Butler Parker Special Edition 1 – Kriminalroman. Günter Dönges
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Inhalt
Parker contra dunkle Geschäfte
Parker wäscht dem Figaro den Kopf
Parker stellt den grauen Frosch
Josuah Parker sah auf den ersten Blick, daß die junge Frau sich ängstigte.
Sie befand sich auf dem Gehweg der gegenüberliegenden Straßenseite, wandte sich in immer kürzer werdenden Abständen um und wurde schneller. Sie versuchte zweimal ihr Glück mit einem vorbeifahrenden Taxi, doch die beiden Wagen waren besetzt. Die Fahrer reagierten nicht auf ihr Winken.
Sie mochte knapp zwanzig sein, war kaum mehr als mittelgroß und wirkte ein wenig füllig. Sie preßte ihre Handtasche fest an sich, überquerte hastig die Straße und hielt genau auf jenen Wagen zu, in dem der Butler am Steuer saß. Erwartete auf die Rückkehr seiner Herrin, die in einem nahegelegenen Fachgeschäft Butter, Eier und Käse einkaufte. Parkerwartete schon seit geraumer Zeit und ging davon aus, daß die ältere Dame ausgiebig probierte und um Mengenrabatte feilschte. Sie war eine ungemein sparsame Frau, die jede Chance nutzte, Geld zu sparen. Zwei Männer folgten der jungen Frau und überquerten ebenfalls die Straße.
Es handelte sich um recht handfest aussehende Typen, die sportliche Straßenkleidung trugen und keineswegs wie Kriminelle aussahen.
Die junge, verängstigte Frau hielt Parkers Wagen verständlicherweise für ein Taxi. Das Gefährt des Butlers war tatsächlich ein Taxi gewesen, machte jetzt aber einen mehr als betagten Eindruck. Die junge Frau übersah in ihrer Angst, daß das Schild fehlte.
Josuah Parker stieg aus und legte sich den eng zusammengerollten Regenschirm über den linken angewinkelten Unterarm. Er bot jetzt das Urbild eines englischen, hochherrschaftlichen Butlers. Er trug zum schwarzen Covercoat eine schwarze Melone und strahlte gemessene Würde aus.
»Taxi!« rief die junge Frau und wandte sich noch mal hastig zu ihren Verfolgern um. Dann passierte sie Parker, öffnete die hintere Wagentür und stieg ein.
Der Butler ließ dies ohne weiteres geschehen und machte keineswegs auf den Irrtum aufmerksam. Er wollte erst mal helfen, sich den Verfolgern zu entziehen. Fragen konnte man immer noch stellen.
Die beiden Männer wollten ebenfalls zusteigen, doch diesmal hatte der Butler etwas dagegen. Er schob sich vor die Wagentür und lüftete höflich die schwarze Melone.
»Die Herren haben es keineswegs mit einem öffentlichen Verkehrsmittel zu tun«, sagte er. »Es handelt sich um einen Privatwagen.«
»Halt die Klappe und fahr los!« erwiderte der schmalere der beiden Männer und beging den Fehler, Parker abdrängen zu wollen. Während er noch sprach, zielte er auf den Türgriff des Wagens.
Aus Zeitgründen verzichtete Parker auf eine klärende Diskussion. Er grüßte noch mal mit der schwarzen Melone und setzte dabei die Wölbung auf die Nase des Mannes.
Das Riechorgan war nicht in der Lage, der plötzlichen Belastung standzuhalten, und verformte sich. Dadurch wurden Tränenfluten ausgelöst, die dem Mann die Sicht raubten.
Der zweite Verfolger wollte durchaus profihaft reagieren und leitete eine typische Geste ein. Er hatte die Absicht, nach einer Waffe zu greifen, die sich in einer Schulterhalfter befinden mußte.
Er ließ es dann aber sein, als der Bambusgriff von Parkers Universal-Regenschirm seinen Unterkiefer traf. Der Butler hatte den angewinkelten Unterarm nur energisch gehoben und so den Griff zielsicher plaziert.
Da dieser Griff mit Blei ausgegossen war, erwies sich die Berührung als geradezu niederschmetternd. Der Mann ging in die Knie, klammerte sich an seinen Begleiter und zog ihn mit sich zu Boden.
Dies alles war sehr schnell vor sich gegangen und wurde von den Passanten so gut wie nicht zur Kenntnis genommen. Parker zeigte sich hilfreich und kümmerte sich um die beiden Männer, die eindeutig benommen waren. Er tat so, als hätte er die Absicht, ihnen zu helfen.
Dabei gab er seinen schwarz behandschuhten Fingern freien Lauf. Sie verschwanden blitzschnell unter den Jacketts der Verfolger und bargen je eine Schußwaffe. Brieftaschen waren leider nicht vorhanden.
»Falls meine Wenigkeit ein wenig zu spontan reagiert haben sollte, bittet man die Herren um Entschuldigung«, sagte Parker gemessen und überaus höflich. »Sie müssen allerdings einräumen, daß Sie durchaus provokant auftraten.«
Er wartete ihre Antwort nicht ab, setzte sich ohne Hast ans Steuer und fuhr davon. Im Rückspiegel nahm er zur Kenntnis, daß die beiden Männer sich langsam erhoben und davonstahlen. Mit diesem Resultat ihrer Verfolgung hatten sie sicher nicht gerechnet.
*
»Nur ruhig, meine Liebe«, sagte Lady Agatha etwa zehn Minuten später zu der jungen Frau, die neben ihr im Fond des Wagens saß. »Ihnen wird überhaupt nichts passieren. Sie befinden sich in meiner Obhut.«
Die Angesprochene hatte Mühe, ihr Beben unter Kontrolle zu bringen. Immer wieder schaute sie sich um und blickte durch das Rückfenster auf die Straße. Parker hatte seine Herrin eben erst vor dem Spezialitäten-Geschäft abgeholt und ihr in den Wagen geholfen.
Lady Agatha Simpson war eine bemerkenswerte Dame, die das sechzigste Lebensjahr überschritten hatte. Sie war eine voluminöse Erscheinung, die nicht zu übersehen war. Sie verfügte über eine tiefe, baritonal gefärbte und oft grollende Stimme, trug ein derbes Kostüm aus Tweed und einen überaus neckischen Hut, der eine Kreuzung zwischen Südwester und Napfkuchen zu sein schien.
»Ich möchte Sie nicht in Schwierigkeiten bringen, Mylady«, antwortete die junge Frau, die sich als Norma Landby vorgestellt hatte. »Sie lassen mich besser an der nächsten Straßenecke heraus.«
»Ich liebe Schwierigkeiten«, erwiderte die ältere Dame und lächelte wohlwollend. »Und ich liebe darüber hinaus gute Geschichten.«
»Sie wurden eindeutig gezielt verfolgt, Miß Landby«, schaltete Josuah Parker sich vom Steuer her ein. »Sind die beiden Männer Ihnen bekannt?«
»Sie haben mich schon mal belästigt«, gab Norma Landby zu. »Auch eben haben sie mir aufgelauert.«
»Man dürfte dies sicher kaum aus einer gewissen Laune heraus getan haben, Miß Landby.«
»Ich ... ich möchte Sie da nicht in private Dinge hineinziehen«, gab die junge Frau ausweichend zurück, wandte sich aber erneut um und beobachtete die Fahrbahn durch die Rückscheibe.
»Papperlapapp, Kindchen«, meinte Lady Agatha grollend. »Private Dinge trägt man nicht mit zwei Schußwaffen aus. Ich verlange jetzt eine klare Antwort, sonst kann ich sehr unangenehm werden.«
»Es... es geht um meinen Vater«, lautete die Antwort. »Er hat sich mit einigen Leuten angelegt. Mehr möchte ich nun aber wirklich nicht sagen, bitte, verstehen Sie mich.«
»Wohin darf man Sie bringen?« erkundigte sich Parker. Die Trennscheibe zwischen den Vorder- und Hintersitzen war von ihm per Knopfdruck versenkt worden. Man konnte sich ohne Wechselsprechanlage unterhalten.
»Der nächste Taxistand reicht mir bereits«, gab die junge Frau zurück.
»Aber mir nicht, meine Liebe.« Lady Agatha schüttelte den Kopf. »Nennen Sie mir gefälligst Ihre Adresse! Ich fühle mich für Sie verantwortlich und werde Sie bis vor die Haustür Ihrer Familie bringen.«
»Stepney.« Der eingeschüchterten Antwort folgte eine genaue Adresse.
»Sehen Sie, es