Der Münchner im Himmel. Ludwig Thoma

Der Münchner im Himmel - Ludwig Thoma


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war ma liab und angenehm, daß d’mi nach so langa Zeit wieda aufg’suacht hast, aba du derfst ma’s net übinehma, i muaß heut…«

      »Nix!« sagte Wimmer mit einer Bestimmtheit, gegen die es keinen Widerspruch gab. »Nix muaßtd’, mei Liaba, als wia dös hör’n, was da i sag.«

      »Aba i muaß…«

      »Na, sag i, da bleibst und machst d’ Ohrwascheln auf… es is lauta Schän’s, was d’z’ hör’n kriagst, und es is dei Profit…«

      »I will koan Profit…«

      »Bst! Ruhe und staad sei! Also paß auf… Zwanzg Pfenning hamma g’sagt mal fufzgi… san nomal zehntausend Mark… also siehgst… wia r’ a da g’sagt hab, koan Schmu will i durchaus net hamm, scho weg’n da Freundschaft net, obwohl daß i dir den Kauf varrat’n hab…«

      »Net wahr is!«

      »Sag’n ma: varrat’n hätt für den Fall, daß de Post net ausnahmsweis’ g’rad de Kart’n valor’n hätt… aba, wia g’sagt, bei an Jugendfreind nimmt ma koa Schmu… aber oa G’fälligkeit is de ander wert… dös muaßt d’ do selm sag’n…?«

      »I sag’ gar nix…«

      »Weil’s selbstvaständli is, net wahr… Also Simmerl, siehgst… i hab a G’schäft in Aussicht… a G’schäft, sag a da… im Jahr achttausad Mark Einkomma… vastehst… Einkomma…«

      »I vasteh di scho…«

      »Die Sache ist…« Wimmer sprach bereits hochdeutsch, als er dieses anscheinend oft und auch mit Gebildeten berührte Thema vortrug… »Die Sache ist nämlich folgendermaßen. Von absolut sicherer Seite, die wo einen Zweifel auf sich nicht zuläßt, wo also jede Mutmaßung absolut und durchaus ausgeschlossen erscheint, von dieser Seite also habe ich unterderhand erfahren, mit strengster Diskretion… verstehst, Simmerl…?«

      Simmerl verstand ihn durchaus und sah, so ängstlich er sich umsah, kein Entrinnen…

      Es gab eine lange Geschichte, es gab eine zusammengeschwindelte Geschichte, und am Schluß einen Pumpversuch, und wenn man nein sagte, fing die Geschichte von vorne an und hörte nicht mehr auf, und wenn man ja sagte, war das Geld hin… und es gab kein…

      Simmerls Blick fiel auf sein Aquarium, in welchem sich blitzende Goldfische hinaufschnellten und wieder herunterschossen und so fröhlich waren, wie harmlose Geschöpfe, die nie jemand anpumpt…

      »Also von dieser durchaus authentischen Seite, die wo auch unterderhand sich jederzeit Informationen verschaffen kann und gewissermaßen selbst die Hand dabei im Spiel hat… verstehst, Simmerl… ?«

      Ein rettender Gedanke kam über den Jugendfreund. Er stellte sich mit dem Rücken gegen das Aquarium, breitbeinig, und heuchelte plötzlich Interesse.

      »Der wo also selber… ?« fragte er.

      »Der wo selbst die Hand Im Spiele hat und auch von dritter Seite…«

      Radlkoffer tauchte an, – ein Klatsch und ein Klirren, das Aquarium war umgefallen, die Fische zappelten…

      »Jessas, meine Fisch! Resi! Resi! Jessas, de wern ja allsamt hi! Resi!«

      »Tua’s halt g’schwind in d’ Waschschüssel! Also paß auf…«

      »Dös is wahr! In d’Waschschüssel…«

      Radlkoffer stürzte hinaus… schlug die Tür zu… und schrie der Resi, die eiligst aus der Küche kam:

      »An Haf’n mit Wasser! Da tuast d’ Goldfisch nei! D’ Goldfisch lieg’n am Bod’n! Und…« Radlkoffer flüsterte das mit blitzenden Augen, »…dem Kerl da drin, dem feina Herrn da drin sagst, i bin furt, um a neu’s Aquarium… und schmeißt ‘n naus… und no mal, wenn a Jugendfreind rei’lass’n werd… nacha!!…«

      Beinahe

       Inhaltsverzeichnis

       Eine Unglücksgeschichte

      Ein Schrei des Entsetzens gellte durch die heiter promenierende Gesellschaft, die in Ischl die schönen Sommertage genoß.

      Die Straße herunter raste ein Einspännerwagen; das Pferd war scheu geworden und galoppierte mit wild flatternder Mähne einher; der Wagen wurde rechts geschleudert, links geschleudert. Da: ein Prellstein!

      Ach!

      Mizzi Mia kreischte: »Um Gottes wülln!«

      Mia May krallte die Finger der rechten Hand schmerzend in den Arm Sally Krotoschiners ein. »Sally… ich schtirb… Mir werd zwarerla…«

      Die Kommerzialrätin Mizzi Neuburger schwenkte ihren roten Sonnenschirm. »Rättet die Unglücklichen! Rättet sie!«

      Der Prellstein!

      »Himmi… Herrgotts… ramasuri… überanand!« fluchte der Kutscher dessen Steyrerhut mit einem mächtigen Gemsbart verziert war…

      Krach!!

      Da lag der Wagen… gellende Schreie ertönten…

      Ein dicker Mann lag im Straßenstaube, ein Mädchen aus dem Volk lag auf ihm, zappelte mit den Beinen und zeigte ihre runden, kräftigen Waden.

      Das Pferd stand zitternd, der Kutscher hielt es vorne beim Kopfe und fluchte.

      »Schindermistviech… öllöndiges… Rabenviech… miserablichtes!«

      Die Gesellschaft lief hinzu… die Damen mit gerafften Röcken… bleich… aufgeregt… die Herren mit ernsten, düsteren Mienen.

      »Is wos bassiert? Ich bidd Ihnen! Aber jo… der Herr soll beide Arme… das oarme Mädel bluddet… der Herr is bludüberströmt… er muß beide Unterschenkel gebrochen haben… Sind sie dod?… Einen Oarzt!… Ich kann kein Blut sehen – ich werd brechen gehen.« So schrie es durcheinander. Sally Krotoschiner drängte sich durch.

      »Bidde den Oarzt vorzulassen… Herr Dokta… rasch… rasch!« Sally Krotoschiner, junger Arzt aus Wien, V. Bezirk… Hamburger Gasse… 3. Stock… Türe 17… stand gefaßt und der Situation gewachsen neben den Verunglückten. Das Mädchen aus dem Volke war schon wieder auf den Beinen und strich den Rock über die Waden herunter… Der dicke Mann erhob sich langsam, seine Hände waren aufgeschürft und bluteten… Der linke Fuß war verstaucht…

      Sally strich ihm mit der Hand über den Kopf. »Leichte Kantusian die Hand? Bidde… Obschierfung der Epidermis Der Fuß?… Schwellung… aber die Knochen der proximalen wie der distalen Reihe sind unverletzt… Sie wern Umschläge mochen…«

      Das Publikum bemerkte wohl, wie ruhig und sachverständig Sally Krotoschiner vorging.

      Dem Mäderl fehlte nichts oder doch… das Handerl… ein bisserl abgeschürft… essigsaure Tonerde.

      Noch gut abgegangen!

      Um Gattes wülln! Wann das Pferd in die Menge hineingerast wäre! Einen Augenblick sah es so aus. Zehn Meter weiter davon entfernt wäre es kaum zu vermeiden gewesen.

      »Was is?… doch ernsterer Unfall… Der Kammersänger Guschelbauer! Ich bidd Ihnen, was is mit’n Guschelbauer? Was is mit ‘n Ferdi?«

      »Nichts… nichts… beruhigen sich die Damen… Gott sei Dank… nichts! Aber um ein Hoar…«

      Schreckensbleich stand der beliebte Tenor der Hofoper neben dem Prellsteine, umringt von Herren und Damen, und wies auf ein Stück des Peitschenstieles, das vor ihm niedergefallen war und ihn gestreift hatte. Er erzählte den teilnehmenden, ihn mit Ausrufen unterbrechenden Mitgliedern der Gesellschaft die glückliche Rettung seines Lebens.


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