Seewölfe - Piraten der Weltmeere 33. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 33 - Roy  Palmer


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in die Tiefe. Fast im selben Augenblick hob die sehnige Gestalt des Seewolfs vom Schanzkleid ab, federte an den breiten Berghölzern vorüber und stach der glitzernden See entgegen. Arwenack streckte wieder den Kopf aus dem Wasser, prustete und schrie dann gellend um Hilfe. In diesen Augenblicken klang seine Stimme tatsächlich wie die eines Menschen.

      Dem Affen gelang es, sich an dem Holzkübel festzuhalten. Er konnte jetzt nicht mehr untergehen und kläglich ertrinken, aber damit war die Gefahr noch längst nicht gebannt. Da war der grauschwarze Schatten mit der dreieckigen Rükkenflosse. Der Hai änderte seinen Kurs und hielt auf Arwenack zu. Die Küchenabfälle interessierten ihn nicht mehr, er witterte frische, schmackhaftere Nahrung.

      Der Schimpansenjunge bemerkte die Bestie und schrie um sein Leben. An Bord der „Isabella“ hielt die Crew die Luft an.

      „Himmel, Arsch und Zwirn“, sagte Matt Davies. „Das geht nicht gut aus.“

      „Verflucht, das ist der größte Hai, den ich je gesehen habe“, fügte Patrick O’Driscoll, der Ire, hinzu. „Ein Einzelgänger ist das. Ein Killer.“

      „Warum stehen wir hier ’rum und tun nichts?“ brüllte Smoky aufgebracht. Er wollte ebenfalls über Bord jumpen, aber Blacky und Stenmark hielten ihn zurück. Es hatte keinen Sinn, blindlings zu handeln. Der Seewolf befand sich bereits im Wasser und schwamm auf Arwenack zu. Wenn überhaupt noch jemand den Affen retten konnte, dann war er es.

      Die Aufgabe der Mannschaft war es nun, die Karavelle so nahe wie möglich zurück an die Unglücksstelle zu führen. Carberry stand an der Achterdeckgalerie und starrte über das Wasser, zu dem schwimmenden Seewolf hin. Die „Isabella“ hatte gehalst.

      Jetzt fuhr der Profos herum und rief: „Dicht die Schoten, ihr Himmelhunde — willig, willig, holt doch die verdammten Tampen dicht, hopp, hopp!“

      Die Karavelle, jetzt über Steuerbordbug, segelte am Wind auf den Mann und den Schimpansenjungen im Wasser zu. Batuti verließ plötzlich seinen Posten, holte sich eine Pike mit kurzem Stiel und befestigte ein Tauende daran. Er nahm auf der Back Aufstellung – ein schwarzer Riese mit einem Gesicht, das jetzt wie aus Stein gehauen wirkte. Er wartete auf seinen Moment.

      Dan O’Flynn rief aus dem Großmars: „Hasard hat es fast geschafft! Aber der Hai, der verfluchte Bastard, ist auch beinahe heran!“

      Hasard schwamm in seiner gewohnten Manier – wie ein Hund, allerdings mit abwechselndem Armschlag. Seine Beine schlug er dabei gestreckt auf und ab. Auf diese Art schwamm er bereits seit seinem fünften Lebensjahr, als Sir John Killigrew, sein Alter, ihn gepackt und einfach ins Wasser geworfen hatte.

      Philip Hasard Killigrew schwamm mit nacktem Oberkörper, so, wie er unter der heißen Sonne der Karibik auf dem Achterdeck seines Beuteschiffes gestanden hatte. Er führte die Hand an den Hosenbund, zog das Messer heraus und nahm es zwischen die Zähne. So hielt er auf den Holzkübel zu. Arwenack klammerte sich zitternd daran. Der Seewolf war nun so nahe heran, daß er die flakkernde Angst in den Augen des Tieres lesen konnte.

      Arwenack strampelte mit den Beinen und planschte plötzlich wie wild. Er wollte sich an Hasard festhalten. Hasard stieß ihn von sich. Er brauchte Bewegungsfreiheit. Der Hai war da, die drohende Rückenflosse glitt auf sie zu. Hasard nahm rasch den Kopf unter Wasser.

      Jetzt sah er ihn in seiner vollen Größe. Der Hai war tatsächlich riesig. Betrachtete man die Dinge sachlich, mußte man ihn als Prachtexemplar einstufen. Hasard ließ ihn heranschießen. Für Sekunden hatte er das Maul mit den dolchspitzen Zähnen vor sich und verfolgte, wie die Kiefer sich auseinanderzogen und einen gewaltigen, alles verschlingenden Schlund freilegten. Dann drehte der Seewolf sich.

      Er überlistete den Hai. Durch seine Wende brachte er sich an dessen linke Flanke. Die Bestie fand nicht mehr die Zeit, auf das Manöver zu reagieren. Hasard packte zu und bekam eine der starken Kiemenflossen in den Griff. Er hielt sich mit aller Macht daran fest. Der Hai riß ihn mit. Der Hai wollte sich nach wie vor auf den hilflosen Affen stürzen, doch Hasard stach mit dem Messer zu.

      Der Hai erhielt die lange Klinge in die Körperpartie hinter den Kiemen. Der Seewolf bewegte seine Waffe hin und her und zog sie dann wieder heraus. Das Blut schoß aus der Wunde – Blut, das bald andere Mörderhaie anlocken würde. Die Bestie begann wie verrückt zu zucken. Hasard mußte all seine Kraft aufbieten, um sich halten zu können.

      Der Hai bäumte sich im Wasser auf. Er spürte den Schmerz, obwohl er nicht begreifen konnte, was der Mann an seiner Flanke tat. Der Hai fühlte, wie etwas an ihm emporklomm, und das brachte ihn zur Raserei.

      Der Hai tobte. Er schoß mit hin und her peitschendem Schwanz durch die See. An Arwenack dachte er nicht mehr. Nur ein Wunsch beschäftigte ihn – das Unbekannte loszuwerden und zu zermalmen. Er wollte es abschütteln. Doch der Seewolf hielt sich. Für eine Weile ritt er den Hai, krallte sich auf dessen Rükken fest und ließ sich aus dem Wasser heben.

      Hasard sah die Karavelle dicht neben sich. Mit einem huschenden Blick erfaßte er die Gestalten seiner Männer, die sich weit über das Schanzkleid gebeugt hatten und ihren Augen nicht trauen wollten. Er sah auch den Gambianeger, der wie ein Rachegott auf der Back stand und darauf wartete, dem Hai die Pike in den Leib zu schleudern.

      Dann wurde Hasard wieder in die Tiefe gerissen. Der Hai wollte ihn auf den Grund des Meeres entführen und auf diese Weise loswerden. Doch Hasard ließ sich nicht beirren. Noch fünf Stiche brachte er dem Mörder bei, dann ließ er endlich von seinen Flossen ab. Hasard gewann Auftrieb und kehrte an die Wasseroberfläche zurück.

      Keuchend schöpfte er frische Atemluft. Die Bestie unter ihm war schwer verletzt und schien benommen zu sein. Sie traf keine Anstalten, ihm zu folgen, aber er war trotzdem auf der Hut. Ein Hai war unberechenbar. Selbst in seinem Todesmoment konnte er sich noch zu einer letzten blindwütigen, vernichtenden Tat aufraffen.

      Hasard schwamm zu Arwenack.

      Die Crew hatte inzwischen das Beiboot abgefiert und zu Wasser gelassen. Ed Carberry enterte mit Smoky, Karl von Hutten, Sam Roskill und dem Holländer Jan Ranse an einer Jakobsleiter ab. Sie sprangen an Bord des Bootes und legten ab. Während der Profos die Ruderpinne bediente, pullten die anderen vier, was das Zeug hielt und brachten sich rasch ihrem Kapitän näher.

      Arwenack klammerte sich jammernd an Hasards Brust und Schultern fest. Er rollte mit den Augen und gab alle erdenklichen Laute von sich, eine Mischung aus Keckem, Schnattern, Jaulen, Grunzen und Brabbeln.

      Hasard streichelte ihm den Kopf. „Ist ja gut, mein Alter“, murmelte er. „Nun beruhige dich mal wieder.“

      Das Beiboot war heran, als Dan O’Flynn sich plötzlich wieder aus dem Großmars meldete. „Da ist er wieder, der Satansbraten – he, ho, Hasard, aufgepaßt!“

      Der große Hai schob tatsächlich seine Dreiecksflosse aus den Fluten, aber er mußte die Distanz falsch eingeschätzt haben oder total verwirrt sein. Jedenfalls griff er Hasard und den Schimpansenjunge nicht direkt an, sondern manövrierte mit trägen Schlägen zwischen dem Boot, und alle Männer konnten das Blut sehen, das aus seinen Wunden hervorschoß.

      „Arwenack!“ schrie Batuti.

      „Arwenack!“ erwiderten die Männer der „Isabella“ den Schlachtruf, und der Neger schleuderte seine Pike auf den mächtigen Leib des Haies hinunter. Der kurze Stiel der Waffe riß das Tau mit, das an ihm festgeknüpft war. Salzwasser spritzte in Fontänen hoch, als die Pike sich in das Fleisch der Bestie bohrte. Der Hai warf sich in einem letzten Aufwallen seines Widerstandes erbittert hin und her, doch das nutzte ihm nichts mehr. Die Pike steckte fest in seinem Leib. Das Tau straffte sich. Batuti, Blacky, Stenmark und ein paar andere zogen daran, und der grauweiße Leib bewegte sich auf die Bordwand der Zweimastkaravelle zu. Dan O’Flynn stieß eine Reihe von Jubelrufen aus. Seine Stimme schraubte sich in den höchsten Diskant empor, dann kippte sie über und sackte wieder in den Keller ab.

      Hasard grinste. Er hob Arwenack in das Beiboot. Danach ließ er sich von seinen Männern ebenfalls über das Dollbord helfen und setzte sich auf die Ducht vor Ed Carberry. Der Affe war auf Smokys Knie geklettert; jetzt schüttelte er sich wie ein Hund und spritzte die Männer mit Wasser voll.


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