Butler Parker Box 2 – Kriminalroman. Günter Dönges
»Zufrieden?« erkundigte sich Strickton voller Stolz. Der Gangster-Vormann stand neben Parker und sah zu, wie der Butler die ersten Handreichungen tat.
»In der Tat, wir sind vollkommen komplett«, antwortete der Butler.
»Wann können Sie mit der Arbeit beginnen?«
»Ich denke, in zwei Tagen«, redete Parker sich heraus. Er kannte sich zwar in vielen Dingen aus, doch ein ausgebildeter Chemiker war er nicht.
»In zwei Tagen? Sie sind verrückt! Der Chef will schon morgen die ersten Proben sehen. Halten Sie sich ’ran, Parker!«
»Sie unterschätzen die Schwierigkeiten des Verfahrens«, protestierte der Butler.
»Die sind Ihre Sache. Noch etwas. Sie werden nur tagsüber arbeiten können.«
»Ich hatte nichts anderes vor. Das heißt, es gibt ja Arbeitsphasen, die ich nur …«
»Nur tagsüber«, wiederholte Strickton noch mal.
Parker verstand. Während oben in der Brotfabrik gearbeitet wurde, sollte er hier unten in den Kellerräumen Kokain herstellen. Die Gangster wollten kein Risiko eingehen und verdächtige Arbeitsgeräusche während der Nacht vermeiden.
»Ich werde mir Ihre Arbeit übrigens ansehen«, redete Strickton weiter. »Betrachten Sie mich als Ihren Assistenten.«
»Ich soll Sie anlernen?«
»Erraten, Parker! Ich will das Verfahren studieren!«
Josuah Parker schaltete noch mal. Die Absicht der Gangster war klar. Sobald Strickton wußte, wie das Rauschgift hergestellt wurde, hatte er, Parker, ausgespielt. Dann mußte er von der Bühne abtreten und sollte sicher in der Themse verschwinden.
Der Butler ließ sich nichts anmerken.
Er war mit allen Vorschlägen einverstanden. Er wußte, was er produzieren würde. Nachträglich beglückwünschte er sich dazu, sich bei Dr. Snyder so eingehend erkundigt zu haben. Und zudem standen auf einem Arbeitstisch einige Handbücher der Chemie. Parker als gewitzter Mann, versehen mit einigen Grundkenntnissen, traute sich durchaus zu, einen Stoff herzustellen, der dem Kokain verblüffend ähnlich sah.
»Worauf warten wir noch?« Strickton zog sich die Jacke aus und sah sehr unternehmungslustig aus. »Machen wir uns an die Arbeit, Parker! Ich bin gespannt, wie Sie das Giftzeug zusammenbrauen werden.«
»Und ich erst«, murmelte der Butler.
»Was sagten Sie?« wollte Strickton wissen, der nicht genau hingehört hatte.
»Oh, nichts«, entschuldigte sich Josuah Parker höflich. »Nichts …!«
*
»Haben Sie den Lastwagen endlich auf gespürt?« fragte Inspektor Madler gereizt. Seit Stunden wartete er darauf, daß die Außenbeamten Erfolg hatten.
»Leider ist es so, Sir, wie Sie’s vermutet hatten«, antwortete Sergeant Wilbert. »Der Wagen ist gestohlen worden. Er wurde in einer kleinen Gasse der London-Docks gefunden. Leer natürlich.«
»Ist er auf Spuren untersucht worden?«
»Die Laborleute sind noch bei der Arbeit, Sir. Sieht aber schon jetzt so aus, als hätten die Gangster mit Handschuhen gearbeitet.«
»Wie in Doc Snyders Labor«, meinte Inspektor Madler brummig. »Alles ist ausgeräumt worden, Arbeitstische, Anlagen und dieses undefinierbare Glaszeug, wie es die Chemiker benützen.«
»Ich möchte nur wissen, wozu die Gangster diese Sachen brauchen, Sir.«
»Sie sind noch nicht dahinter gekommen, Wilbert?«
»Nicht direkt, Sir«, entschuldigte sich Wilbert.
»Dann will ich Ihnen auf die Sprünge helfen. Die Gangster wollen Rauschgift in eigener Regie herstellen. Und wissen Sie auch, warum Parker verschwunden ist?«
»Weil er von den Gangstern gekidnappt worden ist, Sir?«
»Richtig. Aber weshalb kidnappten sie ihn?«
»Oh, Sir, jetzt begreife ich.« Sergeant Wilbert strahlte. »Mr. Parker soll wahrscheinlich als Chemiker eingesetzt werden.«
»Sie treffen den Nagel auf den Kopf, Wilbert.«
»Kann er das denn, Sir? Ich meine, Sie kennen ihn doch sehr gut.«
»Ob Parker sich schon mal als Chemiker betätigt hat, weiß ich nun wirklich nicht. Aber wie ich ihn kenne, wird er sich schon aus der Affäre ziehen.«
»Sir, ich möchte nicht unken. Aber die Gangster werden sehr schnell herausbekommen, ob Ihr Freund nun tatsächlich Rauschgift herstellen kann oder nicht.«
»Leider, Wilbert.« Inspektor Madler wurde nachdenklich, sah gar nicht mehr so optimistisch aus.
»Kommen die Gangster dahinter, daß Mr. Parker sie täuscht, werden sie ihn umbringen.«
»Verdammt, das stimmt. Wir dürfen ihn nicht in der Patsche sitzen lassen. Daß die Dinge sich derart entwickeln würden, konnten wir natürlich nicht vorausberechnen.«
»Sollte man nicht Ben Turpins’ Brotfabrik unter die Lupe nehmen, Sir? Vielleicht wird er dort festgehalten.«
»Auf einen Verdacht hin werden wir keinen Durchsuchungsbefehl bekommen, Wilbert. Und falls Parker dort festgehalten wird, dann so, daß wir ihn nicht finden können. Ich glaube kaum, daß er dort festgehalten wird.«
»Wo sonst, Sir?«
»Für den richtigen Tip würde ich ein Vermögen hergeben, Wilbert. Viel Zeit wird mein alter Freund Parker bestimmt nicht haben. In ein oder zwei Tagen werden die Gangster dahinterkommen, daß er für sie wertlos ist.«
»Könnte man nicht ohne Durchsuchungsbefehl, Sir, ich meine, könnte man nicht als Privatmann in der Brotfabrik erscheinen?« Wilbert wirkte etwas unsicher, als er diesen Vorschlag machte. Er wußte nur zu gut, wie korrekt sein Inspektor war.
Doch diesmal schien er die richtigen Worte gefunden zu haben. Madler überlegte kurz. Dann zwinkerte er Wilbert zu.
»Keine schlechte Idee, Wilbert. Sie machen sich. Sie werden es noch zu etwas bringen.«
»Demnach darf ich mitkommen, Sir?«
»Sie sind verrückt. Wenn ich schon illegal erscheine, dann allein. Es genügt, wenn ich aus dem Yard ’rausgeschmissen werde.«
»Darf ich wenigstens wissen, wann Sie zur Brotfabrik fahren werden?«
»Noch in der kommenden Nacht, Wilbert. Ich habe das dumpfe Gefühl, daß ich keine Zeit verlieren darf. Hoffentlich ist es nicht schon zu spät für Parker …«
Butler Parker zog eine Show ab, die sich wirklich gewaschen hatte. Er hatte sich behelfsmäßig eingerichtet und arbeitete als Chemiker. Auf zwei Bunsenbrennern gurgelten und kochten große Glaskolben. Undefinierbare Flüssigkeiten, die giftgrün und tiefblau gefärbt waren, verbreiteten üble Düfte.
Parker stand vor einem Arbeitstisch und hantierte mit Reagenzgläsern herum. Er maß ab, schüttete wieder weg, murmelte geheimnisvolle Worte, die an die Beschwörungen indianischer Medizinmänner erinnerten und hielt seinen Assistenten Strickton in dauernder Bewegung.
Der Gangster war fasziniert. Er ließ sich vorerst noch täuschen. Er spitzte die Ohren und strengte seinen Kopf an. Er machte sich Notizen und stellte immer wieder neue Fragen. Er wollte so schnell wie möglich in die Geheimnisse der Rauschgiftherstellung eingeweiht werden.
Parker verzapfte einen horrenden Unsinn. Er erfand Formeln und Zusammenstellungen, die nicht nur neu waren, sondern auch jeden Chemiker zu dicken Lachtränen gereizt hätten.
Was er da zusammenbraute, hätte er selbst nicht sagen können. Ihm kam es vorerst darauf an, Strickton in Bewegung zu halten und dessen Neugier zu befriedigen. Parker spielte ein Theater, in dem es um sein Leben ging. Er machte sich keine Illusionen. Kamen die Gangster dahinter,