Dem Captain ausgeliefert. Inka Loreen Minden

Dem Captain ausgeliefert - Inka Loreen Minden


Скачать книгу
Leistung«, sagte sie wenige Minuten später, und er drückte den Gashebel durch.

      Das Shuttle glitt ruhig über die Startbahn, beschleunigte schnell und hob geschmeidig ab. Willow erlaubte sich einen längeren Blick auf den Monitor, während die Bordkameras an der Außenhülle den Start aufzeichneten, und betrachtete seufzend Terra Omega. Sie hatte sich schon fast ausgemalt, sich hier niederzulassen. Der Planet war noch nicht so dicht besiedelt wie andere; neben der einzigen Großstadt gab es jede Menge Grün, lila Stoppelfelder, tiefblaue Seen, friedliche Quakas – das waren kleine, putzige, pelzige Tiere, die Bären ähnelten, aber nur Pflanzen aßen –, Berge, Täler … so viel Natur!

      Und leider auch Captain Noah Quinn.

      Willow wurde mit dem Rücken in ihren Sessel gedrückt, während sie steil nach oben schossen. Bereits wenige Minuten später betätigte Noah den Funk und übermittelte der Bodenstation: »Wir haben die Atmosphäre verlassen und gehen jetzt in den Reisemodus. Over and Out.«

      Als plötzlich das schwarze Weltall vor ihnen lag, fühlte Willow eine wohltuende innere Ruhe. Hier oben konnte es verdammt leise sein, vor allem, wenn die Schubdüsen offline waren, was ihr aber nichts ausmachte. Sie liebte die Stille. Jetzt musste sie den Düsen allerdings volle Power geben, damit sie die Höchstgeschwindigkeit erreichten.

      Nur das Schweigen zwischen Noah und ihr war nervenaufreibend!

      ***

      »Was transportieren wir überhaupt?«, fragte sie eine Stunde später, nachdem er sie bis jetzt weder angeschaut noch mit ihr geredet hatte. Eisern mied er ihren Blick, die Augen nur auf die Anzeigen oder nach draußen gerichtet, damit sie nicht mit Weltraumschrott kollidierten, von dem es in der habitablen Zone dieses Sonnensystems reichlich gab.

      Sie erwartete keine Antwort, doch zu ihrer Überraschung murmelte er: »Du hast keine Ermächtigung, das zu erfahren.« Er klang nicht mehr ganz so harsch und duzte sie auch wieder. Doch eines spürte Willow: Diese Sache in dem Club – oder besser gesagt: Noahs angekratztes Ego – würde während der ganzen Reise zwischen ihnen stehen. Ganz, ganz toll. Besser, sie ging dem Miesepeter aus dem Weg, soweit das möglich war. Deshalb sagte sie: »Ich überprüfe ein paar Relais.«

      Er brummte bloß seine Zustimmung, und sie schnallte sich aufatmend ab. Seine schlechte Laune und diese düsteren Schwingungen, die er abgab, hielt sie kaum aus. Außerdem war sie neugierig, was sie geladen hatten. Wenn er es ihr nicht verriet, würde sie eben selbst nachsehen.

      Mittels Daumenscan öffnete sie die Tür, die sich sofort wieder schloss, nachdem sie diese passiert hatte. Willow würde nur die Räume öffnen können, zu denen sie Zugang besaß. Mal schauen, welche das waren.

      Gleich hinter dem Cockpit lag ein enger Gang, vom dem zu beiden Seiten Türen oder Luken abzweigten. Willow eilte vorbei an ihren Quartieren, die sich im Korridor gegenüberlagen, dem Waschraum, der Bordküche und der medizinischen Versorgungseinheit, bis sie zum Frachtraum gelangte. Sie öffnete die große Tür ebenfalls per Daumenscan, und als sie nach oben glitt, huschte Willow hinein.

      Auf den ersten Blick schien es hier lediglich Transportboxen mit Lebensmitteln, Ersatzteilen für das Shuttle und andere Gegenstände des täglichen Gebrauchs zu geben. Willow war gute zwei Stunden damit beschäftigt, in wirklich jede Kiste zu sehen, und überprüfte zwischendurch über das Videoüberwachungssystem, ob Noah noch im Cockpit saß. Zum Glück rührte er sich nicht vom Fleck.

      Hm, was auch immer sie transportierten – es musste entweder winzig klein sein, sodass sie es übersehen hatte, oder sich in einer anderen Kabine befinden. Womöglich war es auch in den Eingeweiden des Shuttles versteckt.

      Weil … Noah ihr nicht traute? Oder weil sie mit Überfällen rechnen mussten?

      Senator Longoria hatte ihr gesagt, dass die Reise gefährlich werden könnte. Doch warum?

      Willow schlug sich an den Kopf. Sie konnte jetzt nachsehen, wo ihr Ziel lag. Vielleicht wusste sie dann mehr!

      Sie lief zu einem Interface, das mit dem Bordsystem verbunden war und sich an mehreren Stellen des Shuttles befand, und fragte auf dem Monitor ihre Reiseroute ab. Mist, genau dieser Teil des Systems war passwortgeschützt – was für Willow jedoch kein Hindernis darstellte. Nachdem sie erneut überprüft hatte, ob sich Noah weiterhin im Cockpit befand, umging sie schnell den Schutz, bekam dann aber auch keine befriedigende Antwort. Der Autopilot hatte nur Koordinaten erhalten, die eine Tagesreise entfernt lagen. Offenbar kannte tatsächlich nur Noah die komplette Strecke, von der er jeden Tag lediglich einen Teil an das System übermittelte, so sah das für Willow aus. Die Sicherheitsstufe befand sich auf höchstem Level. Der ganze Erfolg der Reise schien allein von Noah abzuhängen. Doch was, wenn er krank wurde oder ihm sonst etwas passierte? Gab es ein Notfallprotokoll?

      Willow widerstand dem Drang, nachzusehen. Sie war schon zu lange weg. Und sollte ihr Noah auf die Schliche kommen, könnte sie wegen Hochverrats verhaftet werden. Spätestens am Ziel ihrer Reise würde sie auf die Wahrheit stoßen, so lange musste sie sich eben gedulden.

      Sie begab sich in ihre Kajüte, weil sie sich noch umziehen wollte, bevor sie sich wieder zu Mr. Wichtig gesellte. Ihr kleiner Koffer lag auf dem Bett; ansonsten gab es in der winzigen Kabine nicht viel, nur noch einen schmalen, aus der Wand klappbaren Tisch und einen Spind.

      Willow schlüpfte aus ihrem Overall, in dem sie sich ohnehin nicht wohlfühlte, und zog sich ein anliegendes, elastisches T-Shirt an sowie ihre bequeme Lieblingslatzhose, in deren Taschen sich jede Menge Dinge verstauen ließen. Auf einen BH verzichtete sie, denn der engte sie ein. Anschließend legte sie noch ihren Werkzeuggürtel um und … wurde von ihrer Neugier übermannt. Sie wusste quasi nichts über Noah, deshalb holte sie ihren Tablet-Computer aus dem Koffer, stellte eine Verbindung zum System des Schiffes her und durchsuchte die AID – die Allgemeine Interstellare Datenbank. Als Erstes interessierte sie sein Baujahr. Er war sieben Jahre älter als Willow – was sie grob vermutet hatte. Aufgewachsen in einer bedeutenden Familie, die Mutter Senatorin, der Vater ebenfalls Captain – ja, so was hatte sie sich schon gedacht – beide Eltern jedoch vor knapp einem Jahr bei einem Raubüberfall getötet worden.

      Das war schrecklich. Willow hatte ihre Mutter auch verloren, allerdings schon sehr früh und wegen einer Überdosis Talomin – einer Modedroge. Da war sie gerade einmal drei Jahre alt gewesen. Danach reiste sie ein paar Jahre lang mit ihrem Vater durchs All, ohne zu wissen, dass er seinen Lebensunterhalt mit dubiosen Geschäften finanzierte. Von seiner Schmugglerkarriere erfuhr Willow erst, als er geschnappt wurde und ins Gefängnis kam. Dort starb er leider innerhalb eines halben Jahres, niedergestochen von einem Mithäftling.

      Tante Vi, ihre einzig lebende Verwandte, nahm sich ihrer an, hatte jedoch keine Zeit und Lust, sich selbst um ihre Erziehung zu kümmern. Darum kam Willow in eines der besten Internate der Sternenflotte und erhielt anschließend eine ordentliche Ausbildung. Tante Vi besaß als Edel-Hostess nicht nur eine Menge Geld, sondern auch einflussreiche Verbindungen zu den ranghöchsten Persönlichkeiten, mit denen sie bereits das Bett geteilt hatte. Insofern war Willow genauso wie Noah zu ihrer Stellung gekommen.

      Zurück zu ihm … Was erfuhr sie noch? Er hatte bei mehreren Kriegseinsätzen gegen die Xylonier an vorderster Front gekämpft, flog aber keine Einsätze mehr, nachdem er kurz vor Ende des Krieges schwer verwundet worden war. Was ihm genau passiert war, stand leider nicht in seiner öffentlichen Vita. Er arbeitete jetzt für die Flotte als Frachtkapitän, allerdings nur noch sporadisch.

      Willow schnaubte. Sicher war er so reich, dass er im Grunde nie wieder arbeiten müsste.

      Sie legte das Tablet zurück und ging erneut durch das Shuttle, um ein paar Systeme, Schläuche und Relais zu überprüfen, obwohl das kaum nötig war, denn das Schiff war ausgezeichnet in Schuss. Ein Blick ins System verriet ihr, dass es nagelneu war und erst wenige Reisen hinter sich hatte. Interessant war jedoch: Das Shuttle war mit einem speziellen Schutzschild ausgestattet, wie nur Kriegsschiffe sie besaßen, außerdem verfügte es über ordentlich Feuerkraft.

      Was wurde hier bloß gespielt?

      Kapitel 3 – Gedankenspiele


Скачать книгу