Karin Bucha Staffel 4 – Liebesroman. Karin Bucha

Karin Bucha Staffel 4 – Liebesroman - Karin Bucha


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ihm die Lederjacke gelegt.

      Hunger und Durst quälten sie, aber sie wagten nicht, ihren Vorrat aufzuzehren.

      Ein paarmal waren sie am Rande des Dickichts entlanggewandert. Nirgends konnte sie in das Gewirr eindringen, da war es schon ein Glück, daß sie die schmale Ebene vor sich sahen.

      »Wie es wohl jenseits aussehen mag?« wandte Ingrid sich an die vor sich hin dämmernde Gunhild. Dabei zeigte sie mit der Hand hinüber auf die andere Seite. »Vielleicht finden wir dort Wasser?«

      Gunhild erhob sich. »Ich will es versuchen.«

      Sie kroch in den Leinenanzug, der oben und unten geschlossen werden konnte, und entfernte sich.

      »Sei vorsichtig«, rief Ingrid ihr noch nach. Gunhild winkte beruhigend zurück.

      Wieder war Stille, unheimliche Stille um Ingrid. Ihre Augen suchten den Himmel, der sich in leuchtender Bläue über ihnen spannte.

      Doktor Murphy regte sich und schlug die Augen auf. Sie waren wieder klar, glänzten aber noch fiebrig.

      »Wie geht es Ihnen?« fragte sie, sich über ihn beugend.

      »Danke – besser«, hauchte er noch matt. Er versuchte sich aufzurichten, sank aber wieder zurück. Nach ein paar Minuten wiederholte er es. Es gelang.

      »Wo ist Gunhild?«

      »Sie ist auf die Suche nach Wasser gegangen«, erklärte Ingrid und wies in die Richtung, wo Gunhild verschwunden war.

      »Wir wollen sie nicht allein lassen. Kommen Sie.«

      Mit schleppenden Schritten ging Murphy vor ihr her. Sie traten aus dem Schatten der Bäume in die sengende Hitze hinaus.

      Murphy stöhnte, aber er zwang sich zum Weitergehen, griff sich nur von Zeit zu Zeit an den Kopf.

      »Wir haben noch etwas Wasser in der Kanne«, meinte Ingrid.

      »Aufheben«, hauchte Murphy.

      Wortlos wanderten sie nebeneinander am Rande des Dickichts dahin, Gunhilds Spuren nach, doch nirgends war etwas von ihr zu entdecken.

      Ingrid ergriff nun die Angst. Wo war Gunhild geblieben?

      Sie kamen an einem blumenübersäten Pflanzendickicht vorbei.

      Murphy zeigte auf die Pflanzen und sagte leise:

      »Hier blühen giftige Orchideen, dort, die rotlilafarbenen Blüten.«

      Ingrid preßte vor Schreck den Arm Murphys.

      »Mein Gott, wenn nun Gunhild…«

      Sie wagte den Gedanken nicht zu Ende zu spinnen. Mit Abscheu streiften ihre Blicke die eigenartigen Kelche der schönen Blüten.

      Leise erklärte Murphy weiter:

      »Sie können unter Umständen tödlich wirken. Schwindelanfälle, Ohnmachten, peinigender Kopfschmerz sind damit verbunden, wenn man ihre gefährlichen Gifte allein schon einatmet.«

      »Gunhild!«

      Ingrid legte die Hände an den Mund und rief laut und ängstlich über das bunte Blütenmeer hinweg. Immer wieder: »Gunhild, Gunhild!«

      Kein Laut, doch halt, da, ein tiefes Stöhnen. Eine Gestalt erhob sich unweit von ihnen, taumelte, schleppte sich zu ihnen und glitt vor Ingrid nieder.

      Alles drehte sich wild um Gunhild. Hilfesuchend streckte sie Ingrid die Arme entgegen.

      »Ingrid«, stöhnte sie und blieb ohnmächtig am Boden liegen. Murphy nahm die leichte Gestalt auf und trug sie keuchend, mit der Fieberschwäche kämpfend, an den Lagerplatz zurück.

      Über ihnen donnerte ein Flugzeug hinweg, das Summen verlor sich in der Ferne.

      Ingrid schrie, bis sie erschöpft und heiser verstummte.

      Wieder war unheimliche Stille um sie. Der Kopf schmerzte Ingrid zum Zerspringen, Schwäche übermannte sie.

      Sie raffte sich auf und folgte dem sich mühsam vorwärtskämpfenden Murphy.

      Da kam es wieder, das Flugzeug, Ingrid streckte die Arme aus, verlangend, sehnsüchtig, und schlug hart zu Boden.

      Die Kraft hatte sie verlassen, die Kraft zum Schreien, daß man sie endlich befreite aus dieser Höllenpein.

      Auch Murphy konnte nicht mehr weiter. Er ließ Gunhild zu Boden gleiten aus seinen Armen und kauerte sich mit glasigen, fiebrigen Augen neben sie.

      *

      So fand Doktor Mayring, der als erster das Flugzeug verlassen hatte, die drei Menschen, völlig erschöpft, die beiden Mädchen in tiefer Ohnmacht.

      Hinter sich hörte er Harrys Schritte.

      Da wandte er sich Gunhild zu, nahm die schmale Gestalt auf seine Arme und bettete den heißen Kopf liebevoll an seine Schulter, ihr Gesicht mit heißen Küssen bedeckend.

      »Gunhild! Mädel!«

      Mit weißem Gesicht, kraftlos lehnte sie an seinem Herzen. Der Puls ging ganz schwach. Da ergriff ihn Todesangst.

      Er rannte mit der geliebten Frau über den Platz, dem Flugzeug zu, dem bereits der Arzt entstiegen war.

      »Helfen Sie!« brüllte er außer sich.

      Indessen kniete Harry neben Ingrid, sah die tiefe Wunde unter dem Blondhaar, sah den blutroten, fiebrigen Mund, der im Fieber leise Klagelaute ausstieß.

      »Ingrid!«

      Erschüttert nahm er das geliebte, erschöpfte Mädchen in die Höhe und trug es davon.

      Mochten sich die anderen um Murphy kümmern.

      Während der Arzt sich um die Mädchen bemühte, hatte Harry den Dicken vor sich her zu Murphy getrieben.

      Stolpernd, keuchend lief Nawarra vor Harry her, angefeuert von dessen Tritten, die mit genauester Treffsicherheit seinen edelsten Körperteil trafen.

      Er mußte seinen Freund und Komplicen bis zum Flugzeug tragen, wo der Arzt den Fieberkranken in Empfang nahm, dann endlich ließ Harry von Nawarra ab.

      So viel Bitterkeit hatte sich in ihm angespeichert, daß er den Dicken noch stundenlang hätte vor sich hertreiben können, nur um seinem Rachegefühl irgendwie Genugtuung zu geben.

      *

      Gunhild schlug als erste die Augen auf, groß, verständnislos irrten ihre Blicke umher. Sie fühlte schaukelnde Bewegungen. Michael war da – Michael war gekommen? Jubelnd schlug sie die Arme um seinen Hals, drückte sich fest, ganz fest an ihn und weinte auf. »Mi­chael! Michael!« Stumm, glücklich preßte Doktor Mayring die zarte Gestalt an sich. »Gunhild. Liebes!«

      In Ingrids Lager ging es etwas lauter zu.

      Langsam war das Bewußtsein bei Ingrid zurückgekehrt. Dann aber setzte das Denken wieder ein, obwohl es ihr heftige Schmerzen verursachte. Ihre Hand tastete zur Stirn.

      Da hörte sie eine geliebte, herrische Stimme.

      »Finger weg! Meinst du, wir haben uns umsonst soviel Mühe gegeben?«

      Ihr Kopf flog herum, sie begegnete direkt den hellen, feuchten Augen Harrys.

      »Harry«, flüsterte sie erstaunt.

      Er neigte sich tief über sie und sah ihr ernst in die tiefblauen, verschleierten Augen.

      »Tolle Sachen machst du, das kann man wohl sagen. Einfach auszukneifen und uns mit einem Brummschädel in Rio sitzenlassen.«

      »Harry«, rief sie glücklich.

      Ein schelmisches Lächeln glitt um ihren Mund.

      »Ich habe mir gedacht: der Harry wird dich schon zurückholen.«

      Mit einem langen Blick, der ein seltsames Gemisch von Rührung, Liebe und Glück war, sah er sie an.

      »Ingrid – Mädel!«


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