Der exzellente Butler Parker 12 – Kriminalroman. Günter Dönges

Der exzellente Butler Parker 12 – Kriminalroman - Günter Dönges


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hinzu. »Ich steige doch nicht freiwillig zu fremden Männern ins Auto. Und schon gar nicht in den Kofferraum.«

      »Alle Anzeichen scheinen darauf hinzudeuten, daß man ein Betäubungsmittel einsetzte, um Sie wehrlos zu machen, Miß Blooming«, erklärte Parker. »Für Myladys Ermittlungen wäre es fraglos von Vorteil zu wissen, wo das geschah, falls der Hinweis erlaubt ist.«

      »Ich würde es Ihnen ja gern sagen, Mister Parker«, entgegnete das Mädchen. »Aber ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern. Vielleicht kennen Sie das Gefühl: Man weiß genau, daß man aus einem Traum erwacht ist, kann sich aber an keine Einzelheit erinnern.«

      »Dieser Umstand dürfte durch die immer noch anhaltende Wirkung des Betäubungsmittels zu erklären sein, Miß Blooming«, meinte der Butler. »Insofern darf man sicher die Hoffnung äußern, daß Ihr Gedächtnis nach einem erquickenden Schlaf morgen früh die gewünschten Einzelheiten preisgibt.«

      »Könnten Sie mich denn jetzt nach Hause fahren, oder soll ich mir ein Taxi nehmen?« fragte Linda Blooming. »Allerdings ist meine Tasche mit Geld und Papieren verschwunden. Ich müßte Sie deshalb bitten, mir das Fahrgeld bis morgen vorzustrecken.«

      »Mister Parker wird Sie fahren, Kindchen«, entschied die Detektivin. »Ihm können Sie sich unbesorgt anvertrauen.«

      *

      Lindas Eltern standen schon in der Haustür, als der Butler gegen zwei Uhr nachts sein hochbeiniges Monstrum vor dem gepflegten Reihenhaus in Marylebone ausrollen ließ. Parker hatte sie vor der Abfahrt in Shepherd’s Market telefonisch kurz informiert, was ihrer Tochter zugestoßen war.

      Überglücklich schlossen Mr. and Mrs. Blooming ihre einzige Tochter in die Arme. Im selben Moment war es mit Lindas mühsam bewahrter Fassung vorbei. Schluchzend ließ sie sich von ihrer Mutter ins Bett bringen, während Edward Blooming den Butler ins Wohnzimmer bat.

      »Wir haben Linda immer davor gewarnt, allein auszugehen«, sagte der Mann, nachdem Parker die Ereignisse des Abends noch mal ausführlich geschildert hatte. »Sie ist ja noch ein Kind.«

      »Man soll die Gefahren, die einem jungen Mädchen nachts in der Großstadt drohen, keinesfalls unterschätzen, Mister Blooming«, pflichtete Parker dem besorgten Vater bei.

      »Erst gestern stand ein großer Artikel in der Zeitung«, wußte Blooming zu berichten. »Wir haben Linda die Seite gezeigt, aber sie hat nur gelacht und gesagt, wir bräuchten uns keine Sorgen zu machen.«

      »Darf man höflichst um Aufklärung darüber bitten, welchen Zeitungsartikel Sie zu meinen geruhen, Mister Blooming?«

      »Es ging um die zahllosen Vermißtenanzeigen, die die Londoner Polizei Jahr für Jahr bearbeitet«, gab Lindas Vater Auskunft. »Der Reporter hat herausgefunden, daß in letzter Zeit auffallend viele junge Mädchen verschwunden sind, die mit Sicherheit nicht unter die Kategorie ›Ausreißer‹ fallen und ihr Elternhaus wohl kaum freiwillig verlassen haben.«

      Edward Blooming ging in sein Arbeitszimmer hinüber. Sekunden später kehrte er mit einer Zeitung zurück, die er auseinanderfaltete und vor Parker auf den Tisch legte.

      »Das ist der Bericht«, sagte er und tippte auf die betreffende Seite.

      Das Blatt berichtete in großer Aufmachung über die vergebliche Mühe der Polizei, das Schicksal von Kindern, Erwachsenen und Greisen aufzuklären, die seit mehr oder weniger langer Zeit als vermißt gelten. Besonderes Augenmerk richtete der Verfasser auf ein knappes Dutzend Fälle, die erst in den letzten Wochen in die Polizeiakten geraten waren.

      Es handelte sich ausnahmslos um Mädchen im Alter zwischen 16 und 18 Jahren, die überwiegend aus wohlgeordneten Familienverhältnissen stammten und nach Diskothekenbesuchen spurlos verschwunden waren. Porträtfotos unterstrichen, was der Reporter als gemeinsame Merkmale der Mädchen herausgefunden hatte: Alle waren blond und auffallend hübsch.

      Der Bericht gipfelte in der etwas nebulösen Spekulation, ein geheimnisvoller Lustmörder treibe sein Unwesen, und schloß mit der makabren Frage, ob und wie wohl das erste Opfer gefunden werde.

      Parker prägte sich den Namen des Reporters ein, bevor er die Zeitung zurückgab.

      »Ich habe doch richtig verstanden, daß Sie Privatdetektiv sind?« vergewisserte sich Blooming.

      »Lady Simpson ist eine passionierte Detektivin, deren Ermittlungsmethoden man als einzigartig bezeichnen kann und muß«, korrigierte der Butler. »Meine Wenigkeit genießt den Vorzug, in Myladys Diensten stehen zu dürfen.«

      »Sie haben doch aber die Polizei eingeschaltet?« wollte Blooming wissen.

      »Keineswegs und mitnichten, Sir«, antwortete Parker wahrheitsgemäß. »Mylady hat sich ausdrücklich ausbedungen, daß die Polizei vorläufig herausgehalten wird. Mylady fürchtet eine nachhaltige Störung und Beeinträchtigung ihrer Ermittlungsarbeit. Und das nicht zu Unrecht, wie die Erfahrung lehrt.«

      »Sehr erfolgreich scheint die Polizei in den Entführungsfällen wirklich nicht zu sein«, gab Blooming dem Butler recht. »Der Zeitungsbericht trägt nicht gerade dazu bei, das Vertrauen in Scotland Yard zu stärken.«

      »Eine Feststellung, die man nur mit Nachdruck unterstreichen kann, Sir«, meinte auch Parker.

      »Linda ist ja noch mal mit einem blauen Auge davongekommen«, fuhr Edward Blooming fort. »Trotzdem werde ich alles dransetzen, daß die Gangster, die unsere Tochter entführen wollten, hinter Schloß und Riegel kommen.«

      »Dazu wäre zuerst nötig, daß Ihre Tochter sich erinnert, wo sie den Abend verbracht hat, Mister Blooming«, entgegnete Parker. »Möglicherweise darf man Sie also bitten, morgen früh die entsprechenden Fragen zu stellen, damit Mylady unverzüglich konkrete Ermittlungsschritte einleiten kann.«

      »Sie schläft«, meldete Bloomings Frau, die gerade hereinkam. »Das arme Kind muß einen fürchterlichen Schock erlebt haben. Wenn man nur wüßte, was wirklich passiert ist.«

      »Der morgige Tag dürfte Sie der Antwort auf diese Frage einen großen Schritt näherbringen, falls man sich nicht gründlich täuscht, Missis Blooming«, prophezeite der Butler, bevor er sich höflich verabschiedete.

      *

      »Man erlaubt sich, einen ausgesprochen angenehmen Tag zu wünschen.« Parker lüftete ein wenig die schwarze Melone, als er den jungen Mann ansprach, der gerade zum Fahrstuhl eilen wollte. »Darf man höflich fragen, ob Mister Winter im Haus ist?«

      »Da hinten im Glaskasten«, lautete die hastige Antwort im Vorübergehen.

      Umsichtig geleitete der Butler Mylady durch das hektische Getriebe des Großraumbüros, in dem die Stadtredaktion der LONDON NEWS an der nächsten Ausgabe arbeitete. Fernschreiber ratterten, Telefone klingelten, Boten durchquerten mit wehenden Rockschößen den Raum.

      Kriminalreporter Bary Winter gehörte zu den wenigen Auserwählten, die ihre Storys in einer Art eigenem Büro schreiben durften, abgeschirmt durch eine Glaswand, die den Lärm der Umgebung mehr schlecht als recht fernhielt. Der Reporter saß mit dem Rücken zur Tür und war viel zu beschäftigt, um das Eintreten seiner Besucher zu bemerken.

      Mit der linken Hand tippte er einen Text in das Bildschirmgerät, das vor ihm auf dem Tisch stand. In der Rechten hielt er die halbvolle Teetasse. Den Telefonhörer hatte er zwischen Schulter und Ohr geklemmt, so daß er gleichzeitig schreiben, telefonieren und Tee trinken konnte. Am Rand des überquellenden Aschenbechers qualmten zwei vergessene Zigaretten vor sich hin.

      »Alles klar, Jeff«, sagte Winter gerade, als Josuah Parker und Agatha Simpson den mit alten Zeitungen und Stößen von Fotos vollgestopften Verschlag betraten. »Dann bis heute abend.«

      Er legte den Hörer auf und griff nach dem zweiten Apparat auf seinem Schreibtisch, der seit einer Weile entnervend schrillte.

      »Moment, junger Mann!«

      Winter fuhr regelrecht zusammen und ließ vor Schreck den Hörer in die Gabel zurückfallen, als Myladys sonores Organ in seinem Rücken dröhnte.

      »Sie


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