Das verborgene Netzwerk der Macht. Klaus-Peter Horn
und Loyalität der Mitarbeiter sind wichtige Komponenten dieses Klebstoffs. Unter Belastung zeigt sich, ob er bindet oder ob tragende Pfeiler der Struktur wegbrechen.
Wenn eine Unternehmenskultur bindet und trägt, wird das nirgends deutlicher sichtbar als an der Schnittstelle zwischen Organisation und Individuum. Sie ist die Weiche, an der sich entscheidet, ob der Zug weiter zu seinem Ziel durchfahren kann oder ins Abstellgleis umgeleitet wird. Die »weichen Faktoren« werden in ihrer enormen Bedeutung erst in unserem Informationszeitalter erkannt.
So erklärte beispielsweise der Lufthansa Bereichsvorstand Thomas Sattelberger kürzlich »Humankapital« zum »eigentlichen betriebswirtschaftlichen Engpass« (in: Managementberater 1 / 2000, S. 27 ff).
Die Zukunft gehört den Netzwerken, global ebenso wie regional.
Der Erfolg eines Unternehmens hängt davon ab, wie harmonisch sein Organisationssystem arbeitet und welchen Platz es in den komplexen Netzwerken des Marktes findet – und davon, ob die Unternehmensführer die Gesetze menschlicher Systeme verstehen und respektieren.
Denn nicht nur die richtigen Mitarbeiter sind »Humankapital«, sondern auch die richtigen Chefs! Entscheider müssen auf systemischen Ausgleich achten, wenn sie ein stabiles Gleichgewicht erreichen möchten. Das gilt für mittelständische Familienunternehmen ebenso wie für multinationale Konzerne.
Systemisches Aufstellen und Coachen: die neue Problemlösung …
Die hier vorgestellten Verfahren eröffnen einen Zugang zum Netzwerkwissen eines Unternehmens. Deshalb könnten Systemaufstellung und systemisches Coaching sich zu den Problemlösungsmethoden der Zukunft entwickeln. Ausnahmsweise sind sie nicht, wie die meisten Managementmodelle und Trainingsansätze, ein Exportschlager Amerikas. Vielmehr handelt es sich um ein Novum, dessen Wellen sich von Deutschland in die Welt ausbreiten. Erste wissenschaftliche Forschungen bestätigen die positiven Erfahrungen, die verschiedene renommierte Unternehmen bereits mit der Aufstellungsmethode sammeln konnten.*
… für Organisationssysteme in der Wirtschaft
Obwohl die Aufstellungsmethode zunehmend in den Blickpunkt öffentlichen Interesses rückt, mangelt es bisher an Beschreibungen für Anwender im Wirtschaftsleben. Wir möchten mit diesem Buch dazu beitragen, den Nutzen dieses neuen Ansatzes für Unternehmen transparenter zu machen; das Buch ist für die Praxis geschrieben. Sie können von den hier dargestellten Fallbeispielen profitieren, gleich ob es beispielsweise um strategische Unternehmensentscheidungen, Teamentwicklung oder persönliche Ziele geht.
An welcher Stelle im Unternehmen Sie auch stehen – die Anwendung systemischer Prinzipien kann Ihnen zu mehr Einsicht in Probleme oder Entscheidungsfragen verhelfen und neue Perspektiven in der Organisationsentwicklung eröffnen.
Als Trainer und Berater haben wir in den vergangenen 18 Jahren mit unseren Kunden, Unternehmen aller Größen und Branchen sowie mit Einzelpersonen an ihren Fragen, Problemen, Zielen und Visionen gearbeitet. Die innovative Methode der systemischen Aufstellung, um die es in diesem Buch geht, integrieren wir heute als ein wichtiges Werkzeug ins Spektrum unserer Kompetenzen. Mit ihrer Hilfe konnten wir schon vielen Kunden helfen, verzwickte Situationen zu lösen, Ziele zu klären, Perspektiven zu entwickeln und auch dort Lösungen zu finden, wo wir mit den klassischen Werkzeugen von Training und Coaching allein nicht hätten weiterkommen können. Nichts ist so erfolgreich wie eine Methode, deren Zeit gekommen ist! Trotzdem bedarf sie manchmal der Ergänzung durch andere Verfahren, besonders wenn es um die Implementierung von Lösungen im Alltag geht. Auch für diesen erfolgsentscheidenden Transfer vom Makrosystem ins Mikrosystem stellen wir Ihnen in diesem Buch einen wirkungsvollen Ansatz vor. Was erwartet Sie nun in den einzelnen Kapiteln?
Übersicht über den Inhalt des Buches
Im ersten Kapitel erfahren Sie, welche verborgenen Mechanismen ein Unternehmen steuern. Wie sich die Methode der Systemaufstellung entwickelt hat und wie sie konkret funktioniert, lesen Sie im Kapitel 2. Beispiele von Aufstellungen, die wir mit unseren Kunden durchgeführt haben, erlauben Ihnen, in die Praxis hineinzuschnuppern. Sie sind im dritten Kapitel dokumentiert. In unseren Seminaren und Vorträgen werden wir immer wieder mit interessanten Fragen zur systemischen Arbeit konfrontiert. Vielleicht haben Sie sich einige dieser Fragen auch schon gestellt. Eine Auswahl häufiger Fragen samt unseren Antworten können Sie im Kapitel 4 nachlesen. Weil Lösungen nur von einzelnen Menschen praktisch umgesetzt werden können, ist die Schnittstelle zwischen Makrosystem (Unternehmen) und Mikrosystem (Persönlichkeit) von großer Bedeutung. Unseren Ansatz zum systemischen Makro-Mikro-Coaching finden Sie im fünften Kapitel. Den Abschluss bildet in Kapitel 6 eine Checkliste, mit der Sie sofort beginnen können, systemische Prinzipien auf Ihr Unternehmen anzuwenden.
* So die empirische Studie einer Münchener Fachhochschule mit 156 Führungskräften in 16 Industrieunternehmen. Siehe: Franz Ruppert: »Aufstellen von Arbeitsbeziehungen in Wirtschaftsunternehmen. Erfahrungen und Ergebnisse empirischer Untersuchungen.« In: Weber (Hg.), 2000.
1. Das Unternehmenssystem – Ihr wichtigstes Betriebskapital
1.1 Das verborgene Führungssystem Ihres Unternehmens
Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile
Es ist ein großer Irrtum zu glauben, Sie als Unternehmer führten Ihr Unternehmen allein. Auch wenn Sie als Manager oder Mitarbeiter der Meinung sind, Ihr Chef oder der Vorstand gäbe die Richtung vor, übersehen Sie etwas Entscheidendes. Denn tatsächlich führen alle gemeinsam das Unternehmen – allerdings weder nach dem beliebten Unternehmer-Motto »Alle in einem Boot« noch im Sinne eines »volkseigenen Betriebs« der SowjetÄra.
Am Erfolg oder Misserfolg sind nicht nur Unternehmensangehörige beteiligt. Es gehören noch andere dazu – beispielsweise die Kunden, die Aktionäre, die Konsumenten, die Mitbewerber, eventuell ausländische Tochtergesellschaften. Sie bilden netzwerkartig ein mächtiges Ganzes, das mehr ist als die Summe seiner Teile.
Das Ganze funktioniert als ein lebendiges System, dessen eigene Dynamik konsequent und oft entgegen den Entscheidungen der Unternehmensführer Ergebnisse bewirkt – zum Guten wie zum Schlechten.
Wie kann das sein? Was den einzelnen Menschen angeht, ist uns klar, dass jeder seine blinden Flecken hat, also bisweilen unbewusst agiert und reagiert. Spätestens seit Sigmund Freud ist es eine allgemein akzeptierte Tatsache, dass das Unbewusste unser Handeln, Denken und Fühlen stark mitbestimmt. Manche vergleichen sogar unser bewusstes Handeln und Denken mit einer Nussschale, das Unbewusste aber mit dem Meer. Solange das Meer still ist, glaubt der Nussschalenkapitän, er habe alles unter Kontrolle.
Auch Unternehmen haben ein Unbewusstes
Aber nicht nur einzelne Menschen, sondern auch menschliche Systeme – wie Familien, Organisationen und Unternehmen – sind maßgeblich durch das Unbewusste gesteuert. Diese Erkenntnis veranlasste Martin Buber zu seinem berühmten Ausspruch, das Unbewusste sei nicht in, sondern zwischen den Menschen. Mit diesem zwischenmenschlichen Unbewussten sind nicht nur die massenpsychologischen Phänomene gemeint, die wir immer wieder in Fußballstadien, bei Popkonzerten und auf Wahlkampfveranstaltungen beobachten können. Vielmehr bildet das Unbewusste in unseren Unternehmen, Abteilungen und Teams eine unsichtbare und sehr machtvolle Struktur, die nach eigenen Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien funktioniert. Daher spricht man von einem »System« und seinen »systemischen« Gesetzen.
In einem System sind alle miteinander verbunden
Was ist ein System?