Butler Parker Jubiläumsbox 8 – Kriminalroman. Günter Dönges
sich einige Papiere befanden.
»Verbrennen! Schnell! Verbrennen! Los... Schnell«, keuchte der verwundete Mann. Parker bemerkte sehr wohl, daß der Mann ihn gar nicht erkannt hatte. Er hielt den Butler wohl für einen seiner Leibwächter. Da der Verwundete in dieser Lage bestimmt keinen Widerspruch verstehen würde, steckte Parker die Hülle ein und richtete sich auf. Dabei entging ihm nicht, daß ihn der Friseur sehr aufmerksam beobachtete. »Ich würde den Vorschlag machen, doch die Polizei anzurufen«, sagte Parker. »Auch ein Arzt könnte nicht schaden.«
Der Friseur nickte und lief jetzt hinter die Theke, wo sich das Telefon befand. Während er die Nummer wählte, beobachtete er den Butler weiterhin mit größter Wachsamkeit. Parker konnte es sich leicht an fünf Fingern abzählen, daß dieser Mann mißtrauisch geworden war. Sicher würde er der bald eintreffenden Polizei einen Hinweis geben. Nun hatte Josuah Parker zwar nichts zu verbergen, doch er war sehr daran interessiert zu erfahren, was da eigentlich hatte verbrannt werden sollen. Da Parker ein Kriminalist aus Leidenschaft war, witterte er bereits ein wichtiges Geheimnis.
Er band sich den Nylonüberwurf ab und sah sich suchend in dem Salon um. Wo konnte er die Hülle verstecken? Er hatte wirklich nicht vor, etwas wie Fundunterschlagung zu begehen, aber bevor er die Hülle der Polizei übergab, wollte er feststellen, was sie enthielt.
Das Schicksal war ihm gnädig gesinnt.
Angelockt durch die wilde Schießerei erschienen bereits die ersten Neugierigen auf der Bildfläche. Der Hoteldetektiv boxte sich seinen Weg durch die Menge, wenig später erschienen zwei Streifenpolizisten. In der Ferne war das unangenehme Heulen einer Polizeisirene zu vernehmen. Der Friseur stürzte sich sofort auf die beiden Cops und redete wortreich auf sie ein. Da er aber mit einem starken französischen Akzent sprach, war die Verständigung recht schwer. Die beiden Polizisten kümmerten sich erst einmal um den am Boden liegenden Mann, der nun still geworden war. Schon nach einer kurzen Prüfung richteten sie sich auf.
Parker wußte, daß der dicke Mann inzwischen gestorben war.
Er sorgte dafür, daß er aus dem Blickfeld des Friseurs kam, und ließ die Hülle dann blitzschnell verschwinden. Er hatte sich ein Versteck ausgesucht, das seiner Schätzung nach nicht so schnell gefunden werden konnte.
Kaum war das erledigt, interessierten sich die beiden Polizeibeamten für ihn.
Es hatte den Anschein, als seien sie bereits von dem Friseur informiert worden. Sie verlangten nämlich kurz und bündig, er solle das herausrücken, was er versteckt oder an sich gebracht habe.
« Sie gestatten, daß ich meiner Verwunderung Ausdruck verleihe«, erklärte der Butler. »Mit anderen Worten, ich weiß zur Zeit nicht, wovon Sie eigentlich reden.«
»Mann, machen Sie bloß nicht die Pferde scheu«, sagte einer der beiden Polizisten »Der Friseur dort hat genau gesehen, daß Sie dem Toten etwas weggenommen haben. Also, rücken Sie schon damit heraus, oder legen Sie Wert darauf, mit zum Revier genommen zu werden?«
»Sind Sie sicher, daß sich der Mann auch nicht getäuscht hat?« erwiderte Butler Parker höflich. Er wendete sich jetzt ausschließlich an den Mann mit dem starken französischen Akzent, der ihm flammende und zugleich auch empörte Blicke zuwarf.
Nun mußte etwas im Blick des Butlers gewesen sein, was ungemein zwingend, ja, schon beinahe hypnotisch war. Der Friseur wurde unsicher, lief an, als stünde er unmittelbar vor einem cholerischen Ausbruch und sah schließlich zu Boden, wobei er deutlich mit seinen Schultern zuckte.
»Ich möchte annehmen, daß Sie sich getäuscht haben«, sagte Parker zu dem jetzt gebrochenen Mann. »In Anbetracht der augenblicks herrschenden Situation, sollten Sie Ihrer Aussage einen anderen Akzent geben...!«
»Wie war das also?« fragte der Polizist, sich an den Friseur wendend. Der hatte gerade einen Blick auf den Toten geworfen und wurde augenblicklich unsicher. Vielleicht dachte er, Parker habe mittelbar mit der Schießerei zu tun gehabt, vielleicht aber dachte er auch nur kurz an die Vergänglichkeit des Lebens, kurz, er hatte Angst und erklärte den beiden Polizisten wortreich, er könne sich selbstverständlich auch getäuscht haben.
Nachdem der Butler diese Feststellung getroffen hatte, harrte er in aller Ruhe der Dinge, die noch kommen mußten. Insgeheim rätselte er aber bereits herum, was die Cellophanhülle wohl enthalten möge. Er war wieder einmal fest entschlossen, den Dingen auf den Grund zu gehen...
*
Nach einer knappen Stunde war Butler Parker endlich wieder Herr seiner freien Entschlüsse.
Er war, zusammen mit den anderen Insassen des Salons verhört worden und hatte sich darauf beschränkt, vorerst einmal recht vage Erklärungen abzugeben. Vorsichtshalber hatte er dem Leiter der Mordkommission zu verstehen gegeben, er stünde noch zu sehr unter dem Schock der schrecklichen Ereignisse und bedürfe erst einmal der inneren Sammlung, um sich an alles wieder genau erinnern zu können.
Denn wie gesagt, Josuah Parker war nach wie vor fest entschlossen, die durchsichtige Hülle samt Inhalt wieder abzugeben. Er hatte tatsächlich nur die Absicht, sich mit dem Inhalt vertraut zu machen. Mehr wollte er nicht.
Erleichtert verließ Butler Parker das Revier und beeilte sich, zurück in den Friseursalon zu kommen. Er konnte sich zwar sehr gut vorstellen, daß dieser Chrom- und Glaspalast geschlossen war, aber das sollte ihn nicht hindern, die Hülle aus ihrem Versteck herauszuholen.
Wie sehr dem Butler an dieser Sache lag, war schon allein daran zu erkennen, daß er sich ein Taxi abwinkte und sich auf dem schnellsten Weg zum Friseursalon bringen ließ.
Es war genauso, wie er es erwartet hatte.
Der Salon hatte seine beiden Pforten geschlossen. Einige Zivilisten vermaßen die Mordstelle, einige Polizisten schirmten die Eingänge gegen Neugierige ab, die noch immer herumstanden.
Natürlich wollte man den Butler den Zugang verweigern, doch er wäre eben nicht Josuah Parker gewesen, wenn er sich nicht doch Zutritt verschafft hätte. Da ihn einer der beiden Streifenpolizisten wiedererkannte, kam er erst einmal in den Salon hinein, konnte aber zu seinem Leidwesen noch nicht an das Versteck heran.
»Was ist los...? Was wollen Sie noch hier?« erkundigte sich der Polizist, der ihn hereingelassen hatte.
»Sie gestatten doch höflichst, daß ich meinen Regenschirm wieder an mich nehme, nicht wahr?« fragte Parker, auf den korrekt gebundenen Schirm weisend, der an einem Garderobenhaken hing. Ohne erst die Antwort des Mannes abzuwarten, stelzte der Butler tiefer in den Salon hinein und kam somit immer näher an das Versteck heran.
Der Polizist folgte ihm mißtrauisch. Er hielt nicht viel von diesem schwarz gekleideten Mann, dessen Alter man tatsächlich nicht schätzen konnte. Er ließ den Butler nicht aus den Augen, was Parker in den vielen Spiegeln, die hier angebracht waren, genau beobachten konnte. Er ließ sich dadurch aber nicht aus der Fassung bringen. Du lieber Himmel, er hatte schon ganz andere Sachen erledigt, und zwar unter wesentlich wachsameren Augen.
»Beeilen Sie sich schon!« knurrte der Polizist.
Parker schien nichts gehört zu haben. Er hatte die Garderobe erreicht und griff nach dem Regenschirm. Doch in diesem Augenblick passierte ihm ein böses Mißgeschick. Er glitt auf dem glatten Boden aus und fiel haltlos zu Boden. Er fiel genau hinter die chromblitzende Theke, wo ein wahrscheinlich echter Teppich lag.
Es war nur zu natürlich, daß der Butler schützend seine Arme nach vorn warf, um den Fall abzubremsen. Sein Körper schützte die inzwischen emsig gewordenen Hände gegen die Sicht des Polizisten ab, und er fingerte schnell unter den Teppich, wohin er die Hülle gelegt hatte.
Josuah Parker blieb für den Bruchteil einer Sekunde wie erstarrt am Boden und dicht vor dem Teppich liegen. Das war doch so gut wie ausgeschlossesn! Das konnte doch nicht stimmen! Die Hülle war nämlich verschwunden...
Der Butler stand unbeholfen auf.
Daß er dabei den Teppich völlig abfingerte, dürfte sich am Rande verstehen. Aber auch jetzt mußte er feststellen, daß sich die Hülle einfach nicht mehr auftreiben ließ. Irgend jemand war ihm zuvorgekommen,