Dr. Norden Bestseller Staffel 3 – Arztroman. Patricia Vandenberg
jedem voller Stolz, dass er die Quelle wiederentdeckt hatte, nachdem sie Jahrhunderte versiegt gewesen war.
»Weil so ein habgieriger Fürst viel Geld haben wollte, wenn kranke Menschen mal einen Schluck davon trinken wollten«, erklärte er wichtig. »Und da waren doch ganz arme Kranke dabei, die gar kein Geld hatten. Bei uns gibt’s so was nicht. Hier kann jeder herkommen, aber wenn einer mal sehr viel Geld hat und er ist dankbar, wenn er gesund geworden ist, dann kann er auch für die Armen was spenden, die auch gesund werden wollen.«
Mario flocht das immer recht geschickt ein, wenn solche Hinweise Dr. Cornelius manchmal auch ein bisschen peinlich waren. Aber Mario war ein unbefangenes Kind. Er dachte sich nichts dabei und meinte, dass es nur rechtens wäre, wenn die Reichen für die Armen gäben.
Jonas brauchte dazu nicht so direkt angesprochen zu werden. Er hatte sich mit Tante Hanne sehr viel mit der Geschichte der Insel befasst, und er als Geschäftsmann wusste auch, welche Mittel verschlungen wurden, um jedem gerecht zu werden.
Aus einem dünnen Spatzen Carry war ein reizender Teenager geworden während dieser Zeit. Kaum zu fassen war es, wie sie sich entwickelt hatte. Ein paarmal hatte Miriam schon neue Kleidung für sie besorgen müssen, und nun konnte sie sich wirklich schon als junge Dame präsentieren. Darauf schien sie auch großen Wert zu legen, denn sie hatte sich doch gewünscht, dass auch Dr. Semmelbrot zu der Doppelfeier eingeladen würde. Und nun fieberte sie diesem Tag entgegen mit der Hoffnung, dass er auch kommen würde.
»Weißt du, Miriam, mir würde es gar nichts ausmachen, Semmelbrot zu heißen. Auf den Namen kommt es doch wirklich nicht an«, sagte sie am Vortag des Festes träumerisch zu Miriam.
»Auf den Namen kommt es nicht an, aber auf die Liebe, Carry, und für dich beginnt das Leben erst jetzt. Es wird dir noch viel Schönes bescheren.«
»Ich habe dich geschenkt bekommen, das ist schön«, sagte Carry. »Ab morgen sage ich Mami zu dir. Es muss alles seine Ordnung haben.«
Miriam hielt sie innig umschlungen. Lass sie glücklich werden, lieber Gott betete sie im stillen. Erspare ihr, was Jonas und mir nicht erspart blieb. Sie hat schon als Kind genug gelitten.
Aber den Mut, mit Dr. Semmelbrot offen zu sprechen, hatte sie doch nicht. Und wie es schien, war dies auch nicht nötig, denn er hatte mit Freuden Jonas’ Bitte akzeptiert, Trauzeuge bei ihnen zu sein. Und so gingen sie dann, Jonas und Miriam, flankiert von zwei Ärzten, Dr. Daniel Norden und Dr. Jürgen Semmelbrot zum Standesamt, um ihr Jawort zum gemeinsamen Leben zu geben. Es war eine schlichte Zeremonie, aber die anschließende Feier versammelte alle, die den Anfang dieser Liebe miterlebt hatten.
Chris und Anja Andresen, die es mit ihrer Hochzeit noch eiliger gehabt hatten, kamen mit den Eltern. Holger Herwart und Wendy, noch immer verlobt, aber sich auch schon konkreten Zukunftsplänen widmend, fehlten so wenig wie Conny Dahm mit seiner jungen Frau Fränzi.
Dass Daniel und Fee dabei sein würden, stand von vornherein fest, obgleich Fee nur noch knapp zwei Wochen bis zur Geburt ihres zweites Kindes hatte. Mit ein bisschen Verspätung kamen auch Dieter Behnisch und seine Frau Jenny, doch da drehten sich die jungen Paare schon auf der Tanzfläche, und Carry schwebte wie eine Elfe in einem zartgrünen duftigen Kleid im Arm von Jürgen Semmelbrot dahin, obgleich sie beide wahrhaftig das Tanzen nie richtig gelernt hatten. Doch auch hier erwies es sich wieder einmal: Gleichklang der Seelen war Voraussetzung für Harmonie.
»Mein zweites Leben hat wunderschön begonnen, Jürgen«, sagte Carry leise.
Sein Arm legte sich noch ein bisschen fester um ihre jetzt nicht mehr magere, sondern schlanke und wohlgeformte Gestalt. »Es wird noch schöner werden, Carry«, sagte er. »Wir müssen noch ein bisschen warten, aber mir macht das nichts aus.«
»Mir auch nicht. Ich warte auf dich«, sagte sie mit scheuer Zärtlichkeit.
»Diesmal ist es umgekehrt, liebe Carry. Ich warte auf dich, und du musst noch darüber nachdenken, dass ich doppelt so alt bin wie du.«
»Ist das denn von Bedeutung?«, fragte sie mit einem Augenaufschlag, der sie unwiderstehlich machte. »Ich möchte einen richtigen Mann, so wie Papi einer ist. Warum hast du mich eigentlich lieb, Jürgen?«
»Das kann man nicht erklären«, erwiderte er, und jetzt wollte er nicht mehr sagen, dass es anfangs nur tiefes Mitgefühl mit ihr gehabt hatte. Auch das konnte der Anfang einer Liebe sein.
Verliebt war er auch schon gewesen und fast bereit, ein Mädchen zu bitten, seine Frau zu werden.
»Dann musst du dich aber umtaufen lassen, Jürgen«, hatte sie ihm erwidert. »Semmelbrot möchte ich nicht heißen.«
Carry hegte solche Gedanken nicht. Sie war der strahlende Mittelpunkt dieses Festes. Miriam und Jonas hatten dies zwar auch so geplant gehabt, aber sie brauchten nichts dazu tun.
»Carry schwelgt in Glückseligkeit«, hatte Miriam anfangs gedankenvoll gesagt. »Du solltest doch einmal mit Jürgen reden, Jonas. Sie weiß doch nichts vom Leben.«
»Vielleicht ist sie reifer, als wir in ihrem Alter waren, Liebste«, erwiderte er. »Ich habe mit Jürgen gesprochen, es ist Liebe, nicht nur Liebelei.«
»Sie ist noch so jung«, sagte Miriam leise.
»Aber so gut könnten wir ihr gar nicht helfen, erwachsen zu werden, wie er es versteht. Auch eine lange Verlobungszeit kann eine schöne Zeit sein. Wir konnten sie uns nicht leisten.«
Und dann blickten sie sich tief in die Augen mit der Gewissheit, dass ihre Liebe am Anfang des nächsten Jahres auch in einem Kind lebendig werden würde, wenn die Zeit des Wartens auch unendlich lang erschien.
Es bleibt nur noch zu sagen, dass Miriam ihrem Mann zum vorausbestimmten Termin einen gesunden und kräftigen Sohn in die Arme legen konnte und Carry als glückliche Taufpatin fungierte, da dieser Tag auch ihr Verlobungstag wurde. War sie auch noch sehr jung, der Ring an ihrem Finger war mehr als ein Schmuckstück. Für Carry würde es nie einen anderen Mann geben als ihren Jürgen und für ihn keine andere Frau. Das hatten sie Jonas und Miriam voraus, aber es beeinträchtigte die Harmonie in der Familie nicht, die von Tante Hanne so genossen wurde, dass sie auch noch einmal richtig jung geworden war, denn sie hatte sich entschlossen, den Rest ihres Lebens mit Professor Dietl zu verbringen. Wenn man sie brauchte, war sie nicht so weit entfernt, um gleich zur Stelle sein zu können, und als »Wahlgroßpapa« genoss es auch der Professor sehr, manchmal Babysitter spielen zu können. Zuerst bei dem kleinen Jonas, später dann bei Jürgen und Carrys Kindern, die zur Freude aller ohne jede Komplikation auf die Welt kamen. Drei wurden es im Laufe der Jahre, und sie hatten eine sehr junge Mutter, die mit ihren lebhaften, gesunden Kindern alles nachholte, was ihr in der Kindheit vorenthalten wurde. Aber solchen Erinnerungen hing Carry nicht mehr nach, und Miriam nahm es gelassen hin, Mutter und eine sehr junge Großmutter zugleich zu sein. Sie war eine vollkommen glückliche Frau geworden.
»Warum bist du so nachdenklich, Daniel?« fragte Fee Norden ihren Mann, dessen Blick schon minutenlang auf einem imaginären Punkt ruhte.
Nun fuhr er sich mit der schmalen Hand über die Augen und sah Fee an.
»Entschuldige, Liebes, ich habe über die kleine Attenberg nachgedacht. Organisch ist das Kind doch gesund. Ich komme nicht dahinter, was mit ihr los ist. Was war das für ein munteres Mädelchen! Wenn sie fünfzehn wäre, könnte man meinen, es wäre der erste Liebeskummer, aber schließlich ist sie erst zehn.«
»Vielleicht ist es ein anderer Kummer«, sagte Fee.
»Aber welcher denn? Ich habe sie gefragt. Sie schüttelt immer nur den Kopf, und früher war sie so zutraulich. Sie hat alles, was sich ein Kind nur wünschen kann. Ein schönes Zuhause, nette Eltern, bekommt jeden Wunsch erfüllt, nein, diesmal weiß ich wirklich nicht weiter.«
»In der Schule geht auch alles glatt?« fragte Fee.
»Ihre Mutter ist sehr zufrieden. Denise ist die