Dr. Norden Bestseller Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg
von selbst legte er nachmittags noch ein Ruhestündchen ein. Da Daniel heute nun früher daheim war als sonst, hatte Danny sein Kommen verschlafen und war nun sehr beleidigt.
»Papi da«, sagte er vorwurfsvoll. »Kommt nicht zu Danny.«
»Ich wollte gerade kommen«, wurde ihm versichert. Als Daniel ihn dann emporhob und durch die Luft schwenkte, war alles wieder gut, und der Schmollmund lachte.
»Papi lieb«, schmeichelte Danny. »Danny auch lieb.«
»Und Mami?«, tat Fee beleidigt.
»Mami immer lieb«, sagte Danny.
»Er macht feine Unterschiede«, stellte Daniel fest. »An dir gibt es halt nichts auszusetzen, mein Schatz.«
»Wenn du daheim bist, stehst du höher im Kurs. So gleicht es sich doch aus.«
Und wie genoss es Daniel jetzt, einmal wieder Zeit für seinen Kleinen zu haben. Für Fee war es immer wieder ein Geschenk, ihn so jungenhaft froh zu sehen, doch sie machte sich, wie wohl alle fürsorglichen Mütter Gedanken, wie Danny reagieren würde, wenn er Liebe und Zeit, die jetzt noch ihm allein gehörten, mit einem Geschwisterchen teilen musste.
»Wie reagiert eigentlich der kleine Tiedemann auf den Familienzuwachs?«, fragte sie darum später ihren Mann, weil sie wusste, dass er dort einen Hausbesuch gemacht hatte. »Haben sie dich seinetwegen gerufen?«
Er nickte und runzelte die Stirn. »Es sollte eben doch kein zu großer Altersunterschied zwischen den Kindern sein«, erwiderte er. »Fünf Jahre sind zu viel.«
»Also ist er nicht erbaut«, sagte Fee.
»Er will auch wieder Baby sein, nuckelt am Daumen, will aus der Flasche trinken und gewindelt werden. Frau Tiedemann ist ganz aufgelöst, weil er heute Morgen versucht hat, dem Baby das Kopfkissen auf das Gesicht zu drücken, als sie nur einen Augenblick das Schlafzimmer verlassen hatte.«
»Er war so ein aufgeweckter Junge«, sagte Fee nachdenklich.
»Und viel zu sehr verwöhnt. Das gibt es bei uns nicht. Jetzt machten sie auch noch den Fehler, das Baby zu sich ins Schlafzimmer zu nehmen. Ich habe ihr gesagt, das sie das schnellstens ändern müssen.«
»Aber es wäre doch falsch, nun Rolf bei sich schlafen zu lassen.«
»Das wäre natürlich auch keine Lösung. Ich habe Frau Tiedemann empfohlen, das Baby nachts ruhig in die Küche zu schieben. Darauf reagierte Rolf eigentlich ganz vernünftig. Dann würde er es wenigstens nicht mehr schreien hören, meinte er. Jetzt heißt es abwarten, wie er sich nun benimmt.«
»Ob Danny auch wieder Baby sein will?«, überlegte Fee laut und dachte im Augenblick gar nicht daran, dass er es hören konnte.
»Danny kein Baby, Danny groß«, sagte er energisch und reckte sich gleich.
»Und wenn wir noch ein Baby bekommen?«, fragte Fee, obgleich sie doch meinte, dass er noch zu klein sei, um es zu verstehen.
»Baby?«, fragte er sofort. »Danny holt Baby.«
Blitzschnell glitt er von Daniels Knie und sauste ins Kinderzimmer, um wenig später mit einer gehäkelten Puppe wiederzukommen.
»Wo hat er die her?«, fragte Daniel. »Ist die süß.«
»Süß«, sagte Danny und lief schon wieder davon.
»Lenni hat sie selbst gemacht«, sagte Fee, »solche Talente habe ich nicht.«
»Dafür hast du andere«, sagte Daniel zärtlich. »Wo bleibt unser Sohn?«
»Wieder da«, sagte Danny, mit seinem kleinen Leiterwagen erscheinend. »Alles für Baby.«
Er hatte den Wagen vollgepackt mit Spielsachen, mit denen er besonders gern spielte.
»Du bist aber lieb«, lobte Fee.
Aber die Frage blieb doch offen, ob er mit einem lebendigen und schreienden Baby auch so lieb sein würde.
Allerdings wohnten sie nicht so beengt wie die Tiedemanns, und es kam von Anfang an nicht infrage, dass sie das Baby mit in ihr Schlafzimmer nehmen würden, wie es Danny manchmal zugestanden worden war. Und dann war auch Lenni da, die dem Baby hin und wieder die Windeln wechseln und das Fläschchen geben konnte.
»Mach dir doch keine Gedanken, Liebes«, sagte Daniel, der genau wusste, was hinter Fees glatter, jetzt jedoch leicht gerunzelter Stirn vor sich ging. »Vielleicht kommen bei den Tiedemanns die Probleme daher, dass sie eigentlich dieses Kind gar nicht wollten. Sie waren ganz auf den Jungen konzentriert, und das hat er natürlich mitbekommen. Sie haben auch den Fehler gemacht, ihn nicht in einen Kindergarten zu schicken. Er ist das typische Einzelkind, und wir haben immer mehrere gewollt. Irgendwie begreift Danny das schon, da bin ich ganz sicher.«
Wenn man betrachtet, wie liebevoll er mit der »Püppi« umging, konnte man zuversichtlich sein.
*
Miriam war an Carrys Bett zurückgekehrt, nachdem sie Fee angerufen hatte. Jonas war heimgefahren, um Tante Hanne persönlich zu informieren, aber er wollte dann noch einmal wiederkommen.
Es war so still im Zimmer, dass Miriam nur ihre eigenen Atemzüge vernahm und ihr Herz klopfte, bewegt von Jonas’ Liebeserklärung, so heftig, dass sie angstvoll nach Carrys Puls griff, um diesen auch zu spüren.
Sie hörte nicht, dass die Tür aufgegangen war. Dr. Semmelbrot war leise hereingekommen. Miriam schrak leicht zusammen, als sein Schatten über das Bett fiel. Sie ließ ihre Hand sinken, und er griff nach dem dünnen Handgelenk des Mädchens. Sein Blick richtete sich auf seine Armbanduhr und mechanisch zählte er hörbar mit, als der Sekundenzeiger vorwärtsrückte.
»Wir können zufrieden sein«, sagte er aufmunternd. Dann lächelte er Miriam zu. »Wenn man bedenkt, welche schwierigen Herztransplantationen heutzutage vorgenommen werden, ist eine solche Operation nur eine Gesellenprüfung.«
»Ihr Chef ist da glücklicherweise anderer Meinung«, sagte Miriam leise, »und wir auch.«
»Carry ist widerstandsfähiger, als zu hoffen war«, wollte er sein Verdienst nochmals abschwächen.
»Sie freut sich auf ihr zweites neues Leben.«
»Der Wille zu leben ist der beste Helfer für jeden Arzt, Frau Kollegin. Ich hoffe, es erschreckt Sie nicht, wenn ich Ihnen sage, dass Professor Benten Sie sprechen möchte.«
Miriam blieb merkwürdig ruhig. Was will er, dachte sie. Hier hat er doch nichts zu sagen.
»Nein, es erschreckt mich nicht«, erwiderte sie.
»Der Meinung war der Chef auch«, sagte Dr. Semmelbrot.
»Ich bleibe bei Carry«, sagte er, als sie sich langsam erhob.
»Ich werde bald zurück sein«, erwiderte Miriam.
Sie sah Benten schon von Weitem, als sie leise die Tür des Krankenzimmers hinter sich schloss. Er war stark gealtert, seit sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Damals war er Oberarzt gewesen und die Nachricht, dass er Chefarzt geworden war und eine Professur angenommen hatte, war ihr mitgeteilt worden, bevor sie nach Beirut flog.
Unzweifelhaft war er eine starke Persönlichkeit, aber Miriam hatte nie etwas für ihn übrig gehabt. Gewiss hatte sie als Anfängerin seine Fähigkeiten bewundert wie alle anderen jungen Doktoren auch, aber er hatte nie etwas Anziehendes für sie gehabt und heute erst recht nicht.
»Miriam«, sagte er mit gedämpfter Stimme, »ich hörte, dass du hier bist und wollte nicht versäumen, mich nach deinem Befinden zu erkundigen und dir mein Bedauern auszudrücken, dass du so Schlimmes durchmachen musstest.«
Wie einstudiert klang es. Aalglatt war er also noch immer.
»Sie hätten sich nicht zu bemühen brauchen«, sagte Miriam betont reserviert und sich erinnernd, dass sie ihm nie erlaubt hatte, sie zu duzen.
Das Blut stieg ihm in die Stirn, auf der die Adern anschwollen.
Miriam