Letzte Fahrt. Robert Falcon Scott

Letzte Fahrt - Robert Falcon  Scott


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Tagesarbeit beginnen können. Der Robbenbraten, das Pinguin- und Möwenfleisch unseres Kochs Clissold haben mir noch nie so gut geschmeckt, und erst seine Seehundsfrikadellen sind genau, als wenn sie aus Rindfleisch zubereitet seien, ohne jeden tranigen Beigeschmack, und selbst den weiß er noch erträglich zu machen.

      Freitag, 20. Januar. Unsere Hütte, der wir übrigens noch keinen Namen gegeben haben, nimmt große Dimensionen an und streckt schon nach allen Seiten ihre Glieder aus. Bowers Anbau an der Südseite, ein Aufbewahrungsraum für schnell herbeizuschaffende Vorräte, Pelzsachen, überflüssige Kleidungsstücke usw. springt so weit vor, dass die Eingangsveranda der Hütte dadurch vollkommenen Schutz erhält. Auch die Ställe an der Nordseite sind so gut wie fertig; einer hat ein festes Dach erhalten und ist durchaus widerstandsfähig. Nelson hat einen kleinen Ausbau an der Ostseite und Simpson einen Vorsprung an der Südostecke. Ponting hat sich eine Dunkelkammer eingerichtet und alle Zimmermannsarbeit dazu mit staunenswerter Gewandtheit selbst ausgeführt; gestern brachte er noch ein Fenster darin an. Meares hat sich in das Grammofon verliebt, für das wir eine sehr schöne Auswahl Platten haben, und Rennick hat heute das Pianola aufgestellt, das, in einzelne Teile zerlegt, aus dem Schiff herübergebracht wurde, obgleich es sich eigentlich nicht die Mühe lohnt.

      Ich habe gestern und heute viel über unsere Depotreise nachgedacht und nun meine Anordnungen getroffen. Deckoffizier Evans setzt schon die Schlitten zusammen und zeigt sich dabei überaus geschickt; Bowers hat den Proviant zu verteilen. Schlittenanzüge, Filzstiefel und -schuhe, Sommerwindanzüge, Fausthandschuhe aus Pelz, für jeden Reisenden ein paar Finnenschuhe, Pelzstiefel, die beim Schneeschuhlaufen gebraucht werden, die Pelzschlafsäcke – alles Fabrikate ersten Ranges – sind schon ausgegeben, und wir denken an nichts als an Einrichtungen und Erfindungen zur Erleichterung unserer Fahrt. Mir macht die Möglichkeit, auf unserer bevorstehenden Herbstreise vom Winterquartier abgeschnitten zu werden, am meisten Kopfzerbrechen; wir werden ziemlich viel Lebensmittel für Tiere und Menschen mitnehmen müssen. Day ist noch immer voller Hoffnung wegen der Motorschlitten; ich bin etwas zweifelnder. Hunde und Ponys vertragen die Kälte gut; nur der Wind macht Letzteren zu schaffen. Doch können wir sie nicht verzärteln und sie werden sich wohl daran gewöhnen, hat doch die Natur selbst schon für sie gesorgt, indem sie ihnen mit wunderbarer Schnelligkeit dicke Pelze wachsen lässt; schon jetzt scheinen sich ihre zottigen Röcke zu glätten. Die Westabteilung, Griffith Taylor und Genossen, hat sich heute bei Wilson über ihre Aufgabe, die Erforschung der Gletscher an der Küste des Viktorialandes, Rat geholt, und der gute Bill hat sein Bestes getan, um ihnen alles Nötige einzupauken.

      Wenn wir nur die Ponys und unsere Vorräte glücklich über die Gletscherzunge hinausbringen, dann habe ich die schönsten Hoffnungen. Der Beginn unserer Schlittenreise ist nunmehr auf den 25. d. M. angesetzt.

      Abschied von der »Terra Nova«

      Sonnabend, 21. Januar 1911. Die Sorge um das Schiff ließ mich nicht ruhen, und als ich während der Nacht die Hütte verließ, um Ausschau zu halten, sah ich gleich, dass es sich in der übelsten Lage befand. Bei anschwellendem Wind und nördlicher Dünung begann das Eis aufzubrechen und die »Terra Nova« war völlig dem Wind ausgesetzt. Zum Glück hielten noch einige der Eisanker, und die Mannschaft war dabei, sie anderswo zu befestigen. Pennell hatte anheizen lassen und ich weckte unsere Leute zur Hilfe. Um 6 war Dampf auf und ich sah mit Freude, dass das Schiff sich windwärts bewegte, das Sammeln der Eisanker und Taue uns überlassend. Es hielt nach Westen ab und fast unmittelbar hinterher trieb ein großer Eisberg heran und geriet an der Stelle, wo es noch eben gelegen hatte, auf Grund.

      Nachmittags kehrte das Schiff an den nördlichen Eisrand zurück. Der Wind war noch immer stark und längs des Randes schwamm überall loses Eis; meine Leute liefen mit den Eisankern hin und ich sah das Schiff wieder westwärts gehen.

      Als ich aber nachher auf das Eisfeld hinausging, erhielt ich die erschreckende Nachricht, die »Terra Nova« sei auf Grund geraten! Ich eilte mit Evans zum Vorgebirge und sah nun, dass die Nachricht nur allzu richtig war. Das Schiff saß gründlich fest und schien in sehr bedenklicher Lage zu sein. Wie ich hinterher hörte, wollte es hinter den Eisberg steuern und war dabei plötzlich aufgerannt, obgleich Penneil schon eine Weile die Maschine hatte rückwärts arbeiten lassen.

      Ich sandte Evans zum Sondieren im Walfischboot hinaus, ließ die Eisanker wieder einsammeln und beobachtete mit größter Aufregung jede Bewegung unseres Schiffes. Wenn es zugrunde ging oder nicht mehr nach Neuseeland zurückkehren konnte und hier sechzig Menschen vergebens auf Erlösung warteten – Vorstellungen dieser Art zermarterten mein Gehirn, und der einzige Trost, den ich aus diesen Schreckbildern der Fantasie ziehen konnte, war der feste Vorsatz, mein Ziel trotz alledem zu erreichen und mich in meiner Aufgabe durch nichts irremachen zu lassen.

      An Bord rannte alles hastig hin und her; die Ladung wurde achtern umgestaut, und da das Schiff während der Flutzeit aufgerannt war, fand ich mich schon mit dem Gedanken ab, die ganze Ladung mithilfe von Booten löschen zu müssen, um es wieder flott zu machen – eine niederschmetternde Aussicht.

      Da begann sich das Schiff langsam zu drehen. Man sah die Matrosen von der einen Seite zur anderen laufen, um es abzubringen, und durch das Seitwärtsrollen verstärkte sich auch die Drehbewegung. Aber dann saß es wieder fest. Bange Minuten vergingen – die Maschine arbeitete immerfort rückwärts und endlich wurde eine leichte Bewegung bemerkbar. Ein Hurra an Bord und ein noch lauteres aus dem Walfischboot – die »Terra Nova«, an deren glücklicher Heimkehr unser aller Schicksal hing, war wieder flott!

      Jetzt liegt sie sicher verankert am Rand des nördlichen Eises und die Mannschaft ruht von der übergroßen Anstrengung, die sie mit bewundernswerter Ausdauer und Geduld geleistet hat, vom Offizier bis zu jedem Matrosen, Pennells gar nicht zu gedenken, und es macht mich wahrhaft stolz, der selbstlosen, treuen Hilfe all dieser Tapferen hier danken zu können.

      Montag, 23. Januar. Gestern war ein überaus friedlicher Tag, den wir zur Vollendung unserer Ausrüstung und Instandsetzung unserer Kleidung alle fleißig nähend zubrachten. Aber solche Idyllen dauern hierorts nicht lange. Als ich heute früh um 5 bei schönstem windstillem Wetter aufstand, sah ich zu meinem Erstaunen, dass sich zwischen Land und Buchteis eine Wasserrinne geöffnet hatte und das Buchteis Miene machte, als feste Masse ins Meer hinauszutreiben. Auf dem Schiff hatte man das natürlich auch bemerkt; man machte die Eisanker los, sandte ein Boot an Land und ging in See, um mit dem Schleppnetz zu fischen. Bald darauf aber brachte Meares die Nachricht, auch das Eis der südlichen Bucht gerate ins Treiben! Das stellte sich zwar bei näherem Zusehen als Übertreibung heraus, aber ein ungeheures Stück des Eisfeldes hatte sich doch schon vom Land gelöst. Immerhin zog es sich noch etwa 4 Kilometer weit längs der Klippen unseres Vorgebirges hin und wir entdeckten bei dieser Gelegenheit auch einen Weg, auf dem die Ponys auf das Eis hinuntergelangen konnten. Aber nur die Ponys, nicht auch das Gepäck! Dieses muss uns die »Terra Nova« zur Gletscherzunge bringen.

      Als ich mir darüber klar geworden war, wurde Hand angelegt und alles ging mit Dampf. Sämtliche Schlitten, unsere ganze Ausrüstung, selbst die Hunde mit den Ponygeschirren wurden auf das Schiff gebracht, und nur die Ponys sollen schon morgen versuchen, auf der Südstraße zur Gletscherzunge zu gelangen. Dort werden sie dann wieder beladen und wir beginnen mit dem Marsch zur Hüttenspitze unsere Depotreise. Zu warten, bis alles Eis hinaustreibt und dem Schiff gestattet, bis zur Hüttenspitze vorzudringen – diese lange Ungewissheit und mögliche Verzögerung können wir nicht riskieren. Ich bete zu Gott, dass sich die Ponystraße noch die wenigen Stunden über halten möge!

      Dienstag, 24. Januar. Fast die ganze Nacht durch wurde in der Hütte fleißig gearbeitet und um 9 Uhr brachen wir auf. Ein Boot der »Terra Nova« holte die Westabteilung und mich ab, als eben die Ponys aus dem Stall geführt wurden und Meares und Wilson schon vorausgingen, um den Pfad zu untersuchen. An Bord musste ich zunächst Lühes Ausbeute an Seetieren auf dem gestrigen Fang bewundern: große Mengen Schwämme, Isopoden, Pentapoden, mächtige Krabben, Korallen und so weiter – aber die pièce de résistance waren mehrere Eimer voll Cephalodiscus, von dem bisher nur sieben Exemplare gefangen worden waren. Lillie ist überglücklich und meint, dieser Fang allein müsse schon das ganze Unternehmen bezahlt machen.

      Während


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