Hans Fallada – Gesammelte Werke. Hans Fallada

Hans Fallada – Gesammelte Werke - Hans  Fallada


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ab, Kum­pel. Ich muss erst Ge­nau­es bal­do­wern, der Mord­horst knackt kei­nen Schrank, ehe er nicht al­les bal­do­wert hat.«

      Aber dann war es schließ­lich so­weit.

      »Dann hat er all mei­ne Sa­chen ver­kauft, und ich sehe sie nie wie­der«, sag­te ich, und plötz­lich tat es mir um die Gold- und Sil­ber­sa­chen sehr leid. »Mir hat er in bar nur vier­tau­send ab­ge­nom­men, nicht mehr.«

      »Er kann doch auch so Geld ge­habt ha­ben«, wi­der­sprach Mord­horst. »Das ist noch nicht raus, dass er dei­ne Sa­chen schon ver­scheu­ert hat­te. Er kann sie auch ver­steckt ha­ben.«

      »Mög­lich ist das«, gab ich zu. »Aber ich glau­be nicht recht dran.«

      »Sore …? Was ist das?«

      »Dei­ne Sa­chen doch! Was gibst du aus?«

      »Was soll ich aus­ge­ben hier im Bun­ker? Ich habe doch selbst nichts!«

      »Aber du hast drau­ßen was!«

      »Dar­über kann ich nicht ver­fü­gen, da lässt mich mei­ne Frau nicht ran!«

      Und wie­der säg­ten wir.

      Am nächs­ten Tage sag­te Mord­horst zu mir: »Du kommst si­cher bald vor den Rich­ter und wirst we­gen des Po­la­cken ver­nom­men. Dann musst du sa­gen, dass du das ge­stoh­le­ne Geld, das hier liegt, für dich be­an­spruchst.«

      »Da­rauf kannst du dich ver­las­sen, dass ich das sa­gen wer­de, Mord­horst«, sag­te ich grim­mig.

      »Und der Staats­an­walt muss dir das Geld frei­ge­ben, das ist klar«, sag­te Mord­horst.

      Eine Wei­le schwieg er wie­der. Dann frag­te er: »Wür­dest du eine An­wei­sung aus­schrei­ben, dass fünf­hun­dert Mark an den Über­brin­ger aus­zu­zah­len sind, wenn ich raus­krie­ge, wo der Po­la­cke die Sa­chen ver­steckt hat?«

      Ich über­leg­te. »Fünf­hun­dert Mark ist mir die Sa­che schon wert«, sag­te ich schließ­lich. »Ich müss­te aber al­les wie­der­krie­gen, auch die Gold­sa­chen, und dar­an glau­be ich nicht.«

      »Wenn du we­ni­ger zu­rück­kriegst, sollst du auch we­ni­ger zah­len müs­sen; ich bin ein re­el­ler Mann«, ant­wor­te­te der un­ver­bes­ser­li­che Geld­schrank­knacker.

      »Aber, Mord­horst!«, sag­te ich, und mich jam­mer­te sei­ne Ein­falt. »Glaubst du denn wirk­lich, dass die hier an dich oder einen aus dem Kitt­chen Geld aus­zah­len wer­den, bloß weil ich eine An­wei­sung aus­schrei­be?«

      »Da­für lass mich nur sor­gen«, gab er un­er­schüt­tert zur Ant­wort. »Du hast doch ein Ge­trei­de­ge­schäft?«

      »Habe ich auch«, gab ich zu­rück. »Wo­her weißt du denn das schon wie­der, Mord­horst?«

      »Ich weiß al­les«, gab er mit der gan­zen Über­heb­lich­keit des klei­nen Man­nes zu­rück. »Und wenn da nun ei­ner von drau­ßen kommt mit ei­ner Rech­nung über Ge­trei­de, das er dir vor ei­nem Vier­tel­jahr ge­lie­fert hat, und ver­langt sein Geld, und du er­kennst die Rech­nung an – ich will wet­ten, die Brü­der zah­len.«

      »Mög­lich«, gab ich zu. »Aber wer soll von drau­ßen mit sol­cher Rech­nung kom­men?«

      »Da­für lass mich nur sor­gen«, gab Mord­horst gleich­mü­tig zu­rück. »Die Haupt­sa­che ist, ich habe dein Wort, du er­kennst die Rech­nung an.«

      »Das hast du«, sag­te ich. »Und ich hal­te auch mein Wort.«

      »Das wird auch bes­ser sein«, gab Mord­horst zu­rück und fing wie­der an mit Sä­gen. »Du kannst dich drauf ver­las­sen, ich schnap­pe dich, wenn du mich in die Pfan­ne haust, schnap­pe dich mor­gen oder in fünf Jah­ren, drau­ßen oder drin­nen, ich selbst oder ei­ner, dem ich’s sage.«

      So be­gann dies Spiel, ein Spiel, wie es nur in Ge­fäng­nis­sen ge­spielt wer­den kann, un­ter­ir­disch, mit vie­len Mit­tels­män­nern, mit Flüs­tern der Kal­fak­to­ren an ver­rie­gel­ten Tü­ren, mit un­end­li­chem Scharf­sinn, der von vie­len Hir­nen in vie­len Stun­den auf­ge­wandt wur­de: Und der heuch­le­ri­sche, lis­ti­ge Po­la­kow­ski war das Ziel.

      Ich habe die­ses Spiel nie ganz durch­schau­en kön­nen, nie habe ich be­grif­fen, wie der be­son­ders streng be­wach­te Mord­horst stän­di­gen Ver­kehr mit al­len Ge­fan­ge­nen, so­gar mit der Au­ßen­welt un­ter­hal­ten konn­te. Aber er konn­te es.

      Manch­mal fiel ein hal­b­es Wort, aus dem ich mir einen Vers ma­chen konn­te. Es gab zum Bei­spiel vier sorg­fäl­tig aus­ge­wähl­te Ge­fan­ge­ne, die in ei­nem über­di­men­sio­na­len Hand­wa­gen das von uns zer­klei­ner­te Holz in die Stadt und in die Häu­ser fuh­ren, un­ter Auf­sicht ei­nes Wacht­meis­ters na­tür­lich. Und es gab den be­währ­ten Ge­fäng­nis­koch, einen al­ten Ge­fan­ge­nen, der manch­mal von dem In­spek­tor in sei­nen Gar­ten vor der Stadt zum Gra­ben und Ha­cken und Gie­ßen mit­ge­nom­men wur­de. Vi­el­leicht wa­ren die­se Ge­fan­ge­nen doch nicht ganz so zu­ver­läs­sig, wie sich die Ge­fäng­nis­ver­wal­tung träu­men ließ. Und dann gab es die Klap­pen in der Tür, durch die uns die Es­sen­schüs­seln her­ein­ge­reicht wur­den, und im­mer gab es an die­sen Klap­pen, wenn sie zur Es­sen­aus­ga­be auf­ge­schlos­sen wa­ren, heim­li­ches Ge­flüs­ter und ver­stoh­le­nes Hin-und-her-Ge­rei­che.

      Wie ge­sagt, ich weiß fast nichts von dem Spiel, das da ge­spielt wur­de, sonst wür­de ich schon da­von er­zäh­len. Ich war ein Grü­ner, und vor al­lem war ich in den Au­gen der an­de­ren kein »rich­ti­ger Ver­bre­cher«, ich hat­te mich nicht am Ei­gen­tum an­de­rer ver­gan­gen.

      Mord­horst hü­te­te sich wohl, mir zu viel zu sa­gen. Ich er­fuhr nur, dass Po­la­kow­ski un­ter Druck ge­setzt wur­de. Sie brach­ten es fer­tig, ihm un­ter den Au­gen der Wacht­meis­ter sein Es­sen zu kür­zen. Sie lie­ßen ihn ein biss­chen hun­gern. Und sein Zel­len­ge­nos­se hat­te im­mer Fraß die Hül­le und Fül­le, gab aber nichts ab. Das war das eine. Und das an­de­re war, dass Po­la­kow­ski wirk­lich zu Haus Frau und Kin­der hat­te, und dass er so un­ver­mu­tet ge­fan­gen ge­setzt wor­den war, dass die ohne einen Pfen­nig und ohne Brot da­sa­ßen.

      Da wur­de es ihm vor­ge­stellt, dass ein Ge­fan­ge­ner in we­ni­gen Ta­gen ent­las­sen wer­den wür­de, und die­ser Ge­fan­ge­ne kön­ne ja die ver­steck­ten Sa­chen ho­len und ver­scheu­ern und den Er­lös der Frau ge­ben – nach Ab­zug ei­ner an­ge­mes­se­nen Be­loh­nung na­tür­lich. Ich glau­be wohl, dass der lis­ti­ge, arg­wöh­ni­sche Po­la­kow­ski einen schwe­ren Kampf mit sich kämpf­te, aber sie mach­ten ihn weich. Sie zwick­ten ihn, sie schrie­ben ihm Kas­si­ber, und dann lie­ßen sie ihn ganz ohne Nach­richt, und wenn er sie frag­te, sag­ten sie: »Ist er­le­digt. Du willst ja nicht.« Und auch ein Po­la­kow­ski liebt wohl sei­ne Kin­der und sieht sie nicht ger­ne hun­gern und bet­teln.

      Es kam der Tag, da Mord­horst zu mir sag­te:


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