Butler Parker Box 2 – Kriminalroman. Günter Dönges

Butler Parker Box 2 – Kriminalroman - Günter Dönges


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seine altertümliche Zwiebeluhr befragen müssen, um herauszubekommen, wie spät es war. Nun, über ihm mußten die riesigen Teigkneter bereits auf Hochtouren arbeiten. Zu hören waren sie nicht. Dafür brodelten und kochten die giftig gefärbten Flüssigkeiten viel zu laut.

      »Wann werden wir die erste Probe haben?« fragte Strickton, als der Butler eine kurze Verschnaufpause einlegte.

      »Bald, sehr bald schon«, gab Parker zurück. »Um einen sogenannten analytischen Massenvergleich anstellen zu können, Mr. Strickton, benötige ich echtes Rauschgift. Verfügen Sie darüber?«

      »Das können Sie haben, Parker. Jede Menge. Wir sind gut eingedeckt.«

      »Dann darf ich um eine Probe bitten«, meinte Parker.

      Strickton ging zur Tür, pochte dagegen und wartete, bis von außen geöffnet wurde. Die beiden Gorillas, die dort Wache hielten, ließen sich vorsichtig sehen. Einer von ihnen war Stan Bigels, der Gangster mit der Zahnlücke. Er konnte den Butler noch immer nicht ausstehen. Das hing wahrscheinlich mit der Kaltwasserbehandlung zusammen, die Parker ihm hatte angedeihen lassen.

      Strickton gab seine Wünsche durch. Dann schloß sich die Tür.

      »Sie haben ungewöhnliche Sicherheitsvorkehrungen getroffen«, sagte Parker zu Strickton. »Ich müßte mich fast geschmeichelt fühlen. Immerhin bin ich doch nur ein alter und verbrauchter Mann.«

      »Uns können Sie nicht mehr täuschen«, gab Strickton grinsend zurück. »Machen Sie sich keine Hoffnungen, Parker, uns legen Sie nicht noch mal aufs Kreuz! Wir sind gewarnt!«

      »Überprüfen Sie die Alkaloidmischung«, ordnete Parker ablenkend an. Er deutete auf die tiefblaue Flüssigkeit, die fast verkocht war. Als Strickton sich abwandte, langte der Butler nach einer Glasflasche, die mit einem weißen Pulver gefüllt war.

      Der Butler füllte ein Reagenzglas davon ab und steckte es in seine Westentasche. Als Stan Bigels und sein Begleiter wieder in der Tür erschienen, um das echte Kokain abzuliefern, wandte Parker schnell einen Taschenspielertrick an. Er vertauschte die eingekochte und eingedickte tiefblaue Flüssigkeit mit dem weißen Pulver im Reagenzglas. Das ging schnell und gekonnt über die Bühne. Strickton konnte keinen Verdacht schöpfen.

      »Hier ist das Kokain«, meinte Strickton, der zum Arbeitstisch zurückgekehrt war. Er sah das weiße Pulver im Glaskolben über der abgedrehten Flamme und musterte Parker erstaunt. Fragend wies er auf den Kolben.

      »Sie haben den entscheidenden Moment leider verpaßt, Mr. Strickton«, bedauerte der Butler. »Ich denke, mir ist die erste Probe gelungen. Wir sollten nun einen Vergleichstest vornehmen. Ich möchte annehmen, daß eine kurze Riech- und Geschmacksprobe reichen wird.«

      »Hoffentlich haben Sie nicht danebengehauen«, sagte Strickton mißtrauisch.

      »Ich bin mir meiner Sache vollkommen sicher.« Parker blieb ruhig und konzentriert. Er glich einem erfahrenen Fachmann, für den es keine Pannen gibt. Er nahm den Glaskolben vorsichtig herunter und schüttete etwas von dem weißen Pulver auf ein Blatt Filterpapier. Er reichte es Strickton hin.

      »Riechen Sie«, befahl er. »Sie werden entzückt sein, hoffe ich.«

      Strickton war sehr neugierig.

      Die Selbstverständlichkeit, mit der Parker redete, überzeugte ihn. Strickton sah sich bereits in naher Zukunft als Rauschgifthersteller. Was der Butler schaffte, konnte auch für ihn nicht schwer sein.

      lief beugte er sich über das rauhe Filterpapier. Er brachte seine Nase dicht an das weiße Papier heran. Dann schnüffelte er ausgiebig und glich in diesem Moment einem Fuchs, der die Spur einer fetten Gans gewittert hat.

      Plötzlich richtete er sich auf.

      Seine Oberlippe kräuselte sich, warf sich wulstartig auf. Er nahm den Kopf in den Nacken und sah zur niedrigen Kellerdecke hoch. Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Er schien weinen zu wollen. Seine Nase vibrierte. Der Unterkiefer zitterte.

      Dann zuckte der Gangster zusammen. Explosionsartig mußte er niesen. Es schüttelte ihn derart durch, daß er fast das Gleichgewicht verlor.

      »Ich nehme mir die Freiheit, Ihnen Gesundheit zu wünschen«, meinte Parker. Dann nahm er das Filterpapier hoch und hielt es Strickton unter die Nase.

      Der Gangster schüttelte sich. Er stieß unartikulierte Laute aus. Erneut warf er seinen Kopf in den Nacken, erneut mußte er explosionsartig niesen.

      Diesmal war die Erschütterung so groß, daß es ihm die Beine unter dem Körper wegriß.

      »Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, ich wünsche Ihnen erneut eine gute Gesundheit«, murmelte Parker. »Mir scheint, die Mischung ist gelungen.«

      Strickton aber war nicht in der Lage, sich für die segensreichen Wünsche zu bedanken.

      Seine Nase und sein Rachen produzierten ein Dauerfeuer von Niesexplosionen. Strickton wankte hilflos durch den Kellerraum und schnappte stöhnend nach Luft. Tränen schossen ihm aus den Augen. Er hielt sich an der Kante des Arbeitstisches fest und ließ die donnernden Niesanfälle wehrlos über sich ergehen.

      Parker griff nach seinem Universal-Regenschirm. Er fürchtete nicht den feinen Sprühregen aus Stricktons Nase, sondern wollte nur die Qualen des Gangsters hilfreich beenden.

      Er wartete eine günstige Gelegenheit ab.

      Sie kam sehr schnell.

      Strickton riß wieder den Kopf in den Nacken und wartete auf die Entladung der nächsten Explosion.

      Ein Zittern ging durch seinen Körper. Donnernd nieste er. Sein Kopf wurde auf die Brust geschleudert. Sein Kinn knallte dabei auf den bleigefütterten Griff von Parkers Regenschirm, den der Butler in die günstige und entsprechende Lage gebracht hatte.

      Der Knockout war vollkommen.

      Strickton ging in die Knie und beteiligte sich nicht mehr weiter an den chemischen Versuchen …

      *

      Im Gegensatz zum Yard wußte Candels sehr gut, wo sich das Hauptquartier der Rauschgift-Gang befand. Ihm war bekannt, daß Ben Turpins’ Brotfabrik der Dreh- und Angelpunkt der Gang war.

      Nach dem Niederbrennen seines Etablissements und nach seiner Unterhaltung mit Inspektor Madler hatte er vorgehabt, London so schnell wie möglich zu verlassen. Es gab in England schließlich gesündere Gegenden.

      Nachdem seine Nerven sich aber wieder beruhigt hatten, war er zu einem anderen Entschluß gekommen. Lefty Candels hatte sich entschlossen, blutige Rache zu nehmen. Turpins mochte stark sein und viele Leute um sich haben, doch das zählte nicht. Ihm war ja nicht bekannt, was er, Lefty Candels, plante.

      Und Candels hatte sich allerlei in den Kopf gesetzt. Auge um Auge, Zahn um Zahn, das war seine Devise. Turpins sollte ihn noch kennenlernen.

      Natürlich kam der im wahrsten Sinne des Wortes abgebrannte Gangster nicht auf die Wahnsinnsidee, ganz allein in die Brotfabrik zu stürmen. Er sah bessere Möglichkeiten.

      So wußte er zum Beispiel, wo Ben Turpins wohnte. So war ihm bekannt, wer Turpins Teilhaber waren und wo auch sie wohnten. Mit diesem Wissen ließ sich sehr viel anfangen. Wenn man dazu noch verstand, mit Benzin und Zeitzündern umzugehen, so ergaben sich wirkungsvolle Möglichkeiten.

      Außer Ben Turpins gab es noch drei Männer, denen er ein helles Licht auf setzen wollte.

      Es waren die Gesellschafter Ben Turpins. Sie hießen Harold Load, Selvyn Powell und Reginald Crofting. Auch sie wohnten in London und waren schnell und gut zu erreichen. Ob sie mit Turpins unter einer Decke steckten, war Lefty Candels nicht bekannt. Ob sie vom Rauschgift wußten, interessierte Candels in diesem Moment nicht mehr. Hauptsache, er brachte die Brotfabrik durcheinander und schadete Turpins. Ob es auf Umwegen geschah oder nicht, war unerheblich.

      Candels war nicht leichtsinnig.

      Nach dem Niederbrennen seines Hauses tauchte er unter. Immerhin hatte er hier in der riesigen Stadt einige Freunde, auf die er sich verlassen konnte.


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