Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien. Alexander von Ungern-Sternberg

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o Freund, lächeln Sie nicht, ich spreche im heiligsten Ernst: ich fühle, ich bin zum Dichter geboren, allein es sollte trotz dessen nicht sein, deswegen ging es mir überall wohl. O, meine Caroline, warum mußtest du mich auch gleich mit deinem Jawort beglücken, gab es denn durchaus kein Hindernis, das uns, wenn auch nicht ganz hemmte, doch wenigstens mit Hemmung bedrohte. Nein, es sollte durchaus glücklich gehen, ich bekam nicht Raum zur kleinsten Beschwerde. Ach, und so ging es überall; ich hatte Hoffnungen, mein Vermögen einzubüßen, arm und elend zu werden, welche Aussicht! da tritt mein Freund auf und rettet mit eigener Ausopferung mein Geld, und es bleibt mir gesicherter als jemals. Ein Jugendgespiele, an dem mein Herz hing, schien plötzlich den Verräter gegen mich spielen zu wollen; schon spitzte ich die Feder, ein poetischer Schmerz über die Unbeständigkeit alles menschlichen, edlen Gefühls erfaßte mich: da, in dem Moment, stürzt der Verkannte in meine Stube, es tut sich der Irrtum kund, mein Freund ist meiner Liebe doppelt würdig, und mit dem Gedichte war's aus. Ein Kaufmann oder sonstiger praktischer Weltmensch könnte sich nichts Besseres wünschen, als an meiner Stelle zu sein, allein für mich, ich fühle es nur zu deutlich, ist dieses Glück ein Fluch, der den innersten Keim meines Wesens vergiftet. Ich gehe herum wie einer, der an Gespenster glaubt und dem sich wider Willen unter der Hand alles natürlich und prosaisch auflöst. O wie trefflich ist die Antwort, die die Königin Elisabeth einem jungen törichten Dichterling gegeben haben soll, als er ihr seine Verse vorgelesen: Sir, ich werde dafür sorgen, daß ihr auf ein paar Monate in den Tower kommt, damit eure Verse Tiefe erlangen! – Und so gibt es der dunkeln Kammern im Leben viele, wo der Dichter zum Bewußtsein erwacht – mir nur, nur mir ist keine aufgeschlossen worden.«

      Man langte jetzt bei der Mühle an und die freundliche Müllerin erschien, ihren Gästen einige ländliche Erfrischungen zu reichen. Ottfried ließ sich in seinen Betrachtungen nicht stören. »Erst durch Schmerz,« fuhr er fort, »wird jedes Gut unser wahres Eigentum; die erste Träne löst das Siegel vom Herzen, an dem gewöhnliche Behaglichkeit vielleicht Jahrelang vergebens sich abgemüht hat. Lange wandeln wir herum und glauben zu lieben, zu verehren, zu empfinden – da, in der letzten Minute vielleicht unseres Lebens, beugt sich unser Herz einem endlosen Jammer, es spaltet sich, die erste Träne stürzt heraus – und wir lieben! Geht es mit den Wundern der Andacht, des Glaubens anders? So schreitet auch unsere Zeit jetzt einem großen Schmerze entgegen und dieser wird erst jenen heiligen Ernst gebären, mit dem unsere junge Reformatoren so voreilig schon prahlen. Mir fällt bei derlei Gedanken immer ein kleines Gedicht ein, welches ich einst in Begeisterung für jene Ideen niederschrieb; es lautet folgendermaßen:

      Der nur lebt das wahre Leben,

       Der nur Eines ewig denkt,

       Der mit glüh'nden Liebesarmen

       Sich ans Eine brünstig hängt.

      Der ist nimmer nah' dem Ziele,

       Der noch andre Lust vermißt;

       Nein, nur der, der alles, alles

       Um das Einzige vergißt.

      Der in dunkeln Kummernächten

       Tief gebeugt am Lager weint,

       Dem die weite Welt so öde,

       Öd sein eignes Herze scheint.

      Der sich ganz verwaiset achtet,

       Der sich ganz verloren gibt,

       Der im bittern Leid verschmachtet,

       Der bis zum Sterben sich betrübt.

      Ja, zu dem neigt es sich nieder,

       In dessen Herzen zieht es ein,

       Dem will es sich zu eigen geben,

       Ja, dessen Tröster will es sein.«

      Eduard war tief bewegt, und bemühte sich nicht, seine Rührung zu verbergen; Ottfried sah ihn lange an, dann schloß er ihn heftig in seine Arme und sagte: »Mögen Sie, teurer Freund, glücklicher sein als ich! Ihr Auge, Ihr ganzes Wesen sagt mir immer, daß Sie schon diesen heilbringenden Schmerz gekostet haben – o seien Sie stark, wenn nun die ganze Fülle des Leids auf Sie einbrechen sollte, um Sie durch Nacht und Dunkel zur Verklärung zu bringen. Ja, ich wußte es wohl, daß Sie mich verstehen würden; so genügen oft wenige Worte, um ein festes Band zu schließen zwischen zwei Menschen, die sich sonst rücksichtslos vorbeigegangen wären auf dieser weiten Erde.« Eduard suchte die Hand des Mannes und drückte sie warm, dann erhob er sich und trat zurück, denn es nahte der Baron mit zwei fremden Gestalten. Er ging auf sein einsames Zimmer, und zeichnete die Verse auf, welche ihn so sehr gefesselt hatten. Als sie auf dem Papier dastanden, wollte er sich wiederum jeden Eindruck ableugnen, sie kamen ihm höchst gewöhnlich vor und das Geheimnis, welches sie ihm früher enthalten zu haben schienen, war am Ende eine Bemerkung, die ihm äußerst bekannt dünkte. Er schalt sich, daß er von Ottfrieds Wesen sich so gleich habe einnehmen lassen, die Worte desselben erschienen ihm jetzt fast lächerlich, besonders das Verlangen nach Mißgeschick. In diesem Zwiespalt, der sich seines Wesens gewöhnlich nach jedem stärkern Eindruck zu bemächtigen pflegte, brachte er den übrigen Teil des Tages zu; am andern Morgen vermied er Ottfried und suchte geflissentlich Sophien auf, um sich auf ihre Kosten zu ergötzen. Des Grafen erinnerte er sich aufs lebhafteste und wünschte ihn und seine Gespräche zurück; so arbeitete er an sich, bis wieder die alte Kälte an die Stelle der aufkeimenden Wärme getreten war.

      Zu dieser Zeit kam Sophiens Bestimmter aufs Schloß; es war ein langer, ziemlich wohl aussehender Mann in einem schwarzen Überrock, der ihm bis auf die Fersen reichte, und den er, als er den Schloßberg hinausschritt, hoch aufgeschürzt und um den Leib festgebunden hatte, so daß er auf den ersten Blick fast wie ein Jägerbursche aussah. Der Journalist nahm ihn sogleich bei Seite und examinierte den Ermüdeten scharf über seine politische Ansicht. »Lassen Sie mich;« rief der Pastor, indem er atemlos auf einem der breiten Lehnsessel Platz nahm, »das Bündnis, das ein redlicher Mann mit dem Staate schließt, ist eben so zart wie eine Herzenssache, und wer spricht gern von seiner Braut mit Leuten, die über ihren Werth anders denken könnten; übrigens bin ich ja da, Friede und Eintracht zu predigen allezeit, und schon deswegen würden Sie nichts aus meinem Munde erfahren, was zu Ihrem Kram paßt.« –

      »Himmel,« rief der Journalist, »wie kann man sich nur so ganz simpel ausdrücken! von welchem Kram reden Sie? Mann, Mann, wissen Sie nicht, daß Ihre Kirche selbst auf blutgedüngtem Boden aufsproß und sich festigte.« – »Wohl,« entgegnete der Geistliche, »das Ärgernis muß kommen, doch wehe dem, durch welchen es kommt; es wäre besser, ihm hinge ein Mühlstein am Halse und läge im Meere, da wo es am tiefsten ist.« Der Baron warf einige Bemerkungen dazwischen, die einen ernsten Streit verhinderten, und wirklich gelang es ihm, den Pastor zu einem gutmütigen Lächeln zu bringen. »Uns Landprediger,« sagte er, »sieht man gewöhnlich im Leben als die beschränkte, leidlich-gesunde Mittelmäßigkeit an, und als solche treten wir auch in Büchern, Romanen und Novellen auf, wenn es sich um Glauben, Philosophie und Lebensgenuß handelt. Eben so weit entfernt von den herrschenden Zepterträgern der hohen Aufklärung, wie sie zur Verzierung großer Residenzen hie und da gefordert und verschickt werden, als von den überirdischen Schwärmern und Wundertätern, geht unsre Einsicht und Lehre Hand in Hand mit den niedern, immer wiederkehrenden Bedürfnissen des einfachen Menschen. Der liebe Gott auf dem Lande, der Pfarrer im schwarzen Rock und der Bauer in der roten Sonntagsweste sind drei Personen, die nicht zu trennen sind, und die sich gegenseitig ehrlich lieb haben, und zusammen bedenken, was zum Bau des Ackers, zur Saat und Ernte nötig. Wenn einer von ihnen stirbt, so muß notwendig der andere seine Stelle ersetzen; ja mir sagte einmal ein Bauerbursch in aller gutmütigen Einfalt: ›Herr Pfarrer, wenn der liebe Herr Gott krank wird und stirbt, so wird man gewiß im Himmel Euch zum lieben Gott machen.‹ Der Baron lachte herzlich über diese Worte, und jener fuhr fort: ›Doch möchte ich die hohe Stelle dort oben heutzutage am wenigsten einnehmen, wo es so bunt in der Welt zugeht und Niemand weiß, was er will. Wie leicht könnte es sein, daß ich meinen lieben französischen Kindern ein Schicksal gebe, worüber sie in allen Journalen lästerten, und indes ich eilte, es ihnen recht zu machen, verdürbe ich es mit einer andern Partei. Aus Furcht nun, ja keinen dummen Streich zu machen, würde ich recht viele begehen, denn ich muß bedenken, daß Leute wie der König Salomo, der alte Plato und der Imperator August im Himmel hinter mir stehen und mir auf die Finger


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