August Bebel - Die Frau und der Sozialismus. Bebel August
besiegten Männer, die man anfangs getötet hatte. Damit wurden zwei Elemente in die alte Gentilverfassung eingeführt, die sich auf die Dauer mit derselben nicht vertrugen.
Ein anderes kam hinzu. Bei größerer Differenzierung der Tätigkeiten entsteht aus dem wachsenden Bedarf an Werkzeugen, Geräten, Waffen usw. das Handwerk, das eine selbständige Entwicklung nimmt und sich allmählich vom Ackerbau loslöst. Es entsteht eine besondere das Handwerk betreibende Bevölkerung, mit ganz anderen Interessen, sowohl in bezug auf Besitz als Vererbung dieses Besitzes.
Solange die Abstammung in der weiblichen Linie maßgebend war, erbten die Gentilverwandten von ihren verstorbenen Gentilgenossen mütterlicherseits. Das Vermögen blieb in der Gens. In dem neuen Zustand, in dem der Vater Eigentümer, das heißt Besitzer von Herden und Sklaven, von Waffen und Vorräten, Handwerker oder Handeltreibender geworden war, fiel sein Besitz, solange er noch zur Gens der Mutter zählte, nach seinem Tode nicht an seine Kinder, sondern an seine Brüder und Schwestern und die Kinder seiner Schwestern oder an die Nachkommen seiner Schwestern. Die eigenen Kinder gingen leer aus. Der Drang, diesen Zustand zu ändern, war also ein sehr mächtiger, und er wurde geändert. Es entstand zunächst an Stelle der Vielehe die Paarungsfamilie. Ein bestimmter Mann lebte mit einer bestimmten Frau, und die aus diesem Verhältnis hervorgehenden Kinder waren ihre eigenen Kinder. Diese Paarungsfamilien vermehrten sich in dem Maße, wie die aus der Gentilverfassung hervorgehenden Eheverbote die Heirat erschwerten und die angeführten ökonomischen Gründe die neue Gestaltung des Familienlebens wünschenswert erscheinen ließen. Der alte Zustand der Dinge, der auf Gemeinwirtschaft beruhte, vertrug sich nicht mit persönlichem Eigentum. Stand und Beruf wurden entscheidend für die Notwendigkeit, den Wohnort zu wählen. Aus der jetzt entstehenden Warenproduktion ging der Handel mit benachbarten und fremden Völkern hervor, was Geldwirtschaft bedingte. Es war der Mann, der diese Entwicklung leitete und beherrschte. Seine Privatinteressen hatten also keine wesentlichen Berührungspunkte mehr mit der alten gentilen Organisation, deren Interessen sogar oft den seinen entgegenstanden. So sank die Bedeutung derselben immer mehr. Schließlich war von der Gens wenig mehr als die Handhabung der religiösen Funktionen für den Familienverband verblieben; ihre wirtschaftliche Bedeutung war dahin und die gänzliche Auflösung der Gentilverfassung nur eine Frage der Zeit.
Mit dieser Loslösung aus der alten Gentilordnung sank rasch der Einfluß und die Stellung der Frau. Das Mutterrecht verschwand, das Vaterrecht trat an seine Stelle. Der Mann als Privateigentümer hatte das Interesse nach Kindern, die er als legitime ansehen und zu Erben seines Eigentums machen konnte, er zwang daher der Frau das Verbot des Umganges mit anderen Männern auf.
Dagegen nahm er sich das Recht, neben der eigentlichen Frau oder mehreren derselben sich so viele Kebsweiber zuzulegen, als seine Verhältnisse ihm zu halten erlaubten. Und die Kinder dieser Kebsweiber wurden wie legitime Kinder behandelt. Zwei in dieser Beziehung wichtige Beweise finden wir in der Bibel. Dort heißt es im 1. Buch Mose, Kapitel 16, Vers 1 und 2: »Sarai, Abrahams Weib, gebar ihm nichts. Sie hatte aber eine ägyptische Magd, die hieß Hagar. Und sie sprach zu Abraham: Siehe, der Herr hat mich verschlossen, daß ich nicht gebären kann. Lieber lege dich zu meiner Magd, ob ich doch vielleicht aus ihr mich bauen möge. Abraham gehorchte der Stimme Sarais.« Die zweite bemerkenswerte Ausführung findet sich 1. Buch Mose 30, 1 und folgende. Dort heißt es: »Da Rahel sah, daß sie dem Jakob nichts gebar, neidete sie ihre Schwester und sprach zu Jakob: Schaffe mir Kinder, wo nicht, sterbe ich. Jakob aber ward sehr zornig auf Rahel und sprach: Bin ich doch nicht Gott, der dir deines Leibes Frucht nicht geben will. Sie aber sprach: Siehe, da ist meine Magd Bilha, lege dich zu ihr, daß sie auf meinem Schoß gebäre und ich doch durch sie erbauet werde. Und sie gab ihm also Bilha, ihre Magd, zum Weibe, und Jakob legte sich zu ihr.
Jakob hatte also nicht nur die Töchter Labans, zwei Schwestern, gleichzeitig zur Frau, beide legten ihm auch noch ihre Mägde bei, was nach der Sitte der Zeit durchaus »sittlich« erschien. Die beiden Hauptfrauen hatte er bekanntlich gekauft, indem er für jede derselben ihrem Vater Laban sieben Jahre diente. Zu jener Zeit war der Kauf der Frau allgemeine Sitte bei den Juden, aber neben dem Kauf der Frauen betrieben sie einen umfänglichen Frauenraub bei den von ihnen besiegten Völkern; so raubten zum Beispiel die Benjaminiten die Töchter Silos 11 . Die gefangene Frau wurde Sklavin, Kebsweib. Doch konnte sie zur legitimen Frau erhoben werden, sobald sie folgende Vorschriften erfüllte: Sie mußte sich Haare und Nägel schneiden lassen, das Kleid, in dem sie gefangen worden war, mußte sie ablegen und mit einem anderen, das ihr übergeben wurde, vertauschen; darauf hatte sie einen Monat lang Vater und Mutter zu beweinen, sie sollte dadurch ihrem Volke absterben, ihm fremd werden, dann konnte sie das Ehebett besteigen. Die größte Weiberzahl hatte bekanntlich König Salomo, dem nach Könige 1, 11 nicht weniger als 700 Frauen und 300 Kebsweiber zugeschrieben werden.
Sobald aber das Vaterrecht, das heißt die männliche Abstammung in der jüdischen Gentilorganisation zur Herrschaft kam, wurden die Töchter vom Erbe ausgeschlossen. Später wurde dies jedoch wenigstens in dem Falle geändert, daß ein Vater keine Söhne hinterließ. Das geht hervor aus 4. Mose 27, 2 bis 8, woselbst berichtet wird, daß, als Zelaphehad ohne Söhne starb und die Töchter sich bitter beschwerten, daß sie vom Erbe ihres Vaters ausgeschlossen seien, das an den Stamm Joseph zurückfallen sollte, Mose entscheidet, daß in diesem Falle die Töchter erben sollen. Als aber diese beabsichtigten, der alten Sitte gemäß in einen anderen Stamm zu heiraten, beschwerte sich der Stamm Joseph, weil dadurch ihm das Erbe verloren ging. Darauf entschied Mose (4, 36), daß die Erbinnen zwar nach freier Wahl wählen, aber im Stamme ihrer Väter zu heiraten verpflichtet seien. Also des Eigentums wegen wurde die alte Eheordnung umgestoßen. Im übrigen war bereits in der alttestamentarischen, also historischen Zeit das Vaterrecht bei den Juden vorherrschend und beruhte die Clan- und Stammesorganisation wie bei den Römern auf der Mannesfolge. Demgemäß waren die Töchter vom Erbe ausgeschlossen, wie das schon bei 1. Mose 31, 14 und 15 zu lesen ist, woselbst Lea und Rahel, die Töchter Labans, sich beklagen: »Wir haben doch kein Teil und Erbe mehr in unseres Vaters Hause. Hat er uns doch gehalten als die Fremden, denn er hat uns verkauft und unseren Lohn verzehrt.«
Wie bei allen Völkern, bei denen die Vaterfolge an Stelle der Mutterfolge trat, befand sich auch bei den Juden die Frau in vollkommener Rechtlosigkeit. Die Ehe war Kaufehe. Der Frau war die strengste Keuschheit auferlegt, wohingegen der Mann an dieses Gebot nicht gebunden war, und überdies stand ihm das Recht zu, mehrere Frauen zu besitzen. Glaubte der Mann in der Brautnacht gefunden zu haben, daß die Frau bereits vor der Ehe die Jungfrauschaft verlor, so hatte er das Recht, sie nicht nur zu verstoßen, sie sollte auch gesteinigt werden. Dieselbe Strafe traf die Ehebrecherin, den Mann aber nur insofern, als er mit einer jüdischen Ehefrau Ehebruch beging. Nach 5. Mose 24, 1 bis 4 hatte auch der Mann das Recht, die eben erst geehelichte Frau, wenn sie vor seinen Augen nicht Gnade fand, zu verstoßen, sei es auch nur einer Unlust willen. Er sollte ihr alsdann den Scheidebrief schreiben, ihr die Hand geben und sie aus seinem Hause lassen. Ein Zeichen der tiefen Stellung, die später bei den Juden die Frau einnahm, ist weiter darin zu finden, daß noch heute die Frauen in der Synagoge in einem von den Männern getrennten Raume dem Gottesdienst beiwohnen, auch werden sie in das Gebet nicht eingeschlossen 12. Nach altjüdischer Auffassung gehört die Frau nicht zur Gemeinde, sie ist religiös und politisch eine Null. Sind zehn Männer beieinander, so dürfen diese Gottesdienst halten. Frauen, so viele es immer sind, sind unfähig dazu.
Ähnlich verordnete Solon in Athen, daß eine Gattin ihren nächsten männlichen Agnaten heiraten müsse, auch wenn beide der gleichen Gens angehörten und eine solche Heirat nach früherem Rechte verboten war. Solon verordnete auch, daß ein Eigentümer sein Eigentum nicht wie bis dahin seiner Gens hinterlassen müsse, falls er kinderlos sterbe, sondern daß er durch Testament einen beliebigen anderen als Erben einsetzen könne. Wir sehen: Der Mensch beherrscht nicht das Eigentum, sondern das Eigentum beherrscht ihn und macht sich zu seinem Herrn.
Mit der Herrschaft des Privateigentums war die Unterjochung der Frau unter den Mann besiegelt. Es folgte die Zeit der Geringschätzung und selbst der Verachtung der Frau.
Die Geltung des Mutterrechts bedeutete Kommunismus, Gleichheit aller; das Aufkommen