Seewölfe - Piraten der Weltmeere 33. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 33 - Roy  Palmer


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wie ein Grinsen. Sie griffen nach den Riemen und pullten zurück zu ihrem Schiff.

      Hasard blickte nach achtern und gewahrte als erster die neuen Rückenflossen, die sich dem Schauplatz des Geschehens näherten. Sie bewegten sich in bedächtiger Eile, beschrieben Kurven und Kreise und arbeiteten sich auf Umwegen an den sterbenden Artgenossen heran.

      „Matt, Blacky, Batuti!“ rief Hasard nach oben hinauf. Er legte die Hände wie einen Schalltrichter an den Mund. „Macht die Taljen bereit und fiert die Taue ab. Wir nehmen den Kameraden als Trophäe an Bord!“

      Das Beiboot legte an. Smoky durfte Arwenack nach oben bringen, die anderen blieben noch unten und halfen dem Seewolf, Tauenden um den Leib des Haies zu legen und festzuzurren. Ganz einfach war das nicht, denn die Bestie zuckte immer noch und konnte sie leicht vom Boot fegen oder noch einmal zuschnappen.

      Schließlich hatten sie die verzwickte Aufgabe bewältigt. Der Hai wurde mittels der Taljen nach oben gehievt. Er regte sich immer noch, schaffte es aber nicht, sich aus den Schlingen zu befreien. Bevor seine Artgenossen heran waren, um ihn zu zerreißen, hatte die Crew ihn auf die Planken der Kuhl befördert und zurrte ihn zusätzlich mit Brooktauen fest, damit er ja kein Unheil mehr anrichten konnte.

      Hasard stieg an Bord der Karavelle. Das Beiboot wurde eingeholt, ebenso die Jakobsleiter. Hasard betrachtete seinen mörderischen Widersacher. Die Männer bildeten fast ehrfürchtig einen Kreis um die Bestie. Der Seewolf maß ihre Länge und kam auf fünfzehn Fuß.

      Arwenack stach schon wieder der Hafer. Er konnte es nicht lassen: Er mußte einen Tanz vor dem Rachen des Haies aufführen und Grimassen schneiden, um den Feind nachträglich zu verunglimpfen. Batuti eilte besorgt herbei.

      „Kleines Arwenack“, sagte er. „Du sehr, sehr dumm. Komm zu Batuti und laß den Quatsch!“

      Arwenack dachte gar nicht daran. Er hüpfte vor dem Hai auf und ab und boxte ihm gegen die Nase. Als aber ein schwacher Ruck durch den mächtigen Leib ging, schreckte er zurück und sprang kreischend auf Batutis Schulter. Der Leib des Haies erschlaffte.

      „Er ist tot“, stellte Hasard nach eingehender Prüfung fest.

      „Na, so ein Glück“, sagte Karl von Hutten erleichtert.

      „Puh“, sagte Matt Davies.

      Der Kutscher wagte sich jetzt heran und nahm die Bestie genau in Augenschein. Er schritt um sie herum, nickte voll Sachverstand und meinte schließlich: „Ich weiß, wozu wir den Burschen verwenden können. Einen Teil verarbeite ich zu Fischsuppe. Die besseren Stücke grille ich auf dem Holzkohlenfeuer. Ihr glaubt nicht, wie exquisit so was schmeckt.“

      Jean Ribault trat zwei Schritte vor und verengte die Augen zu Schlitzen. „Parbleu, dieser verlauste Kombüsenhengst will uns wirklich vergiften, Freunde. Sollen wir uns das gefallen lassen?“

      „Moment mal“, protestierte der Kutscher. „Gerade du als angeblicher Feinschmecker solltest doch wissen ...“

      Weiter kam er nicht, denn plötzlich wehte Dans Stimme von oben aus dem Großmars auf Deck herab. Das Bürschchen war ein wenig heiser geworden, aber das nahm der Meldung nichts an Brisanz.

      „Segel ho! Mastspitzen Südsüdost achteraus!“

      „Den Kieker“, sagte Hasard.

      Ben Brighton brachte ihm sofort das Spektiv, und er hielt in der angegebenen Richtung Ausschau. Die Optik fing die Maststengen und Flögel von mehreren Galeonen ein. Hasard zählte sie.

      „Vier“, sagte er. „Und ich verwette den Schatz des Vizekönigs von Lima, der unten im Frachtraum lagert, daß es sich um Spanier handelt.“

      „Dons!“ rief Sam Roskill. „Leute, ich glaube, es gibt was zu tun für uns!“ Matt Davies kratzte sich mit der Ledermanschette seiner Hakenprothese am Kinn. „He, eigentlich haben beide Dinge ja nichts miteinander zu tun, aber wenn die Geschichte mit Arwenack und dem Hai nicht dazwischengekommen wäre, hätten wir keinen Aufenthalt gehabt und wären weiter munter nach Norden gesegelt, den Galeonen voraus. Dann hätten wir sie wahrscheinlich überhaupt nicht zu Gesicht gekriegt.“

      „Stimmt“, sagte Sven Nyberg, der Däne.

      Batuti, immer noch mit dem Schimpansenjungen auf der Schulter, grinste breit. „Arwenack nicht dumm, Arwenack klug. Arwenack bringt Glück.“

      „Bloß eins vergeßt ihr“, wandte Hasard ein. Dann unterbrach er sich, denn Dan O’Flynn begann hoch oben über ihren Köpfen wie verrückt zu zappeln. Er gestikulierte, beugte sich weit über die Segeltuchverkleidung des Ausgucks und fiel fast heraus.

      „Hasard!“ schrie er. „Wie viele Schiffe hast du gezählt?“

      Der Seewolf blickte noch einmal durchs Spektiv und entgegnete dann: „Jetzt fünf. Aber von oben hast du doch einen viel besseren Rundblick. Nun laß dir die Würmer nicht aus der Nase ziehen!“

      Und Donegal Daniel O’Flynn, das gewiefte Bürschchen mit den schärfsten Augen an Bord, schrie zurück: „Es sind sechsunddreißig Galeonen, Hasard. Sechsunddreißig!“

      2.

      Der Fang des Haies war eine Attraktion gewesen, aber jetzt schenkte dem grauweißen Ungetüm keiner mehr seine Aufmerksamkeit. Angespannt schauten die Männer der Crew zu dem an der Kimm aufziehenden Konvoi spanischer Galeonen hinüber, und für einige Zeit fehlten ihnen wirklich die Worte. Dan hatte sich wie üblich nicht verguckt und auch nicht verzählt. Die Zahl stimmte!

      Die sechsunddreißig Galeonen klüsten mit prallen Segeln nahezu vor dem Wind auf nordwestlichem Kurs. Ihre Bahn zog sich, wie Hasard bald erkannte, in schräg versetzter Doppellinie dahin, je achtzehn Schiffe fuhren hintereinander.

      Der Mannschaft der „Isabella IV.“ standen wahrhaftig die Haare zu Kopf.

      „Sechsunddreißig gottverfluchte Dons“, murmelte der Profos nach den Augenblicken andächtigen Schweigens. „So was hat die Welt noch nicht gesehen. Ob wir die wohl schaffen – oder ob der Konvoi selbst für eine Crew wie die unsere eine Nummer zu groß ist?“

      „Ein paar Nummern, würde ich sagen.“ Piet Straaten, der Holländer, kratzte sich am Hinterkopf.

      Karl von Hutten sagte: „Der Konvoi segelt mit fast nordwestlichem Kurs auf die Straße von Yukatan zu, soviel steht fest. Und wenn wir unseren derzeitigen Kurs halten, laufen unsere Bahnen spitz aufeinander zu.“

      Ben Brighton stand bei den Männern in der Kuhl und blickte aufmerksam nach Osten, wo die Schiffe des Konvois sich immer deutlicher abhoben. „Woher kommen die eurer Meinung nach und was haben die geladen?“

      „Ich schätze, die haben in Cartagena abgelegt“, erwiderte Karl von Hutten.

      Jean Ribault lächelte, in seinen dunklen Augen tanzten Funken. „Ja, mein Freund, ich denke, du hast den Nagel auf den Kopf getroffen. Und nun spinne ich den Faden weiter. Meine Erfahrung als Freibeuter der Karibik sagt mir, daß die Himmelhunde von Philipps eine Flota in Cartagena zusammengestellt haben, und daß diese Flota sich in Havanna auf Cuba mit anderen Schatzschiffen von Portobello treffen soll, damit sie die gemeinsame Atlantiküberquerung nach Spanien antreten können.“

      Matt Davies klappte seinen Mund auf. „Himmel und Hölle, du meinst ...“

      „Ich meine, daß die Galeonen dort drüben die Bäuche mit einem Vermögen vollgestopft haben.“

      „Ja“, antwortete Ben Brighton. „Und wißt ihr, was der Witz bei der ganzen Sache ist? Unser neues Schiff, die ehemalige ‚Cartagena‘, war doch ein Küstenwachschiff. Vielleicht hat sie vor der Kaperung Aufklärung gefahren und quer über den Golf von Darien Ausschau nach herumstreunendem Freibeuterschiffen gehalten, um den Konvoi vor unliebsamen Überraschungen zu schützen.“ Der Seewolf ergriff das Wort. „Denkbar ist das durchaus. Aber nun zu meinem Einwand von vorhin. Ihr vergeßt ganz, daß unsere Devise lautet: die Beute unangetastet nach England zu bringen. Wir dürfen nicht mehr angreifen, sondern nur noch verteidigen. Außerdem:


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