Wer denken will, muss fühlen. Elisabeth Beck
Tier vermenschlicht. Und das sei das Schlimmste von allem. Die Menschen glauben den Experten. Die Erklärungen und Theorien klingen schlüssig. Der Kopf stimmt zu, aber das Herz sagt »nein«. Kein Wunder also, dass der Ruf nach dem Flüsterer laut wird. Ein Flüsterer – könnte das nicht jemand sein, der die Lücke, die da zwischen Verstand und Gefühl klafft, zu schließen vermag?
Was aber meinen wir überhaupt, wenn wir von »Flüsterern« und vom »Flüstern« sprechen? Ich wollte es genauer wissen und habe daher eine Umfrage unter Tierhaltern veranstaltet. Vor allem interessierte es mich, was denn die Einzelnen mit dem Begriff »Flüstern« verbinden und wie jemand sein müsste, der die Bezeichnung »Flüsterer« ihrer Meinung nach wirklich verdient. Hier sind einige der eindrucksvollsten Antworten, die ich bekommen habe: »Flüstern suggeriert für mich ein leises Zwiegespräch, das erst mal gar nicht für andere Ohren gedacht ist, das sich auf Vertrauen und Nähe gründet.« Oder: »Die Person soll in dem Tier ein Wesen sehen, das individuell und einzigartig ist. Er soll dieses Wesen achten und respektieren.« Und: »Er (der Flüsterer) müsste auf einer anderen Ebene als die meisten Menschen mit den Tieren kommunizieren können, also sich mit ihnen verwandt, mit ihnen eins fühlen und ihre Sprache sprechen, sei es in Gedanken, Gebärden, Lauten.«
Insgesamt verbanden fast alle der Befragten mit der Idee des Flüsterns in erster Linie einen besonderen Zugang zum Tier und immer wieder tauchte in den Beschreibungen das Wort »Geheimnis« auf. Es gibt also offenbar einen deutlichen Unterschied zwischen dem, was die meisten Leute von einem Flüsterer erwarten und dem, was eine Trainingsmethode ausmacht.
Eine Methode ist ein planmäßiger Weg, den man wählt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Wir können Methoden auch mit Rezepten vergleichen – oder besser mit ganzen Kochbüchern. Kochbücher stehen in der Regel unter einem bestimmten Motto wie »Französische Küche«, »Süßspeisen«, »Schnellgerichte«, usw. und sie enthalten viele einzelne Rezepte. Jeder kann sie nachkochen und wer das einigermaßen korrekt tut, wird ein gutes Ergebnis bekommen. Auch Hundetrainingsmethoden stehen unter einem Motto, das heißt, sie beruhen auf einer bestimmten Philosophie, und sie stellen Trainingstechniken (die einzelnen »Rezepte«) zur Verfügung. Diese sind nützlich, wenn wir unserem Hund beibringen wollen, bei Fuß zu laufen, auf Zuruf zu kommen, Agility-Hindernisse zu bewältigen, bestimmte Aufgaben zu erledigen oder Kunststücke zu erlernen. Bis zu einem gewissen Grad können sie auch helfen, Probleme zu lösen. Wenn wir uns jedoch eine vertraute Beziehung zu unseren Hunden wünschen, ist das etwas, das eine Methode nicht leisten kann. Ebenso wenig, wie ein gutes Kochbuch aus irgendjemandem einen Meisterkoch macht, werden wir zu »Flüsterern«, indem wir eine Methode anwenden.
Anders als die Methode bezieht sich »Flüstern« – wenigstens in der Vorstellung der meisten Menschen – auf die Person, die mit dem Tier umgeht, auf ihre Einstellungen und Fähigkeiten. Wer sich jedoch an einen Trainer gewandt hat, der sich Flüsterer nennt, wird – ein wenig enttäuscht vielleicht – festgestellt haben, dass dieser auch nur mit Methoden arbeitet und keineswegs irgendwelche besonderen Fähigkeiten vermittelt. Das jedenfalls ergab der zweite Teil meiner Umfrage, in dem es um konkrete Erfahrungen mit Flüsterern ging.
Die Flüsterer-Methoden wurden sehr unterschiedlich beurteilt. Die Palette reichte von »eindrucksvoll« und »faszinierend« bis »grausam« und »abstoßend«. Interessant fand ich, dass die Pferdeflüsterer dabei insgesamt besser wegkamen als die Hundeflüsterer. Die meisten dieser Trainer stellen zwar die Mensch-Tierbeziehung in den Vordergrund, meinen damit aber letztlich auch nur die »Dominanzbeziehung«. Es geht also einmal mehr darum, wer »der Chef« ist -wie in der Hundeschule nebenan. Oft arbeiten die Flüsterer überwiegend mit der Körpersprache. Das ist eine sehr gute Sache, da viele Tiere auch untereinander überwiegend körpersprachlich kommunizieren. Aber es genügt nicht. Auch ein grundsätzlich guter methodischer Ansatz führt nicht automatisch zu einer tiefen, innigen Beziehung zwischen Mensch und Tier.
Fast könnte man meinen, die Fähigkeiten, die wir dem Flüsterer zuschreiben, existierten überhaupt nicht, sie seien nichts weiter als ein Produkt unserer Fantasie. Dennoch hat es zu allen Zeiten und lange, ehe der Flüsterer-Begriff in Mode kam, Menschen gegeben, die mit Tieren intuitiv richtig umgehen und so eine besonders innige Beziehung zu ihnen herstellen konnten – und es gibt sie noch heute. Worin aber besteht ihr Talent?
Um dieser Frage genauer auf den Grund zu gehen, habe ich mich an Tiertrainer gewandt, die dem recht nahe zu kommen scheinen, was die meisten von uns mit dem Flüsterer-Begriff verbinden – auch wenn sie sich selbst nicht »Flüsterer« nennen. Sie alle arbeiten im Showbereich – was mir sehr entgegenkam, da sie aus diesem Grund keine Methoden verkaufen müssen, wie das bei Hundetrainern oft der Fall ist – und mit sehr unterschiedlichen Tieren. Viele von ihnen kenne ich gut und lange und ich schätze sie ganz besonders für die beeindruckende Art und Weise, in der sie mit ihren vierbeinigen Schülern umgehen und mit ihnen kommunizieren.
Ich habe die Arbeit dieser hochbegabten Tiertrainer sehr genau beobachtet und viele Gespräche und Interviews geführt. Dabei haben sich schließlich jene Fähigkeiten herauskristallisiert, die weit über verhaltensbiologisches Wissen und methodisches Know-how hinausgehen: Alle Spitzentrainer erwiesen sich als Meister des Selbstmanagements. Mit welchen Widrigkeiten des Alltags sie auch zu kämpfen hatten, sie konnten blitzartig jeden Ärger sowie Sorgen und Probleme beiseite stellen, sobald sie begannen, mit ihren Tieren zu arbeiten. Dabei schienen sie vollkommen in dem aufzugehen, was sie taten. Sie alle konnten sich in einer ungewöhnlich intensiven Weise in ihre vierbeinigen Schüler einfühlen und sie waren hochflexibel in ihren Handlungen. Am auffallendsten aber waren ihre blitzartigen und intuitiven Reaktionen auf die Tiere.
Selbstmanagement, Flexibilität, Einfühlungsvermögen und Intuition sind emotionale Fähigkeiten. Das Talent, Tiere zu verstehen und sich ihnen verständlich zu machen, hat offenbar mit der Art zu tun, wie Gefühl und Wissen, Herz und Verstand in dem Menschen zusammenwirken, der mit dem Tier umgeht.
Dieses Buch möchte das Geheimnis der innigen Mensch-Tierbeziehung ein Stück weit lüften, indem es sich mit jenem Bereich befasst, der im Hundetraining für gewöhnlich ausgeklammert wird: mit der Rolle der Gefühle in der Kommunikation zwischen Mensch und Tier und der emotionalen Kompetenz des Menschen am anderen Ende der Leine. Dies ist also kein Buch darüber, wie Sie Ihren Hund am besten erziehen oder ausbilden. Das ist auch gar nicht der Schwerpunkt meiner Arbeit, denn ich bin keine Hundetrainerin, sondern Human- und Tierpsychologin. Als solche bin ich ganz besonders an den vielen Fähigkeiten von Menschen und Tieren interessiert und an der Art, wie sie miteinander kommunizieren und einander bereichern können. Nicht der Hund und sein Verhalten stehen hier im Mittelpunkt, sondern die Beziehung zum Hund als wichtigste Grundlage des Trainings.
Wir alle verfügen – von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt – über emotionale Fähigkeiten. Wir können flexibel handeln und unsere Befindlichkeiten managen. Wir können uns in andere Lebewesen einfühlen und Situationen intuitiv erfassen. Warum also nutzen wir dieses Potenzial nicht im Umgang mit unseren Hunden? Es mag daran liegen, dass die Fähigkeiten des Zweibeiners im Hundetraining bisher so gut wie keine Rolle gespielt haben. Je nach Schule hat man den Menschen allenfalls gesagt, sie hätten selbstbewusst aufzutreten, oder aber sie müssten überhaupt keine besonderen Fähigkeiten haben, um Tiere zu trainieren, sondern lediglich wissen, was sie tun. »So etwas« wie Intuition, das sogenannte Bauchgefühl, war sogar regelrecht verpönt. Hunde trainierte man mit dem Kopf.
Der Frage, wie es dazu kam, dass der Umgang mit dem besten Freund des Menschen immer »kopflastiger« wurde, beantwortet eine Exkursion in die Welt der Tierforschung. Sie möchte zeigen, wie Vorurteile, die unsere Vorstellungen von Mensch und Tier jahrhundertelang geprägt haben, dazu führten, dass der gesamte Bereich der menschlichen und tierlichen Emotionen aus dem Hundetraining ausgeklammert blieb – und warum wir uns aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse nun endgültig von diesen verabschieden können.
Ich möchte Sie ermutigen, mit Hilfe Ihrer emotionalen Kompetenz Expertenwissen zu überprüfen und aktuelles Wissen zu nutzen, um die für Sie und Ihren Hund besten Herangehensweisen im Training auszuwählen. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie Probleme lösen, Tricks trainieren, Ihren Vierbeiner zu einem angenehmen Zeitgenossen machen, ihn für bestimmte Aufgaben oder einen Sport ausbilden wollen. Schließlich wird es darum gehen, wie die besonderen