Die Vernunftehe. Barbara Cartland

Die Vernunftehe - Barbara Cartland


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ihr Leben lang auf dem Gut gelebt hatten und für die es das Zuhause bedeutete.

      Von Jahr zu Jahr beunruhigte es ihn mehr zu beobachten, wie sein Onkel dem Spiel verfiel und die Abbey vernachlässigte.

      Er beobachtete, wie notwendige Reparaturen nicht ausgeführt wurden. Die Häuser für die alten Pächter waren nicht so ausgestattet wie sie sein sollten. Viele der Hütten standen leer und verfielen langsam.

      Aber er wußte sehr wohl, daß es ihm nicht zustand, sich in die Geschäfte seines Onkels einzumischen, und daß sein Name ihm kein Recht an der Abbey gab.

      Als er die Heimat dann verlassen hatte, war es ihm jedoch nicht möglich zu vergessen. Die Abbey hatte ihn verfolgt, und er wußte, würde er jetzt wieder fortgehen, sie würde ihn bis zu seinem Tode nicht mehr loslassen.

      Und doch gab es etwas in seinem Innern, was sich dagegen auflehnte, an jemandes Schürzenzipfel gebunden zu werden.

      Er verspürte keinen Wunsch zu heiraten. In seinem Leben hatte es viele Frauen gegeben, aber früher oder später waren sie ihm alle gleichgültig geworden und er hatte keiner von ihnen hinterher getrauert.

      Es erschien ihm untragbar, an eine Frau gebunden zu sein, zumal diese Frau die Tochter des Mannes war, der alles unternommen hatte, die Abbey zu kaufen.

      Er wurde krank bei dem Gedanken, daß ein Fremder all die Bilder und Teppiche von den Wänden nehmen würde, daß das Silber und sogar all die persönlichen Kostbarkeiten seiner Großmutter in fremde Hände gelangen würden.

      Zweifellos war Theobald Muir in einer sehr günstigen Position für seinen Handel und Lord Vernhams Freiheit war ein vergleichsweise kleiner Preis, den er für den Familienbesitz zu zahlen hätte.

      „Nun, einen Trost gibt es bei allem“, sagte er laut, nachdem weder er noch sein Onkel eine ganze Weile gesprochen hatten.

      „Was für ein Trost?“ fragte der Bischof.

      „Es gibt genug Platz für meine Tiere.“

      „Deine Tiere?“ fragt der Bischof überrascht.

      „Um genau zu sein, zwei Leoparden, zwei Löwen und eine Anzahl Papageien!“

      „Die hast du mitgebracht? “

      „Ich konnte sie schlecht alleine zurücklassen. Ich habe sie gezähmt, und es wäre ihr Todesurteil gewesen, sie nach so langen Jahren wieder in die freie Wildbahn auszusetzen.“

      „Glaubst du, daß sie hier in England werden leben können?“

      „Es ist nichts Neues, Onkel Lorimer, in England ein Gehege zu haben. Schon zu Zeiten von Julius Cäsar kannte man solche Gehege. Ich wünschte, ich hätte noch mehr Tiere mitbringen können. Eigentlich hatte ich noch einen Strauß im Sinn, doch er hätte die Reise wohl nicht überstanden.“

      „Und deine Löwen und Leoparden haben keinen Schaden erlitten?“

      „Sie waren zwar etwas nervös, als ich sie das letzte Mal sah, aber ansonsten gesund. Sie werden mit der Eisenbahn hierher transportiert werden und das wird noch einige Tage dauern, wie du dir vorstellen kannst.“

      Der Bischof lachte.

      „Schon als kleiner Junge warst du voller Überraschungen, Alvaric, und jetzt überraschst du mich wieder. Niemals hätte ich mir vorstellen können, daß du Wildkatzen als Haustiere hältst. Ich erinnere mich nur daran, wie du mit deinem Vater begeistert auf die Jagd gingst.“

      „Vielleicht liegt es daran, daß ich lange mit Buddhisten zusammengelebt habe. Ich habe keinen Wunsch mehr zu töten“, erwiderte Lord Vernham. „Manchmal mag es zwar unvermeidlich sein, um zum Beispiel die Familie zu erwähnen. Aber es besteht ein großer Unterschied, ob man zum Vergnügen tötet oder um zu überleben.“

      „Ich kann nur immer wieder sagen, du überraschst mich!“

      „Nicht halb so viel wie du mich überraschst“, antwortete Lord Vernham. „Und jetzt Onkel Lorimer würde ich gerne etwas trinken. Ich muß gestehen, daß ich nach der langen Reise doch sehr durstig bin.“

      „Mein lieber Junge, wie nachlässig von mir!“ rief der Bischof aus. „Ich hätte schon viel eher daran denken sollen, aber ich war in der Tat so beschäftigt, mit dem was ich dir zu sagen hatte, daß es mir völlig aus dem Sinn kam.“

      Er erhob sich.

      „Ich habe etwas Wein mitgebracht. Laß uns in den Speisesaal gehen, wo meine Diener ein kleines kaltes Buffet hergerichtet haben, da ich dachte, daß du sehr hungrig sein würdest.“

      „Und ob ich das bin!“ rief Lord Vernham. „Ich bin dir sehr dankbar Onkel Lorimer.“

      Sie gingen einen leeren Korridor entlang zum Speisesaal.

      Lord Vernham erinnerte sich an den riesigen Tisch, der in kein anderes Haus hineinpassen würde, und an dem früher fünfzig Mönche ihr Mahl eingenommen hatten.

      Die riesige offene Feuerstelle war von einem kostbaren, handgearbeiteten Kaminsims aus Marmor umgeben, eine Arbeit aus dem 17. Jahrhundert.

      In den jeweiligen Fensternischen standen, aus Glas gearbeitet, die Wappen der Vernes und der Familien, die durch Heirat und Verschwägerung mit ihnen verbunden waren.

      Mehr jedoch als alles andere nahmen im Augenblick die Speisen die Aufmerksamkeit des Bischofs und seines Neffen in Anspruch.

      „Obwohl du ein Junggeselle bist, Onkel Lorimer“, bemerkte Lord Vernham, „weißt du doch alle Vorzüge eines verheirateten Mannes zu schätzen!“

      „Nicht alle, mein Junge, aber einige schon“, erwiderte der Bischof zustimmend. „Ich bin überzeugt davon, daß wir uns sehr viel besser und ruhiger fühlen werden, wenn wir erst einmal gegessen und getrunken haben. Was wir heute morgen erlebt haben, war, gelinde gesagt, sehr anstrengend.“

      „Ich bin dir sehr dankbar, Onkel Lorimer, daß du mich persönlich über meine Situation aufgeklärt hast“, sagte Lord Vernham warm. „Du hattest recht, es wäre schrecklich für mich gewesen, all dies von einem Außenstehenden zu erfahren.“

      „Das dachte ich mir“, sagte der Bischof.

      Wie selbstverständlich nahm er am oberen Ende der Tafel Platz. Für einen kurzen Augenblick verharrte er mit gefalteten Händen im Gebet, um dann genußvoll mit dem zarten Lachs seine Mahlzeit zu beginnen.

      „Du mußt mir verzeihen, Alvaric, wenn ich dich daran erinnere, daß heute Freitag ist; ich bin daher gezwungen, Fisch zu essen.“

      „Der Lachs ist heute aber auch wirklich ausgezeichnet“, erwiderte Lord Vernham schmunzelnd. „Soll ich den Wein öffnen?“

      „Sei bitte so freundlich“, erwiderte der Bischof. „Ich dachte mir, es sei besser, wenn wir uns selbst behelfen. In Gegenwart der Diener ist eine wirkliche Unterhaltung ja nicht möglich.“

      „Da stimme ich dir zu“, sagte Lord Vernham. „Und du kannst sicher sein, daß ich es gewohnt bin, mir selbst zu helfen. Es war mir lange Zeit nicht möglich, den Eingeborenen beizubringen, wie sie mich bei Tisch zu bedienen hätten.“

      Er mußte schmunzeln bei der Erinnerung daran, wie turbulent es zeitweilig zugegangen war während seines Aufenthaltes in Afrika.

      „Ich habe den Eindruck, daß das Leben dort unten dich stark gemacht hat“, bemerkte der Bischof.

      „Ja, es war ein hartes Leben, aber ich habe es gerne gelebt“, antwortete Lord Vernham.

      Der Bischof hob sein Glas und sagte: „Laß’ mich auf dein Wohl trinken, Alvaric. Ich möchte dir sagen, daß du dich, durch die Entscheidung, die du getroffen hast, nicht nur wie ein Gentleman, sondern auch wie ein echter Verne verhältst.“

      Lord Vernham wußte, daß es keine größere Anerkennung gab, die sein Onkel ihm hätte geben können.

      Als dieser ihm mit seinem Glas zu toastete, sagte Lord Vernham mit einem Zwinkern in den Augen: „Vielen Dank,


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