Butler Parker 107 – Kriminalroman. Günter Dönges

Butler Parker 107 – Kriminalroman - Günter Dönges


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erwiderte Kathy, »er war auf der Suche nach meinem Chef, Mister Kelson.«

      »Konnten Sie herausfinden, woher er kam und welchen Beruf er ausübt, Miß Porter?«

      »Ich habe nur gemerkt, daß Mister Kelson eine tödliche Angst vor ihm hat, Mister Parker. Er schlich wie ein geprügelter Hund aus meiner Garderobe.«

      »Und wer sind Lana und Herbert, die Sie am Entlüftungsschacht der Dusche belauschen konnten?«

      »Lana Durbin und Herbert Nell«, sagte Kathy Porter, »sie betreiben Bodenakrobatik, eine sehr gute Artistennummer.«

      »Und Mister Nell behauptete, auf ihn sei hinter der Bühne geschossen worden?« wollte der Butler noch mal wissen.

      »Ganz eindeutig, ich konnte das Gespräch Wort für Wort verfolgen.«

      »Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Miß Porter, lebt dieses Paar gefährlich, verdient viel Geld und ist der Meinung, daß eine Gegenseite existiert, die mit harten Bandagen kämpft.«

      »Sie haben mich vollkommen richtig verstanden, Mister Parker.« Kathy Porter nickte ernst.

      »Eine sehr anregende Ausgangsposition«, stellte Lady Simpson fest und sah wieder mal recht animiert aus. »Als Schriftstellerin würde ich solch ein Thema folgendermaßen anlegen: Zwei konkurrierende Gruppen versuchen, die Ölbohrungen auf der künstlichen Stahlinsel zu sabotieren. Was sagen Sie dazu, Mister Parker?«

      »Ein interessantes Thema, das Mylady behandeln sollten.« Der Butler verzog keine Miene.

      »Es ist alles so schrecklich einfach«, schwärmte die Dame weiter. »In der Music hall treffen sich die Besatzungen dieser Bohrinsel. Hier liefern sie ihre Nachrichten ab, hier bekommen sie ihre neuen Aufträge. Die Musichall ist das Nest der Sabotage. Meiner Ansicht nach braucht man nur noch zuzupacken.«

      »Vielleicht ist Mylady damit einverstanden, erst mal einige Beweise zu beschaffen«, meinte Parker.

      »Papperlapapp, Parker!« Sie sah ihn streng an. »Mit solchen Kleinigkeiten halte ich mich erst gar nicht auf. Ich glaube, ich werde mir sofort ein paar Notizen machen.«

      Sie nickte ihrem Butler und Kathy Porter hoheitsvoll zu und begab sich hinüber in ihr Schlafzimmer, wo an der Wand ein kleiner Schreibsekretär stand. Lady Agatha holte ihr Notizbuch hervor und schrieb einige Stichworte nieder. Was sie tat, tat sie stets konsequent und mit großer Begeisterung.

      »Haben Sie den Namen Dan Mulligan schon mal gehört?« fragte der Butler seine Assistentin Kathy, die bereits von dem Zwischenfall in der Loge wußte.

      »Ist das der Mann, der Lady Simpson niederschlagen wollte?«

      »Was er tatsächlich wollte, Miß Kathy, läßt sich mit letzter Sicherheit nicht sagen.«

      »Der Beschreibung nach müßte ich ihn eigentlich kennen«, antwortete Kathy Porter nachdenklich, »er sitzt Abend für Abend in der ersten Reihe und erscheint nach den Vorstellungen häufig in Mister Kelsons Privatbüro.«

      »Ihm sollten Sie sich vielleicht ein wenig widmen, Miß Kathy«, riet Parker seiner attraktiven Assistentin. »Aber ich darf größte Vorsicht empfehlen.«

      »Sie glauben auch, daß die Music hall mit den Sabotagehandlungen zu tun hat?« Kathy Porter sah zu Mylady hinüber, die sich immer noch Notizen machte.

      »Einige Personen in der Music hall«, präzisierte der Butler, der Genauigkeit liebte. »Lady Simpsons Theorie könnte unter Umständen durchaus stimmen, aber das wird sich wohl schon innerhalb der nächsten Stunden erweisen.«

      »Sie erwarten Besuch, Mister Parker?«

      »Ich könnte mir vorstellen, daß ein gewisser Mister Mulligan versuchen wird, wieder an seinen Ring zu kommen.« Parker hob den Diamantring und ließ ihn im Licht der Lampe funkeln.

      *

      Dan Mulligan befand sich seit ein paar Stunden in Panik.

      Er begriff noch immer nicht recht, wer ihn in der Loge der alten Fregatte, wie er Lady Simpson respektlos genannt hatte, wohl niedergeschlagen haben mochte. Darüber zerbrach er sich den Kopf. Er zerbrach ihn sich aber auch über ein anderes Thema: Wer hatte seine Taschen so gründlich durchwühlt und geleert? Wer besaß jetzt die so ungemein wichtigen Ansichtskarten, die längst auf dem Weg nach London sein mußten? Und wer hatte ihm den teuren Diamantring gestohlen? Der Stein hatte ihn ein kleines Vermögen gekostet.

      Dan Mulligan, Vorarbeiter der Battersea Oil Company, ein erstklassiger Fachmann und ausgekochter Gauner, saß in einer Kneipe und weigerte sich anzunehmen, man könne ihn hereingelegt haben, obwohl er diesen Verdacht nicht los wurde. So etwas konnte er sich einfach nicht vorstellen, dazu konnte die Alte doch unmöglich in der Lage gewesen sein …

      Da mußte die Gegenseite sich eingeschaltet haben, vor der sein Auftraggeber ihn eindringlich gewarnt hatte. Die ruhigen Zeiten waren vorüber. Mulligan fragte sich jedoch, ob die Alte vielleicht zur Gegenseite gehörte. Er kannte eine Menge Tricks, die in seiner Branche üblich waren. Die harmlosesten Mitbürger entpuppten sich oft als die gerissensten Konkurrenten.

      Hinzu kam die Tatsache, daß man ihn auf diese angebliche Lady ganz bewußt angesetzt hatte. Sie mußte es demnach also faustdick hinter den Ohren haben. Warum hätte er ihr sonst wohl eine harte Lektion erteilen sollen? Dan Mulligan wußte, wo sie hier in Montrose wohnte. Er hatte sich in den Tagen ausgiebig mit ihr beschäftigt und sie und ihren komischen Butler studiert. Es war wohl angebracht, ihr im Hotel einen Besuch abzustatten. Vielleicht hatte sie sich den Brillantring unter den Nagel gerissen und lachte sich jetzt ins Fäustchen.

      Dan Mulligan war keineswegs betrunken, als er die Kneipe verließ, um das »St. Cyrus« anzusteuern. So ein nächtlicher Besuch war eine Kleinigkeit und konnte unmöglich gefährlich sein. Noch mal würde ihn seine Widersacherin nicht überrumpeln. Er war gewarnt.

      Der Ferienort hier an der schottischen Küste war nicht sehr groß. Mulligan verzichtete auf ein Taxi und legte den Weg zum Hotel zu Fuß zurück. Er kam an dem großen Materiallager der Bohrfirma vorbei, für die er draußen auf der künstlichen Stahlinsel als Vorarbeiter arbeitete. Die Baracken mit den Unterkünften für die Schichtarbeiter und die Schuppen für den Nachschub waren von hohen Drahtzäunen umgeben, in die man noch zusätzlich Stacheldraht eingeflochten hatte. Grelle Bogenlampen leuchteten jeden Zentimeter des Lagers aus. Wachmänner mit auf den Mann dressierten Schäferhunden patrouillierten in unregelmäßigen Abständen. Die Battersea Oil Company war sehr vorsichtig geworden, nachdem es draußen in der Nordsee den ersten Ärger gegeben hatte.

      Das »St. Cyrus« war ein altehrwürdiger Bau. Auf dem Erdgeschoß aus Backstein erhob sich das Obergeschoß aus Fachwerk. Ein gepflegter Park sorgte dafür, daß Mulligan sich an die Rückseite des Hotels heranpirschen konnte. Wie gesagt, er hatte sich mit Lady Simpson bereits beschäftigt und wußte, welche Räume sie und ihr Butler bewohnten. Um an den Balkon heranzukommen, der zur Zimmerflucht seiner Gegnerin gehörte, brauchte er nur auf das niedrige Dach einer ans Hausgrenzenden Remise zu steigen, alles Weitere war dann nur noch ein harmloser Spaziergang.

      Dan Mulligan hatte leider keine Ahnung, daß er verfolgt und beobachtet wurde. Ein potentieller Mörder war hinter ihm her und ließ ihn nicht aus den Augen. Mulligan hatte nämlich leichtsinnigerweise von seiner Panne in der Loge der Music hall berichtet und war daraufhin sofort zum Sicherheitsrisiko erklärt worden. Die Leute, für die er arbeitete, wollten ihn jetzt so schnell wie möglich ausbooten. Sie trauten Mulligan nicht zu, daß er dichthielt, wenn man ihn nur gehörig in die Verhörzange nahm.

      Dan Mulligan erkletterte das flache Dach der Remise, richtete sich halb auf und wurde augenblicklich zum Ziel für den Mann, der hinter ihm her war. Seine Gestalt hob sich wie ein Scherenschnitt gegen den zwar nächtlichen, aber immer noch etwas hellen Himmel ab. Der Mörder brauchte nur abzudrücken.

      *

      Kathy Porter hatte das »St. Cyrus« verlassen und wollte zurück zur Music hall. Sie bewohnte in einem Anbau ein kleines Zimmer, womit sie mehr als einverstanden war. So blieb sie in unmittelbarer Nähe jenes Platzes, den sie beobachten sollte.


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