Mami Staffel 7 – Familienroman. Lisa Simon

Mami Staffel 7 – Familienroman - Lisa Simon


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ihm Nicole um den Hals und erzählte ihm überschwenglich von dem Gespräch mit Dr. Kleiber.

      Rainer wirbelte die zarte Frau herum. »Siehst du, ich habe dir gesagt, daß es sich auszahlt, wenn man immer am Ball bleibt!«

      »Stell dir vor, wie die Kolleginnen vor Neid erblassen werden, wenn ich diese begehrte Stelle bekomme!« Nicole freute sich wie ein Kind.

      Der gutaussehende junge Mann lachte: »Das hast du dir aber auch verdient – so, und jetzt habe ich einen Bärenhunger!«

      *

      Nicole fieberte dem Tag entgegen, an dem Dr. Kleiber den Mitarbeitern mitteilen würde, daß die Kanzlei Kleiber/Sondermann demnächst einen neuen Partner bekommen würde. Vier Wochen nach dem Gespräch mit ihm rief er sie zu sich. Nicole war nicht wohl. Gleich, als sie Dr. Kleiber sah, wußte sie, daß etwas Unangenehmes passiert sein mußte. Der einzige Gedanke, der Nicole durch den Kopf fuhr, war der, daß sie jetzt doch nicht die begehrte Stelle bekommen würde. Doch so schlimm war es dann nicht.

      »Unser neuer Partner, Herr Dr. Benedikt, ist leider erst in einem Jahr abkömmlich. Ich hoffe, Frau Kamrath, daß Sie uns trotzdem treu bleiben – die Stelle als Chefsekretärin ist selbstverständlich für Sie reserviert.«

      »Natürlich werde ich bleiben.« Nicole spürte einen dicken Kloß im Hals, versuchte dennoch, ihre Enttäuschung nicht zu zeigen. »Ich freue mich, daß Sie mir auch weiterhin die Chance geben.«

      Als sie wieder an ihrem Schreibtisch saß, tat sie so, als hätte Dr. Kleiber sie nur zu einem Diktat in sein pompöses Büro geholt. Frau Singer, dessen Sekretärin, war seit ein paar Tagen krank. Da war es üblich, daß eine der Tippsen, wie Dr. Kleiber seine Schreibkräfte scherzhaft nannte, wichtige Arbeiten von Gisela Singer übernahm.

      Mechanisch legte Nicole eine neue Kassette in das Diktiergerät und arbeitete bis zum Feierabend, ohne auch nur einmal aufzusehen.

      Erst abends, zu Hause vor dem Fernseher, kamen die Tränen. Rainer war für drei Tage geschäftlich in einer anderen Stadt, und zu allem Überfluß fühlte sich Nicole so schlapp und schwindelig, als würde eine deftige Grippe im Anmarsch sein. Fieber hatte Nicole noch nicht, aber wenn das Schwindelgefühl in ein paar Tagen nicht fort war, würde sie einen Arzt aufsuchen. Sie konnte es sich unmöglich leisten, krank zu werden!

      Sie fühlte sich auch in den Tagen danach nicht besser – im Gegenteil, ihr war jetzt sogar öfter übel. Morgens wagte sie kaum aufzustehen, weil ihr fast augenblicklich schlecht und schwindelig wurde.

      Sogar Rainer fiel auf, daß Nicole immer blasser wurde. Anfangs sah er den Grund darin, daß sie wegen ihrer versprochenen Stelle so enttäuscht war, daß sie kaum noch Appetit hatte. Doch dann fuhr er sie nach Feierabend kurzerhand zum Arzt.

      Wie betäubt verließ Nicole eine gute Stunde später die Praxis wieder. Ihr fehlte überhaupt nichts, hatte der freundliche Arzt gesagt und ihr freudestrahlend gratuliert, daß sie ein Baby bekommen würde! Nein, das konnte doch nicht möglich sein!

      Rainer wartete im Auto auf dem Parkplatz um die Ecke. Nicole ging wie durch einen dichten Nebel, wäre beinahe mit einem dicken Mann, der ihr entgegenkam, zusammengestoßen.

      »Was ist denn mit dir los?« fragte Rainer lachend, als sich Nicole neben ihn auf den Beifahrersitz plumpsen ließ. »Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen!« Er hörte auf zu lachen, als er die Tränen in Nicoles Augen sah.

      »Rede doch!« fuhr er sie fast an. »Was hat der Arzt gesagt? Bist du ernsthaft krank, oder was ist passiert?«

      Nicole griff in ihre Handtasche, fingerte nach einem Taschentuch und putzte sich geräuschvoll die Nase, bevor sie stockend zu sprechen bekann.

      »Rainer, ich bekomme ein Kind…« Dann versagte ihre Stimme, und sie sah hilflos zu dem Mann neben ihr. Der starrte durch die Windschutzscheibe und schüttelte den Kopf. »Das kann doch nicht wahr sein.«

      »Ich wollte es auch nicht glauben, aber der Arzt hat es mir sogar schriftlich bestätigt.«

      Rainer startete den Wagen und sagte mit tonloser Stimme: »Laß uns zu Hause darüber reden.«

      Schweigend fuhr das junge Paar zu Nicoles Wohnung; jeder hing seinen Gedanken nach. Kaum hatte Rainer die Wohnungstür hinter sich geschlossen, sagte er: »Also, wenn du jetzt glaubst, daß ich Familienpapa spiele, hast du dich mächtig geirrt. Ich habe noch viel vor, kann und will mich nicht mit Frau und Kind abplagen!«

      Nicole stand mit hängenden Schultern da. Ihr kam die Schwangerschaft genauso ungelegen wie Rainer, aber sie sagte nichts. Er war so aufgewühlt – ja, richtig wütend, als wäre Nicole mit Absicht schwanger geworden, damit er sie heiraten würde! Dabei hatten sie nie von Heirat gesprochen.

      »Soll ich dir etwas zu essen

      machen?« fragte sie verschüch-

      tert.

      Rainer lief in der Küche wie ein Tiger im Käfig nervös auf und ab. »Ich will jetzt nichts essen! Ich will nur Klarheit schaffen – ich werde auf keinen Fall für dieses… Kind sorgen, damit du das weißt!«

      Nicole fühlte erneut dieses unsympathische Schwindelgefühl und setzte sich vorsichtig auf die äußerste Kante eines Küchenstuhls. Sie wollte Rainer sagen, daß er auch Schuld daran hatte, daß sie schwanger war, aber der aufgebrachte Mann ließ sie gar nicht zu Worte kommen. Er baute sich vor Nicole auf.

      »Also, hör zu! Heutzutage muß keine Frau mehr ein Kind zur Welt bringen, wenn sie es nicht unbedingt will – du verstehst?«

      Nicole nickte.

      »Gut, dann werde ich jetzt gehen; und wenn du die Sache aus der Welt geschafft hast, kannst du mich anrufen, okay?«

      Fassungslos starrte Nicole den Mann an, von dem sie gedacht hatte, sie würde ihn kennen.

      »Du willst mich also verlassen, mich im Stich lassen?«

      »Herrgott, Nicole! Du darfst das nicht so eng sehen; wenn du Kinder haben möchtest, dann laß uns in ein paar Jahren noch einmal darüber sprechen. Aber jetzt ist es zu früh – und zwar für uns beide! Denk an die Stelle, die dir Dr. Kleiber versprochen hat – willst du die ganze Arbeit und Mühe nur für ein Kind aufgeben?«

      Nein, das wollte Nicole natürlich nicht, aber bevor sie den Mund aufmachen konnte, verließ Rainer mit hastigen Schritten die Küche. Ni-

      cole ging hinterher und sah, daß er seine Jacke anzog und im Begriff war, die Wohnung zu verlassen. An der Tür drehte er sich nochmals um.

      »Denke an die Worte, die ich dir gesagt habe. Laß das Kind wegmachen, dann können wir wieder zusammensein. Ich will mit der Sache nichts zu tun haben.« Dann klappte die Tür zu, und Nicole war allein.

      Sie lehnte sich gegen den Türpfosten und ließ ihren Tränen freien Lauf. Sie fühlte sich so einsam und verlassen. Warum benahm sich Rainer so herzlos?

      Nicole ärgerte sich plötzlich über sich selbst. Warum hatte sie ihm nicht gesagt, daß auch sie dieses Kind nicht haben wollte? Rainer mußte ja denken, daß sie ganz verrückt danach war, Mutter zu werden, dabei hatte sie doch noch soviel vor in ihrem Leben…

      *

      Gleich am nächsten Tag suchte Nicole wieder die Praxis von Dr. Lorenz auf. Der Mediziner war erstaunt, die hübsche Frau schon wieder zu sehen, er hatte ihr doch

      gesagt, daß sie erst in vier Wochen zur Vorsorgeuntersuchung kommen brauchte.

      Nicole druckste ein wenig herum, bevor sie auf den Punkt kam. Sie kam sich direkt schäbig vor, machte dem Arzt aber klar, daß sie als alleinstehende Frau nicht in der Lage wäre, für ein Kind zu sorgen.

      »Ich möchte gern eine Abtreibung haben«, sagte sie schließlich so leise, daß Dr. Lorenz kaum verstand, was sie sagte. Sie wagte nicht, dem Arzt in die Augen zu sehen.

      Der blickte sie mit gerunzelter Stirn über den Rand seiner Brille an. »Ja, haben Sie denn nicht den Entbindungstermin auf Ihrer Bescheinigung gelesen?«


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