ISLAND RED. Matt Serafini

ISLAND RED - Matt Serafini


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traf er seine Mutter hörbar ungehalten an. »Luther, bitte«, raunte sie ins Telefon. Er erstarrte und hoffte, sie nicht gestört zu haben, indem er die Tür zu laut geöffnet hatte.

      »Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll. Du hast doch gemeint, du würdest dich freuen, Reginald zu nehmen. Wie oft soll ich denn nachhaken, nachdem du eingewilligt hast, bevor ich einen Urlaub sicher planen kann? Ich habe es ihm noch nicht erzählt. Das wollte ich heute nach dem Abendessen tun … Ich denke, das geht okay für ihn, ehrlich.«

      Reggie hörte, wie sie nervös hin und her ging, so als warte sie auf die Prognose eines Arztes. »Nein, du bauschst das über Gebühr auf … er liebt seinen Vater. Du weißt genau, dass ich nichts von mir gebe, das ihn das Gegenteil vermuten lassen könnte. Komm mir ein bisschen entgegen, Luther. Ich werde ihn bestimmt keine ganze Woche lang daheim alleinlassen … klar, er wird immer erwachsener, aber keine Mutter lässt ihren Sohn während der Frühlingsferien unbeaufsichtigt zu Hause.«

      Reggie, der nun vor Wut schäumte, stapfte in die Küche und zog unwirsch eine Flasche MexiCoke aus dem Kühlschrank. Nachdem er den Kronkorken mit dem Magnetöffner an der Tür entfernt hatte, warf er das Ding aufgebracht durch den Raum.

      Seine Mutter verstummte mitten im Satz, als sie seine lautstarke Unmutsbekundung hörte, und redete erst nach einer kurzen Pause weiter.

      »Ich muss jetzt auflegen. Er ist wieder da und hat bestimmt alles mitbekommen. Du darfst mir das jetzt nicht antun, Luther. Bitte.«

      Reggie hatte die vor Kälte angelaufene Flasche schon halb leer getrunken, als seine Mom in die Küche zurückkehrte. Sie hängte den Telefonhörer wieder in der Station ein, wich jedoch dem Blick ihres Sohnes aus. Während sie auf das dunkle Fliesenmuster des Fußbodens starrte, murmelte sie etwas darüber, dass der Boden dringend neu verfugt werden müsse.

      »Ich will nicht nach Florida«, begann Reggie.

      »Reginald, bitte.«

      »Mom, das ist meine einzige freie Woche. Warum kann ich denn nicht einfach allein daheim abhängen? Ich bleibe auch in der Wohnung. Du wirst gar nicht daran denken, dass ich hier bin.«

      Sie sträubte sich gegen diese Vorstellung. Mit dem Umstand, dass er langsam zum Mann wurde, tat sie sich sowieso schon schwer, nur dass es aus irgendeinem dummen Grund in erster Linie sein Problem war.

      Sie setzte sich ihm gegenüber und streckte die Hand nach der Colaflasche aus. Er schob sie hinüber zu ihr und schaute dabei zu, wie sie einen kräftigen Schluck trank. »Ich weiß nicht, warum du meinst, dass das Zeug wesentlich besser schmecken würde«, sagte sie nach dem Absetzen, dann kniff sie die Augen zusammen und presste die Lippen aufeinander, als wolle sie zu einer Gardinenpredigt ansetzen. »Es ist nichts Persönliches gegen dich, Reggie. So wie du reagierst, könnte man ja denken, ich wollte dich in ein Ferienlager schicken, aber hier geht es nicht darum, dich aus der Wohnung zu scheuchen, nicht einmal ansatzweise.«

      »Worum dann? Wann hättest du es mir denn erzählt?«

      Sie seufzte. Da ihn seine Mom generell sehr ungern aus dem Haus ließ, kaufte er ihr durchaus ab, was sie gerade gesagt hatte. Aber sie versuchte auch, ihm etwas vorzuenthalten. Er war es nicht gewohnt, sie so sehen zu müssen.

      In Gesprächen wies ihn sein Dad stets darauf hin, dass er jetzt der Mann im Haus war und somit auch dafür verantwortlich war, auf Mom achtzugeben. Das tat er auch, obwohl er sich schon fragte, weshalb eine Erwachsene behütet werden müsse.

       Hätte so etwas nicht mittlerweile hinter ihnen liegen müssen?

      »Also gut, Reginald, ich will offen zu dir sein – so offen wie ich es auch von dir erwarten würde. Ich treffe mich schon seit ein paar Monaten regelmäßig mit jemandem … davon habe ich dir aber noch nichts erzählt, weil ich wusste, dass du … empfindlich bist, was das betrifft …«

      »Aber was ist denn so schwierig mit Dad?«

      »Nichts.« Sie drehte die leere Colaflasche – Hauptsache, beim Erörtern dieses Themas den Blickkontakt meiden. »Uns wurde nur irgendwann klar, dass es zwischen uns nicht mehr funktioniert.«

      »Aber mit deinem Neuen funktioniert es?«

      »Er heißt Anthony. Ja, das tut es. Wir fliegen nächste Woche zusammen nach Italien, und ich dachte, du wärst begeistert, ein bisschen Zeit mit deinem Vater verbringen zu dürfen.«

      Wenn Reggie eines fernlag, dann eine Rückkehr auf diese Insel. Denn dort war es öde und das Essen schmeckte ätzend. Von Meeresfrüchten bekam er im harmlosesten Fall Dünnschiss, und das Wi-Fi war quälend langsam, weil sich jeder mit zehn Geräten auf einmal einloggte. Darum standen Xbox, Snapchat oder Instagram gar nicht erst zur Debatte.

      Seine Mutter hätte ihn also ebenso gut auf eine Militärschule schicken können. »Deine Art, mich belohnen zu wollen, ist echt komisch«, antwortete er. »Mir kommt es nämlich eher wie eine Bestrafung vor.«

      Er wollte diese Ferien zwar locker angehen, hatte aber Ziele. Es sollte dabei um Becky St. George gehen, und er hatte sich vorgenommen, seinen Mut zusammenzunehmen, um sie zu einem Hamburger und einem Kinofilm einzuladen. Der Zeitpunkt musste genau abgepasst werden, was leichter gesagt als getan war, weil es auf ihre letzten sechzehn Begegnungen nicht zugetroffen hatte. Heute war es ebenfalls unpassend gewesen, doch wenigstens hatte er die Chance erhalten, ihr in die Augen zu schauen und etwas zu sagen.

       Und dann fasele ich etwas von Eichhörnchen …

       Ich könnte ja einfach über Bord springen, sobald ich auf der Fähre bin.

      Falls ihn Mom nach Florida fliegen ließ, konnte er sich dergleichen aber abschminken. Becky St. George würde dann weiterhin unerreichbar für ihn bleiben – ausgenommen in seiner Fantasie – und sie würde ganz bestimmt einen Freund haben, wenn Reggie zurückkehrte.

      Das Ganze war eine Katastrophe.

      Er wollte Einwände erheben, bemerkte aber noch rechtzeitig den erschöpften Gesichtsausdruck seiner Mutter. Ein Geheimnis vor ihrem Sohn zu haben, war falsch gewesen, doch hatte ihr Reggie eine andere Wahl gelassen? Angesichts des letzten Mackers, mit dem sie im Appartement angetanzt war … als er sich hinausgeschlichen und eine ganze Packung Nudelsoße auf dessen Motorhaube verteilt hatte? Damals war er zwar noch jünger gewesen, aber sie ging offenbar nicht davon aus, dass er seitdem merklich vernünftiger geworden war.

      Mit der Schwäche, die sie zeigte, schien sie ausdrücken zu wollen: Bitte Reginald, du musst mir diese Reise gönnen. Er wusste, dass seine Einwände haltlos waren. Die Insel, auf der sein Vater jetzt lebte, fand Reggie kacke, aber ihn wiederzusehen konnte schon schön werden. Als er an Becky St. Georges von der Sonne verwöhnten Bauch dachte, musste er sich unweigerlich auf die Zähne beißen.

      »Na ja, ein Besuch bei Dad wird schon nicht so schlimm werden«, relativierte er, obwohl ihm nicht einleuchtete, warum sein alter Herr überhaupt so weit weggezogen war. Die Scheidung hatte ihm den Stolz geraubt, das war Reggie schon klar, doch wenn Dad ihnen weismachen wollte, dass er darauf aus war, seinen Sohn möglichst oft zu sehen, wirkte dies leider nur leidlich überzeugend. Wenn du so großen Wert darauf legst, wieso wohnst du dann auf einer Insel am anderen Ende des Landes, die ein Fliegenschiss auf der Landkarte ist?

      »Du bist mein Bester, Schatz.« Sie blickte auf und bemühte sich um ein Lächeln, als sie bemerkte, dass er die Idee so langsam akzeptierte.

      »Können wir trotzdem früh zum Abendessen ausgehen und uns später einen Film anschauen?«

      Sie schob die Flasche mitten auf den Tisch und holte tief Luft. »Aber sicher doch.«

      »Dann sollte ich wohl langsam meine Taschen packen. Erfahre ich denn früh genug, wann ich losmuss, oder ist das auch eine Überraschung?«

      »Schon morgen ziemlich früh. Ich hätte es wirklich nicht vor dir verheimlichen sollen.«

      »Da hast du recht«, stimmte er ihr zu. »Die Zeiten, in denen ich mit Soße gekleckert habe, sind schon lange vorbei, Mom.«

      »Dann


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