Gesammelte Werke von Sacher-Masoch. Леопольд фон Захер-Мазох

Gesammelte Werke von Sacher-Masoch - Леопольд фон Захер-Мазох


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welcher ihr in den Sattel helfen, welcher sie begleiten mußte, und das Reiten mit ihr war ein gefährliches Ding, denn sie setzte kühn über Gräben Hecken und andere Hindernisse, so daß der dienende Kavalier nicht selten in die Gefahr kam, das Genick oder doch mindestens Arm und Bein zu brechen. Im Parke wurde ein Schießstand eingerichtet, Lubina schoß mit ihrem Anbeter um die Wette, und hier bewährte sich allerdings, daß Amor blind ist, denn der gute Lieutenant fehlte regelmäßig die Scheibe, und alle die schönen alten Bäume, welche dieselbe umgaben, trugen bereits die Spuren seiner Kugeln.

      Im Parterre des Palastes war ein kleiner Fechtsaal eingerichtet, in welchem sich die kühne Amazone und ihr Anbeter täglich auf der Mensur gegenüberstanden, Lubina über dem weißen hochgeschürzten Gewande einen leichten Brustpanzer, beide mit Drahtmasken und großen Stulphandschuhen, das Floret in der Hand, und dann, nachdem der Appell gegeben, gab es kaum etwas reizenderes, als die schöne Frau, wenn sie mit schlangenähnlicher Behendigkeit die Stöße des Gegners auffing, zurücksprang, und wieder zum Angriffe übergehend, ihn bis an die Wand trieb, wo sie ihn, gewöhnlich durch eine Finte entwaffnete und ihm die Spitze ihrer Waffe zum Zeichen des Sieges auf die Brust setzte.

      Aber es blieb nicht bei diesen Körperübungen, bei denen der Offizier in seinem Elemente war; er mußte der Amazone, welche sich, wie alle vornehmen Damen ihrer Zeit, mit Philosophie, Naturwissenschaften, schöner Litteratur, Geschichte beschäftigte, auch auf den geistigen Kampfplatz folgen, und so eifrig Koltoff war, in jenen Stunden, welche ihm seine Göttin frei ließ, das Versäumte nachzuholen, seinen Kopf mit den Philosophieen der Griechen, Römer und der französischen Encyklopädisten zu füllen, sich mit den herrlichen Werken eines Homer und Virgil, eines Horaz und Ovid, wenn auch nur in schlechten französischen Übersetzungen, bekannt zu machen, die Modedichtungen Voltaire’s, Diderot’s, Lafontaine’s zu verschlingen, die Fürstin, welche mit einem, wenn auch sehr oberflächlichen, doch weitschweifenden Wissen einen lebhaften, weiblich feinen Geist und eine große natürliche Beredsamkeit verband, bereitete ihm viel schwere Stunden; er geriet endlich ganz in die Rolle eines Schülers dem gelehrten Meister gegenüber und stellte sich zu den physikalischen Experimenten und den astronomischen Beobachtungen, bei denen er Lubina beistehen mußte, so naiv an, daß die Fürstin sich an ihm noch mehr ergötzte, als an den erzielten wissenschaftlichen Ergebnissen.

      Eine griechische Rotunde auf einer großen Wiese ihres weitläufigen Parkes bildete das Studio der Fürstin; es enthielt im Erdgeschoß einen chemischen Herd und alle die mysteriösen Anstalten der damaligen, noch mit der Alchimie Hand in Hand gehenden Chemie und Physik; in dem oberen Stockwerk befand sich eine große Bibliothek, zwischen deren hohen Fächerkästen Globen, Büsten berühmter Männer der Wissenschaft und Thiergerippe aufgestellt waren; das oberste Geschoß mit weit durchbrochenen Fenstern und die Plattform dienten zu astronomischen Zwecken, und wenn die Fürstin, durch einen weiten schwarzen Samttalar und einer runden Samthaube vor der kalten Nachtluft geschützt, mit ihrem Adepten hier oben erschien und das Sternrohr zu richten begann, machte sie den Eindruck eines weiblichen Faust.

      Es schien aber der gelehrten Amazone bald nicht mehr zu genügen, daß ihr Anbeter sich ohne Groll von ihr entwaffnen ließ und ihr mit den Retorten und Quadranten zur Hand war. Er mußte die Flöte blasen lernen, um sie zu begleiten, wenn sie auf dem Piano spielte, er nahm auf ihr Geheiß Tanzstunden bei einem Pariser Tanzmeister, welcher sich in Petersburg niedergelassen hatte, und hatte die Aufgabe, täglich nach dem Essen, während seine Göttin in dem künstlich verdunkelten Zimmer ruhte, ihre Hunde spazieren zu führen.

      Endlich gab ihm Lubina förmliche Proben auf, ganz wie die Damen der Troubadours und Minnesäuger es zu thun pflegten. Sie hatte in ihrem Parke unter anderem einen großen braunen Bären, welcher in einem weiten Zwinger verwahrt war. Derselbe war sehr jung in ihren Besitz gekommen und zeigte daher nur noch geringe Spuren von Wildheit. Immerhin war jedoch eine Unterhaltung unter vier Augen mit ihm ein Wagestück.

      Lubina verlangte also eines Morgens mit dem liebenswürdigsten Lächeln von der Welt von ihrem Anbeter, er möchte in den Käfig des Bären steigen und den drolligen braunen Gesellen nach der damaligen Mode frisieren.

      Koltoff war im ersten Augenblick starr, aber er besann sich nicht lange und gehorchte. Zu seinem Glücke stand er seit langem schon, ohne daß seine grausame Herrin es wußte, mit dem Bären auf gutem Fuße. Er brachte ihm täglich Obst und Honigscheiben, welche derselbe mit einem ganz besonders artigen Knurren und Brummen entgegennahm.

      Auch diesmal führte der Gardelieutenant derlei Leckereien bei sich, und nachdem er noch zwei Pistolen und ein persisches Jagdmesser zu sich gesteckt und sich mit Kamm, Bürste, Pomade und Puder versehen hatte, ließ er sich von dem Gärtner den Zwinger aufschließen und trat in das Gefängnis seines gefährlichen Freundes, während die schöne Lubina, vor dem Gitter stehend, mit einem seltsamen, halb neugierigen, halb schauerlichen Reiz die eigentümliche Scene beobachtete. Der Bär blieb anfangs vollkommen gleichgültig, er ließ seinen mächtigen Kopf auf den Vordertatzen ruhen und blinzelte nur mit den kleinen Augen nach rechts und links.

      Koltoff rief ihn mit starker Stimme an. Er rührte sich nicht. Hierauf warf der kecke Lieutenant etwas von seinem Obst in die Futterschüssel des Bären und schob sie ihm hin. Der Bär schnupperte, setzte sich auf und leckte an dem Obst. Plötzlich richtete er sich aber in seiner vollen imponierenden Größe auf und wollte, ein eigentümliches Gewinsel ausstoßend, Koltoff umarmen.

      Die Fürstin erschrak und schrie auf, sie hielt ihren Anbeter für verloren.

      Der Bär hatte indes durchaus nichts Übles im Sinn, der Geruch des Honigs, den Koltoff bei sich führte, hatte ihn aus seiner süßen Ruhe geweckt, und als er sich aufrichtend seinen Freund erkannte, versuchte er nach echt täppischer Bärenart denselben zu liebkosen. Koltoff schob ihm rasch eine große Honigscheibe in den Rachen, worauf sich der Bär artig niedersetzte und, die Augen wie ein echtes Leckermaul schließend, zu naschen begann.

      Nun war der Augenblick da, das kühne Wagnis auszuführen. Koltoff besann sich nicht lange, sondern nahm den zottigen Kumpan frisch an die Arbeit, er kämmte ihm, so gut es ging, mit Hülfe der Pomade das Kopfhaar zu einem Toupet zusammen und beeilte sich, so oft das Tier ungeduldig zu werden schien und ihm darüber brummend seine Bemerkungen machte demselben eine neue süße duftende Honigscheibe zuzuwerfen. In wenigen Augenblicken war der große Kopf des Bären dicht eingepudert, schneeweiß gleich dem eines Elegant, und Koltoff zog sich rasch auf den Fußspitzen zurück. Als sich die Thür des Zwingers hinter ihm schloß, atmete er auf. Das gefährliche Abenteuer war überstanden.

      Lubina überhäufte ihn mit schwärmerischen Lobeserhebungen, ihr Herz schien bezwungen, aber zur größten Überraschung des armen Lieutenants gab sie ihm noch denselben Abend eine neue Prüfung auf.

      »Sie haben mir einen so großen bewunderungswürdigen Beweis von Ihrer Kaltblütigkeit und Ihren, Mute gegeben,« sagte sie, »daß es Ihnen gewiß selbst erwünscht sein wird, mir nun auch eine Probe von Ihrem Geiste und Ihren Kenntnissen zu geben.«

      Koltoff erschrak, er fand keine Worte und verneigte sich stumm.

      »Ich werde Ihnen eine Ihrer würdige Aufgabe stellen,« fuhr die gelehrte Amazone fort. »Schreiben Sie ein Werk unter dem Titel ›Der Mensch und die Natur‹, weisen Sie in demselben alle Beziehungen nach, welche zwischen beiden bestehen, zeigen Sie, inwieweit der Mensch von seiner großen Mutter abhängig ist, abhängig bleiben muß, worin er sich von ihr befreien, ja sogar über sie stellen und auf sie einen Einfluß gewinnen kann. Aber ich vergesse, daß Sie ja selbst es sind, welcher uns über diese Materie ganz neue, ungeahnte Perspektiven eröffnen wird.«

      Koltoff hatte sich noch nie so unglücklich gefühlt, nie in seinem Leben, nicht einmal in jener Nacht, wo er sich erschießen wollte, als heute, wo er die schöne Fürstin Mentschikoff als zukünftiger Verfasser des Buches »Der Mensch und die Natur« verließ. Wo sollte er die Ideen, wo die Kenntnisse, ja, wo nur das leere Papier zu diesem verwünschten Werke hernehmen? Er ließ sich den ganzen folgenden Tag im Palaste Mentschikoff nicht sehen, sondern irrte trübselig in den Straßen umher, sah auf der Wache dem Kartenspiel der Kameraden zu und schlich endlich zu seiner Tanzstunde, und überall war es ihm, als ob ihn eine Stimme verfolge und ihm in das Ohr raune: »Der Mensch und die Natur!« und wie er bei der Menuette


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