Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman. Toni Waidacher

Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman - Toni Waidacher


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      In dieser Nacht fand die junge Frau keine Ruhe. Immer wieder gingen ihr alle möglichen Gedanken durch den Kopf, und die Idee, das Geheimnis um ihre Herkunft lösen zu wollen, nahm immer mehr Gestalt an.

      Gleich morgen – nein, es war ja schon heute – wollte sie nach der Arbeit zu Onkel Heinrich fahren und ihn fragen, was er darüber wußte. Und wenn es erforderlich war, dann würde sie sich notfalls Urlaub nehmen, um ihre Nachforschungen intensiv betreiben zu können.

      Gegen Morgen schlief sie dann doch noch ein und mußte sich mit Gewalt zwingen aufzustehen, als der Wecker klingelte. Auch wenn sie den ganzen Tag gewissenhaft arbeitete, konnte Carla doch kaum den Feierabend erwarten. Sie verabschiedete sich rasch von den Kolleginnen und setzte sich in ihr Auto.

      Hoffentlich konnte Onkel Heinrich ihr weiterhelfen!

      *

      Heinrich Brinkmann lebte in seinem kleinen Haus im Nachbarort. Er war Beamter im Ruhestand und genoß seinen Lebensabend. Immer noch rüstig und mit Elan widmete er sich dem Garten, in dem er sich gerne aufhielt und seinem Hobby, der Rosenzucht, frönte.

      Früher hatte er viel Gemüse angebaut, sehr zum Leidwesen seiner Frau, die die reichliche Ernte verarbeiten und einkochen mußte. Seit Tante Fine, wie sie von allen genannt worden war, vor vier Jahren verstarb, hatte der Witwer die Gemüsezucht schließlich aufgegeben.

      Natürlich fand Carla ihn hinten im Garten. Onkel Heinrich stand, eine grüne Gärtnerschürze umgebunden und den unvermeidlichen Strohhut auf dem Kopf, im Rosenbeet, und es sah beinahe so aus, als spräche er mit den Blumen.

      »Grüß dich«, rief Carla von der Pforte her.

      »Na, das ist aber eine nette Überraschung«, freute sich ihr Onkel. »Schön, daß du mich alten Mann mal wieder besuchst.«

      Die Arzthelferin umarmte ihn und gab ihm einen Kuß auf die Wange. Sie deutete auf die Rosen.

      »Herrlich!«

      »Net wahr?« sagte er stolz. »Eine wahre Pracht.«

      Er schaute sie fragend an.

      »Hat’s einen besonderen Grund, daß du hergekommen bist?«

      Carla nickte.

      »Ja, Onkel Heinrich«, antwortete sie. »Ich wollte etwas von dir wissen. Gestern hab’ ich endlich Mutters Papiere geordnet und bin dabei auf etwas gestoßen… Sagt dir der Name Tobias Starnmoser etwas?«

      Der alte Mann schaute nachdenklich vor sich hin.

      »Komm«, sagte er dann, »es ist gerade Essenszeit. Leiste mir beim Abendbrot Gesellschaft, dann reden wir über alles.«

      Nachdem es tagelang geregnet hatte, war heute endlich wieder die Sonne zu sehen gewesen und die Temperatur deutlich angestiegen. Angesichts des Wetters deckten sie den Tisch auf der Terrasse. Carla kochte Tee, während ihr Onkel das Brot schnitt und Wurst und Käse auf einer Platte anrichtete.

      »Ich hab’ eigentlich schon damit gerechnet, daß du herkommen und mich fragen würdest«, sagte er, als sie saßen. »Aber ich war net sicher, ob deine Mutter dir etwas wegen der alten Geschichte hinterlassen hat.«

      »Wenn ich mich eher um die Papiere gekümmert hätte und dahintergekommen wäre, daß dein Bruder net mein Vater ist, hätt’ ich schon längst nachgefragt.«

      Heinrich hob mahnend die Hand.

      »Kurt war und ist dein Vater«, sagte er im ernsten Ton. »Wenn auch net der leibliche, aber einen bess’ren hättest dir net wünschen können.«

      Die Arzthelferin senkte beschämt den Kopf.

      »Du hast recht«, antwortete sie. »Papa hat wirklich alles für mich getan. Es ist nur…, weil ich so durcheinander bin, seit ich erfahren hab’, daß es da noch einen andren gibt.«

      »Natürlich, mein Mädchen«, nickte Heinrich Brinkmann. »Das versteh’ ich sehr gut.«

      Er hatte sich eine Brotscheibe genommen und mit Butter bestrichen.

      »Deine Mutter«, fuhr er fort, während er etwas Wurst auflegte, »hat mir einmal etwas darüber erzählt. Sie hat sich ihr ganzes Leben Vorwürfe gemacht, weil sie dir nie sagen konnte, wer dein wirklicher Vater ist. Kurt wollte es net. Er meinte, du würdest dadurch nur in einen Konflikt geraten.«

      Er lächelte.

      »Vielleicht hatte er Angst, dich zu verlieren. Kurt liebte dich nämlich wirklich abgöttisch. Meine kleine Prinzessin hat er dich immer genannt.«

      Auch Carla mußte unwillkürlich lächeln. Sie erinnerte sich an den Kosenamen, den der Vater ihr gegeben hatte, als sie das erste Mal zum Fasching gehen durfte. Es war im Kindergarten, und natürlich wollte sie sich als Prinzessin verkleiden.

      »Deine Mutter stammt aus einem kleinen Ort in den Bergen«, erzählte Heinrich Brinkmann weiter. »Genauer gesagt ist sie dort auf dem Bauernhof ihrer Eltern großgeworden.«

      »Auf einem Bauernhof?« fragte Carla überrascht.

      »Ja, er gehörte wohl seit vielen Generationen der Familie, und Brigitte war das einzige Kind.«

      Er strich sich nachdenklich über das Kinn.

      »Und das war wohl letztendlich auch der Grund für das Drama, das sich dort anbahnte…«

      Die junge Frau hing wie gebannt an seinen Lippen. Onkel Heinrich trank einen Schluck Tee, das Brot lag noch unberührt auf dem Teller.

      »Was sich genau abspielte, kann ich dir nicht sagen«, fuhr er endlich fort. »Deine Mutter hat nie viel über sich erzählt. Natürlich wußte außer Kurt auch Tante Josefine Bescheid, aber alle anderen Verwandten hatten und haben bis heute keine Ahnung, daß mein Bruder dich adoptiert hat.«

      »Aber wie war das denn nun mit meinem richtigen Vater?« wollte Carla wissen.

      »Alles, was ich dir darüber sagen kann, ist Folgendes: Tobias Starnmoser war Knecht auf dem Hornbacherhof. Hornbacher ist der Familienname deiner Mutter. Es kam, wie es kommen mußte. Er verliebte sich in die Tochter seines Bauern, und Brigitte sich in ihn. Aber vielleicht kannst du dir denken, was ihre Eltern davon hielten, daß ein armer Knecht ihre einzige Tochter heiraten wollte.

      Jedenfalls konnten die beiden nicht voneinander lassen und verschwanden bei Nacht und Nebel. Da Brigitte schon bald darauf volljährig wurde, verliefen die Nachforschungen im Sande, wie sie erzählte. Die Behörden konnten ihr jedenfalls nichts mehr anhaben, und so heiratete sie den Mann ihres Herzens, und die zwei suchten in der Fremde ihr Glück.

      Sie versuchten hier, in der Nähe von Landsberg, bei einem Bauern unterzukommen. Der wollte allerdings nur Tobias als Knecht einstellen. Eine Magd konnte er nicht mehr gebrauchen. Brigitte suchte sich eine Stelle in Landsberg und arbeitete schließlich als Kellnerin in einer Wirtschaft, wo sie später auch Kurt kennenlernte.

      Nach einem Jahr stellten sich dann Mutterfreuden ein, du warst unterwegs. Doch das Glück meinte es nicht gut mit Brigitte und Tobias. Bei Arbeiten im Wald verunglückte er so schwer, daß er später im Krankenhaus an den Folgen starb.

      Kurt hörte natürlich davon. Er hatte schon immer ein Auge auf deine Mutter gehabt, sich aber zurückgehalten, weil er wußte, daß sie verheiratet war. Und auch jetzt drängte er sich nicht auf, aber er bot Brigitte seine Hilfe an, und sie war ihm dankbar dafür. Irgendwann wurde dann auch bei ihr aus Sympathie Liebe, und sie nahm seinen Antrag an und heiratete ihn. Da warst du schon etwas über ein halbes Jahr alt.«

      »Acht Monate«, sagte Carla. »Es steht in der Adoptionsurkunde.«

      »Richtig«, nickte ihr Onkel. »Acht Monate und ein süßer Wonneproppen.«

      Heinrich Brinkmann lehnte sich zurück und schloß für einen Moment die Augen.

      »Es war sehr schlimm, was deine Mutter damals durchgemacht hat«, sagte er, als er sie wieder geöffnet hatte. »Ich kann verstehen, wenn sie nicht mehr daran erinnert werden wollte.«

      *


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