Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien. Alexander von Ungern-Sternberg

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klaren Spiegel des Baches, hier und da zogen sich brennend rote Streifen über den dunkeln Waldteppich, und noch ferne spielten die bunten Lichter wie hinflatternde Vögel auf den zurücktretenden Baumstämmen. »Lassen Sie uns ein Bad nehmen,« rief August, »das Wasser muß äußerst erfrischend sein, mich dürstet nach der Flut.« – Eduard ließ sich bereden, beide Jünglinge warfen ihre Kleider ab, und wählten sich den tauglichsten Platz zum Einsteigen. Endlich entdeckten sie ein Plätzchen, auf dem ein paar junge Pferde weideten und sich das gute Futter trefflich schmecken ließen. Kaum hatte sich August dem Wasser vertraut, und die frischen Wellen flogen im Schaum gespalten um seinen Leib, als der Pastor, welcher, unter einem Baum ruhend, zurückgeblieben war, ein Zetergeschrei erhob. In dem Moment hörte man das Gerassel eines Wagens, den Huf der Pferde, und es zeigte sich eine leichte Reisechaise, die dem Ausgange des Waldes mit großer Eile zuflog; ein Herr und eine Dame hatten drinnen Platz genommen. »Sie sind's!« schrie der Kadett, und mit einem Sprunge ans Ufer setzend, schwang er sich im Augenblick auf eines der Pferde und jagte, ohne Umhüllung, wie er war, in die Waldnacht hinein, dem fliehenden Wagen nach. Er holte ihn bald ein, zwang die Rosse, still zu stehen, und hielt nun von seinem Pferde herab eine Strafpredigt der wiedergefundenen Schwester: »Wie war es Dir möglich, Sophie, uns alle in Schreck und Bestürzung zu versetzen? War es denn nicht viel natürlicher und passender, daß Du Deiner Stellung als Tochter eingedenk, dem Vater Dein Herz ausschüttetest, oder mir, Deinem Bruder, der Dir doch, wie Du weißt, auf das treueste zugetan ist; und Sie, Herr Doktor, wir hätten uns viel eher des Himmels Einsturz vermutet, als diesen Schritt von einem Manne, der so viel von Recht und Gerechtigkeit spricht.« Sophie fand für gut, während dieser Worte ihr Gesicht mit beiden Händen zu verhüllen, sei es nun aus Bestürzung, Schmerz und Buße, oder um sich dem Anblick ihres nackenden Bruders zu entziehen, der in seinem Eifer gänzlich den Zustand, in dem er sich befand, vergessen zu haben schien. Auf der andern Seite des Wagens hatte sich der Pastor aufgeschwungen, und drang ebenfalls mit glühenden Worten auf die beiden Schuldigen, so daß der Journalist, der lange mit der Lorgnette bald links, bald rechts hinausgeschaut hatte, endlich sich überwunden gab und versicherte, er wolle nun umkehren, um sein Schicksal und das seiner Braut in die Hände des Alten zu legen, der im Ernste nicht ihrem Glücke entgegen sein könne. Nach dieser Erklärung ward dem Kutscher befohlen, umzukehren, der Pastor bat um einen Platz im Wagen, und August, der unterdes schleunig in die Kleider geschlüpft war, stieg hinten auf. So ging der Zug wie im Triumphe zurück ins Schloß, wo er natürlich höchst unerwartet eintraf.

      Eduard machte den Weg zu Fuß; es war ihm ein Bedürfnis, in der Einsamkeit über die plötzliche Umgestaltung seines Innern einen klaren Blick zu gewinnen. Magdalenens Wünsche, die für ihn Gebote waren, schienen ihn jetzt in eine öffentliche Wirksamkeit rufen zu wollen. Er fühlte Kraft und Muth zu einer solchen in seinem Busen keimen, seine im müßigen Gefühlswechsel dahingebrachte Jugend drückte ihn mit dem Bewußtsein der Scham: dennoch wurde ihm der Beruf, den er jetzt wählen sollte, nach allen seinen Richtungen hin nicht klar. Die herrschenden, zum Teil sehr dunkeln Ideen, welche ihm aus Jedermanns Munde entgegentönten; die Worte Freiheit, Volksrecht, Deutschtum, und die Ansichten darüber, welche an der Tagesordnung waren, hatte er bis jetzt als Quelle so vielen Elends, so allgemeiner Verirrung immer möglichst weit umgangen; jetzt, schien es, wurde es erforderlich, sich eng mit ihnen vertraut zu machen, ja sogar selbst tätig bei dem Streite mitzuwirken, den man leider vor Augen sah. Er hoffte aus Magdalenens Munde nähere Erläuterungen ihrer Ansichten und Wünsche in Betreff seiner zu erfahren, ihm genügte das süße Bewußtsein, daß ein edles hohes Wesen sich des Inhalts seines Lebens bemächtigt hatte, um aus diesem Stoffe ein würdiges Gebilde zu formen.Aus diesen und ähnlichen Betrachtungen weckte ihn Ottfrieds Erscheinen, der ihm am Ausgange des Waldes entgegentrat. Nach einigen flüchtigen Bemerkungen über die wiedereingeholten Reisenden teilte der ältere besonnenere Freund die Empfindungen, die den Busen des jüngeren bewegten. »Sie sind glücklich, Eduard,« rief er mit einem warmen Händedrucke; »wer gönnt Ihnen dieses Glück wohl mehr, als ich? dennoch, Geliebter, ist mein Herz nicht frei von Besorgnissen für Sie. Erlauben Sie mir nur eine Frage, mißdeuten Sie mir diese nicht: Kennen Sie auch dieses wundersame Mädchen?« – »Welche Frage;« rief Eduard bestürzt, »daß ich Sie liebe, glühend liebe, beweist ja wohl, daß ich sie kennen muß! O nur zu lange habe ich diesen Engel verkannt.« Ottfried schwieg und blickte zur Erde. Eduard faßte ihn scharf ins Auge: »Sie wollen mir etwas sagen, Freund, Ihre Zunge, scheint es, weigert sich, das Wort auszusprechen – reden Sie frei, nichts Schlimmeres können Sie von diesem Mädchen sagen, was ich nicht selbst in meinem Wahn von ihr geglaubt, gesagt habe, drum reden Sie frei!« – »Nun wohl,« entgegnete Ottfried, »man sagt mit ziemlicher Gewißheit, daß das Fräulein des Fürsten –« Eduard unterbrach seinen Freund: »Still,« rief er, »still – Mann der Wahrheit, auch Sie können einem so elenden Gerüchte Glauben beimessen, auch Ihnen ist die Heilige, die sich zum Sünder herabläßt, nichts als eine gemeine Buhlerin? Ist's möglich!« Ottfried blieb kalt bei diesen Vorwürfen des Freundes, stumm wandelte er an seiner Seite, und ließ den leidenschaftlichen Jüngling seinem begeisterten Gefühl Worte leihen; dann entgegnete er mit gleicher Ruhe: »Wenn ich jetzt rede, so tue ich es mit schwerem Herzen, denn ich muß fürchten, von dem Gegenstand meiner Neigung und Achtung verkannt zu werden, dennoch rede ich. Hören Sie, was man noch für gewiß behauptet: Das Fräulein ist ein Werkzeug in den Händen politischer Schwärmer; sie ist in geheimer Mission am Hofe, um den Fürsten und seine Anhänger zu stürzen, sie in dem Ansehen beim Volke herabzusetzen, und den ersten, vom Thron zu entfernen.« – »Genug,« rief Eduard, »genug von den tollen Mißverständnissen und finstern Verleumdungen, die von Unverständigen dem unruhigen Haufen mitgeteilt werden. Lassen Sie mich dergleichen nie wieder hören, teurer Freund, ich verachte dies Geschwätz. Wie, ist nicht die Wiedervereinigung des Fürsten mit seiner Braut ein Werk des Fräuleins? ist die moralische Wiedergeburt jenes gewissenlosen Mannes nicht durch sie erzeugt? Sind Milde, Aufopferung, Güte, Geduld, Glaube und Andacht die Eigenschaften eines verderbten Sinnes, der sich zum Werkzeug niedriger Zwecke brauchen läßt? Ottfried, o wenn Sie in dieses klare Auge sehen dürften, so hineinschauen dürften, wie ich es darf, nie würden Worte der Art mehr über Ihre Lippen kommen! glauben Sie mir!« Die Freunde hatten jetzt das Schloß erreicht, und indem sie im Begriff waren, hinaufzusteigen, wandte sich Ottfried noch einmal zu seinem jungen Begleiter um; eine Träne glänzte in seinem Auge, seine Stimme zitterte, als er die Worte sprach: »Erinnern Sie sich der Stelle im Liede: ›Nur wer sich ganz verwaiset achtet, nur wer sich ganz verloren gibt, nur wer im heißen Weh verschmachtet, wer bis zum Sterben sich betrübt,‹ nur bei dem zieht die ewige Verklärung ein; o Freund, wenn einmal dieser furchtbarste aller Schmerzen über sie einbricht, wird ihre junge Seele ihn ertragen können? wird sie Kraft genug behalten, um dann sich dem ewigen Lichte zuzuschwingen?« Er umarmte Eduarden, und entfernte sich dann schnell. Als der Gewarnte sich auf seinem einsamen Zimmer befand, dachte er über jene Worte nach, doch sie schienen ihm ein Rätsel zu sein, dessen Lösung er in Ottfrieds trüber, oft seltsamer Stimmung suchen zu müssen glaubte.

      Sophie und ihr Geliebter waren vom Baron über alle Erwartung gnädig aufgenommen worden, und es hatte allerdings den Anschein, als habe der Journalist auf die Willfährigkeit des Alten in Betreff der Erfüllung seiner kühnen Plane nicht mit Unrecht gezählt. Alles im Hause ließ sich wiederum zu Freude und Lust an, als ein neuer unerwarteter Vorfall die größte Bestürzung erregte. Man erfuhr nämlich, daß sich die Prinzessin rüste, so bald als möglich das Schloß zu verlassen und das, wie es schien, auf immer. – Die Beweggründe dieser Abreise, die wie eine Flucht aussah, wußte Niemand mit Bestimmtheit anzugeben, doch gab es hier und da Vermutungen, die nur leise ausgesprochen werden durften; man raunte sich in die Ohren, die fürstliche Verbindung gehe zurück, der Herzog habe seine erwählte Braut auf das Empfindlichste gekränkt, und sie eile jetzt den Ihrigen zu, welche gewiß nicht unterlassen würden, die erwiesene Schmach auf das Strengste zu rächen. Zur Verbreitung dieser Meinung hatte der Journalist viel beigetragen, denn er gab vor, die genauesten Nachrichten von seinen Freunden erhalten zu haben; man maß ihm völligen Glauben bei, um so mehr, da das geheimnisvolle Wesen, welches jetzt auf dem Schlosse umging, ein Unheil dieser Art nur zu deutlich zu bekunden schien. Zwei fremde Kavaliere, anscheinend von sehr hohem Range, waren angekommen, und die von ihnen mitgeteilten Briefe und Aufträge mußten in dem Entschluß der Fürstin jene auffallende Änderung bewirkt haben, welche die ganze Umgegend, die mit Liebe und Verehrung an der so höchst liebenswürdigen Dame


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