Gesammelte Werke. Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem

Gesammelte Werke - Eufemia von  Adlersfeld-Ballestrem


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Vergnügen, nachts in eine Ahnengruft zu steigen, um den Sarg einer spukenden Ahnfrau zu sehen. Und die Baronin Dolores wohnt sogar in ihren Zimmern und schläft in ihrem Bett. Aber ihr gönnt mir nichts. Nicht wahr, Baronin, ich darf in die Ahnengruft?!«

      »Natürlich,« lächelte Dolores ergötzt.

      »Ach, da kommen wir gleich,« rief Prinzeß Lolo und sprang auf.

      »Heut' noch, Durchlaucht? Ein andermal –« –

      »Nein, nein, gleich!« beharrte die Prinzeß. »Sascha würde zu Haus bloß predigen und mir haarklein beweisen, daß einer Prinzeß von Nordland nicht Extrawürste, wie andere Sterbliche sie speisen, gebraten werden dürfen. Das kenne ich schon!«

      »Nun denn, vorwärts, wenn Seine Hoheit nichts dagegen hat,« sagte Dolores resigniert und amüsiert zugleich, während Prinzeß Alexandra ihrem Bruder zuflüsterte:

      »Wenn ich nur wüßte, wo Eleonore diese Ausdrücke her hat!« –

      Der Herzog hatte natürlich gar nichts dagegen, und nachdem Dolores an Ramo die nötigen Befehle gegeben hatte, brach man auf zu der alten Gruftkapelle, welche, in einem fernen Parkwinkel gelegen, unter hohen, uralten Eichen ein engbegrenztes, aber sehr stimmungsvolles Bild gab. In einem früheren Stil als der Falkenhof erbaut, hatte die Gruftkapelle schon Geschlechtern zur letzten Ruhestätte gedient, welche dahingegangen und erloschen waren, und durch die Eichenallee, durch welche nun die kleine Tafelrunde der Lehnsherrin Dolores lachend und plaudernd dahinschritt, war manch' ein Falkner hinausgetragen worden zum letzten langen Schlafe.

      Alfred Falkner mußte unwillkürlich an seinen letzten Gang durch diese Eichenallee denken – als er dem Sarge des Onkels folgte, ein entthronter Erbe, ein bloßer Agnat im Gefolge der »Theaterprinzeß«! Auch heut' schritt sie ihm voran, aber an der Seite eines regierenden Herzogs, und er konnte nicht anders, als hinblicken auf sie, auf diese leicht schreitende, schlanke Gestalt, in deren goldnem Haar sich mitunter ein Mondenstrahl fing, der durch eine Lichtung im Gezweig huschte. Und dann glänzte dies Haar auf und sprühte wie Feuer und leuchtete metallisch wie poliertes Kupfer – dies Haar, dessen »Satansfarbe« er so gehaßt hatte. Nun freilich wußte er, daß dieser Haß Selbstbetrug gewesen – –

      Da hing sich leicht ein Arm in den seinen, und ein reizendes Gesichtchen blickte auf zu ihm mit thränengefüllten Augen – Prinzeß Lolo.

      »Sehen Sie nicht immer nur hin nach ihr,« flüsterte sie mit erstickter Stimme, »sie macht sich doch nichts aus Ihnen – gar nichts!«

      »Das wußt' ich eher, wie Sie, Prinzeß,« erwiderte er in der Bitterkeit seines Herzens, und dann ärgerte ihn das rasche Wort. Was brauchte dies kleine Schoßkind des Glückes davon zu wissen?

      »Das wissen Sie? Gott sei Dank!« flüsterte es an seinem Arme zurück.

      »Wie meinten Durchlaucht?« fragte er steif.

      »Ich sagte: Gott sei Dank, daß Sie es wissen,« kam es trotzig zurück, aber etwas lauter. »Ich will nicht so laut sprechen – was brauchen es die andern zu hören?«

      »Was hören?«

      »Daß Sie umsonst den Toggenburg spielen vor dem Falkenhof:

      Ritter, treue Schwesterliebe

       Widmet Euch dies Herz –

       Fordert keine andre Liebe,

       Denn es macht mir Schmerz –«

      deklamierte die kleine Prinzeß.

      »Durchlaucht belieben starke Ausdrücke,« gab er hochmütig zurück. »Denn wenn ich zu etwas nicht Anlage habe, so ist es zum Toggenburg.«

      »Dazu wären Sie auch zu schade –« –

      »O wirklich –?«

      »Ja, denn Sie sollen siegen, aber nicht schmachten. Schmachten ist für einen Mann etwas Gräßliches – Jämmerliches. Wenn man Sie als Prometheus an einen Felsen schmiedete, und die Geier an Ihrem Herzen hackten –« –

      »Es war die Leber, Durchlaucht!« – unterbrach er sie ironisch.

      »Und die Geier an Ihrem Herzen hackten,« fuhr sie unbeirrt fort, »dann würde ich so viel glühende Thränen weinen auf Ihre Fesseln, bis sie schmölzen. Aber für einen Gefangenen im Bagno mit der Kugel am Fuß rühre ich keinen Finger!«

      Die kleine, leidenschaftliche Rede verfehlte ihre Wirkung nicht. Falkner führte gerührt und geschmeichelt – vielleicht letzteres noch mehr, das reizende kleine Händchen, das auf seinem Arm lag, an die Lippen.

      »O, Prinzeß Lolo!« murmelte er.

      »Nennen Sie mich doch nicht auch mit diesem schrecklichen Namen,« bat sie leise mit schmeichelnder Stimme.

      »Eleonore!« sagte er da, ohne Titel, ohne Prädikat.

      »Alfred!« jauchzte es noch leiser zurück, aber mit solchem Herzensjubel, daß er davor erschrak. Was war geschehen? Was hatte er gethan? Doch zum Überlegen war keine Zeit – man war an Ort und Stelle.

      Vor der Kapelle, die grau und verwittert unter dem dichten Blätterdach der sie umgebenden Eichen lag, standen zwei Diener mit Fackeln – sie hatten einen näheren Weg genommen, um die Herrschaften zu erwarten.

      Der Herzog setzte sich sogleich auf eine Steinbank vor der Pforte. »So! Nun macht, was ihr wollt, ich bleibe hier,« erklärte er behaglich; die Lust in die Gruft hinabzusteigen, war übrigens auch bei den anderen nichts weniger als groß und man zögerte vor der nun geöffneten Pforte, bis Dolores zu Prinzeß Lolo sagte:

      »Nun denn, so muß ich Ihnen allein die Honneurs dort unten machen, Durchlaucht!«

      Aber der kleinen Durchlaucht war längst die Lust vergangen – sie hatte durchgesetzt, was sie sich eingebildet hatte, mehr wollte sie eigentlich nicht, und ihr Hasenherzchen fing merkwürdig an zu zittern und zu klopfen vor der Kapellenthür, auf welcher das Fackellicht unheimlich flackerte.

      »Gehen Sie mit?« fragte sie zaghaft, zu Falkner emporsehend.

      »Gewiß,« sagte dieser. »Dort unten habe ich sogar Repräsentationspflichten und größere Rechte, als meine Cousine, die Lehnsherrin!«

      »Ein bitterer und grausiger Humor,« meinte Dolores ernst und gelassen.

      »Ich schließe mich gleichfalls an,« erklärte Doktor Ruß sehr zum Mißfallen seiner Frau, und die Vier betraten die Kapelle, gefolgt von Ramo, der eine Stocklaterne entzündet hatte und mit derselben leuchtete.

      Im Kapellenraum brannte hinter rotem Glase eine ewige Lampe, deren herrliche Form in schwerem Silber von der Decke herabhing. Der Altar, darin an bestimmten Tagen ein Priester Seelenmessen las für die ewige Ruhe der hier beigesetzten Falkner, war reich und prächtig bestellt – fromme Gaben Hinterbliebener, welche all diese gold- und silberstrotzenden Antependien, Leuchter, Vasen, Evangelien- und Episteltafeln als Opfer niedergelegt hatten für die dahingeschiedenen Geliebten.

      Dolores, Falkner und Ramo neigten sich bekreuzend vor dem geschlossenen Tabernakel – dann öffneten sie ein Gitter, das eine steile aber breite Treppe abschloß und sie schritten, Ramo voran, dieselbe herab, hinter der Prinzeß, welche nur zaghaft den ihr zukommenden Vortritt nahm. Die Treppe mündete in einen hallenartigen Keller, in dessen gewölbten Nischen Särge standen von allen Größen, viele bedeckt mit verdorrten Kränzen.

      »Hu, wie schrecklich!« flüsterte die Prinzeß halb weinend.

      »Das sind neuere Generationen,« erklärte Falkner. »Die eigentliche Gruft liegt hinter jener Thür, und dieser Raum wurde ehedem als Kapelle benutzt, ehe es da drinnen zu enge wurde und man die Vorhalle droben als Kapelle einrichten mußte. Tempus fugit,« setzte er bedeutungsvoll hinzu.

      »Tempus fugit,« wiederholte Doktor Ruß. »Künftige Geschlechter werden sich eine neue Stätte für ihren letzten Schlaf errichten müssen.«

      »Es ist noch Platz hier für die beiden letzten Falkner,« erwiderte Dolores, seltsam bewegt. »Die


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