Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
zehn Jahren
Morgendämmerung in einer jungen Seele
Eine Christenlehre in der Einöde
Es will finster werden auf der Welt
Sie gehen ins stille Dorf hinein
Wer die Leut' nur sind, und was sie wollen!
Sie wandern in den Wald hinaus
Das Blümchen wollt' er entfalten
ťGott grüße Sie in unserem Hause!Ť
ťMägdlein, die Himmelslieder spielst nur du!Ť
Ein heißer Gang unter den Flocken
Was lieben heißt und glücklich sein
Mir graut inmitten meiner Lust!
Allzu glücklich sein - es kann nicht taugen
Dies ist der Tag von Gott gemacht!
Vorbemerkung
Es ist die Meinung aufgekommen, daß die Erzählung »Heidepeters Gabriel« meine eigene Lebensgeschichte wäre. Diese Meinung ist unrichtig. Eine solche Selbstbespiegelung wäre geschmacklos bis zur Unanständigkeit. Die Geschichte ist eine poetische Darstellung des oft Geschehenden, wie einer aus armseligen Niederungen und Widerwärtigkeiten aller Art durch Wille, Mühen, Kämpfe und Glück zur Höhe kommt und ein außerordentliches Ziel erreicht, um dann von einem neidischen Geschick wieder in tiefes Leid gestürzt zu werden.
Daß ich zu dem Bilde Farben von der Palette persönlicher Erfahrungen genommen habe, ist wohl wahr. Das trifft besonders zu bei den Gestalten des Heidepeters, seines Weibes Klara und der jungen Frau Anna. In Gabriel selbst habe ich ja auch persönliche Stimmungen und manches Gleichnis hineingelegt aus meiner Jugend Leid und Glück. Tatsächlich aber ist – und das will gelegentlich dieser Ausgabe gesagt werden – schon der ganzen Charakteranlage nach Heidepeters Gabriel ein anderer als sein
Verfasser.
Krieglach 1912
Erstes Buch:
Die Einöde
Ein Besuch in später Nacht
Auf dem Rasenplatz vor dem Heidehause liefen Leute herum in großer Verwirrung.
»Schlagt ihn tot! Schießt ihn nieder! Werft ihm den Schädel ein!« riefen sie und zerrten Stangen herbei und haschten nach Steinen und stürmten im Hause umher nach einem Gewehr.
Den Kettenhund wollten sie umbringen.
An der Hausecke unter dem breiten Dache stand der Holzkobel, und an diesen war das Tier gefesselt. Mit aller Kraft riß und rasselte es an der Kette und stöhnte und winselte dabei. Es lechzte, es schnappte um sich in die Luft hinein, es wand und wälzte sich, es zerrte mit den Vorderpfoten an den Ohrläppchen und kratzte im Sand und rieb den Kopf an dem Boden und schnappte fort und fort um sich. Der kleine Gabriel hatte beim Fenster herausgesehen, weil gerade Zapfenwirts Davidl vorüberhopste; da sah er an dem Hunde das seltsame Gebaren. Der Knabe lief hinaus und wollte das ihm sonst so anhängliche Tier streicheln, aber klapps, biß es ihn in den Schenkel, daß das Blut durch das Höslein rann. Ganz kleinlaut kam er zurück in die Stube. Darauf gewahrte es auch seine Mutter, die Heidepeterin, und sie sagte zum Knecht:
»Was hat denn heut' der Waldl? Gar den Buben hat er 'bissen.«
Der Knecht schlug sogleich einen wahnsinnigen Lärm und lief zu den Nachbarn, und die Nachbarn machten neuen Lärm und liefen wieder zu anderen Nachbarn, und so kamen