehrpersonen, dann Volksversammlungen des ganzen Bezirkes abgehalten und kleine Bühnen eingerichtet für Vorstellungen fliegender Truppen oder von Dilettanten und für größere Konzertaufführungen.

      Wo es ökonomische Verhältnisse gebieterisch fordern, daß viele Tausende von Arbeitern an einem Orte vereiniget werden, um in Bergwerken oder großen Fabriken zu arbeiten, wird man das vorstehende Schema der Ansiedlungen verlassen müssen. Aber das wird so viel


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