Ausgewählte Lustspiele von Ludwig Thoma (Volksstücken und Bauernschwänke). Ludwig Thoma
alte Eckmaurer: Was sagt da Bua?
Zenzi: Er moant, wann du ins Kino ganga bist, weil i alleweil um vier Uhr einigeh… dös woaß der Bua.
Der alte Eckmaurer wehmütig: O mei Bua, zu derselbigen Zeit da hat’s koa Kino geben für den armen Mann aus ‘n Volk… Also, daß i weita verzähl… Im Nachmittag nach ‘n Essa is dös gleiche g’wen. Bloß daß ma allaweil härter g’wart’ hat, je näher da Feierabend komma is. O meine Leut, wenn da wo a Kirchenuhr g’wen is, wia oft hab i da de Zeiger zuag’schaugt, wia’s oan Rucker um den andern macha, fünf Minut’n… no amal fünfi… no mal… Jessas! Jessas! Werds denn gar net sechsi? Und endli is as wor’n… endli…
Xari: Daß si de Menschheit dös g’fallen hat lassen!
Schorschi: Und ausg’halt’n… Daß du so a Leben ausg’halt’n hast, Vater!
Der alte Eckmaurer: Ja no… wia ‘r i sag, mei Brisilglasl…
Beni: Und daß halt aa was Richtigs zum Essen geben hat…
Der alte Eckmaurer: Und a Bier. Mit dem Schäps da, mit dem g’farbt’n Wassa, hätt ma de Arwat net leist’n kinna. Mir hamm a Bier g’habt, was a Bier hoaßt. Und zu da Brotzeit an Leberkas, an warma, notabeni, und so groß wia ‘r a Ziaglstoa. Da hat ma si sei Kraft wieda g’holt.
Der kleine Pepi: Großbabbi, was i denn a Lebadas?
Zenzi: Was a Leberkas is, fragt a.
Der alte Eckmaurer tief erschüttert: A Leba… Ja so… Du arma Bua! Dös Kind hat no koan Leberkas net g’sehg’n… Es kimmt oan vor, als kunnt so was net sei… an de Unmenschlichkeit denkt ma net… O mei Bua… Was a Leberkas is? Es is halt a Kas, woaßt, aber koa solchena Kas, wia der Kas, den wo du kriagst… es laßt sie net beschreib’n… du arms Kind, du woaßt ja nix von da guat’n alt’n Zeit…
Schorschi: Jetzt hoaßt d’as du a so?
Der alte Eckmaurer barsch: Brotzeit moan i natürli. Ös habts allerdings de besserne Arwatszeit errungen, aber de besserne Brotzeit hamm mir g’habt…
Der kleine Pepi heulend: I mecht an Lebadas!
Der alte Eckmaurer erschütternd: I glaab di’s, du arms Kind… i mecht ja aa wieder oan. Mir alle mecht’n oan. Wann ma’s richtig o’schaugt, waars ma glei liaba, a guats Bier, a Trumm Schwartnmag’n oder a Surhax’n und an Kabidalismus dazua…
Xari: Gegen de zehnschtündige Arwat hätt i mir scho helfa kinna…
Schorschi: Und gegen de Unterdrückung…
Beni: Hätt’n ma halt g’suffa, bis ma’s nimmer g’spürt hätt’n.
Der alte Eckmaurer: Der alte Seehauser Ferdl hat’s allaweil g’sagt. Hörts mir auf, hat a g’sagt, mit enkern G’schroa nach der neuen Weltordnung! I will de alte, wo ‘s blau macha lustig is und wo mi a jede Viertelstund freut, um de i an Balier b’scheiß… Jetzt hamm ma d’ Freiheit…
Schorschi: Und de achtstündige…
Beni: Und an Plempi…
Xari: Und koan Leberkas…
Der Volksredner: O Fluch der Menschheit, daß es nichts Vollkommnes, Daß es kein wahres Glück gibt auf der Welt. O elend Schicksal aller Erdgebornen! Bedenk ich’s recht, so war umsonst der Kampf, Der heiß und lang geführte um die Freiheit… Wir feiern unsern Sieg mit diesem Bier, Das keiner unsrer Väter je getrunken… Sind wir nicht tiefer noch als sie gesunken?
Der alte Eckmaurer, Xari, Schorschi, Beni unisono: Himmi… Herrgott… Bluat… Himmi… Herrgott Der kleine Pepi: I mecht an Lebadas
Der Vorhang fällt über der trauernden Gruppe.
Brautschau: Bauernschwank in einem Aufzug
Inhalt
Personen:
Korbinian Christl, Sedlbauer von Weidach Rosina Christl, sein Weib Simon, beider Sohn Jakob Elfinger, Schmuser Ursula Geisberger, Bauerntochter von Arnbach Alois Palser, Viehhändler Maria Atzenhofer, Gütlerstochter von Glonn Afra Salvermoser, Gütlerstochter von Zeitlbach Monika Salvermoser, ihre Mutter
Ort: Im Hause des Sedlbauern in Weidach, einem Dorf der Dachauer Gegend.
Zeit: Gegenwart. Herbst.
Große, reinliche Bauernstube nach alter Art. Rechts im Herrgottswinkel ein viereckiger Tisch, um zwei Seiten desselben Bänke, die in die Wand eingelassen sind und in der Ecke zusammenstoßen. Stühle. Links, mehr nach vorne, ein Kachelofen, um den eine Bank läuft.
Heiligenbilder, ein Gedenkblatt an die Militärzeit, ein Diplom des landwirtschaftlichen Vereins hängen an den Wänden.
In der Rückwand zwei Fenster mit Blick in den Hof, in dessen Mitte ein Taubenkobel steht. Stallungen und Scheunen mit Stroh gedeckt. Rechts eine Tür, die in den Flötz, links eine Tür, die in die Schlafkammer führt.
Erste Szene
Wenn sich der Vorhang hebt, ist die Bühne leer. Man hört vor der rechten Tür die scheltende
Stimme der Sedlbäuerin: Und so gang’s bei ins allawei, oan Tag für den andern! Und ‘s Sach geht mit G’walt z’ Grund…