Oesterreich im Jahre 2020. Josef von Neupauer

Oesterreich im Jahre 2020 - Josef von Neupauer


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3000 Dollars Reisegeld und beurlaubte uns die Regierung für die beiden Monate Juli und August 2020 zur Reise nach Europa.

      Um in einem deutschen Lande reisen zu können, suchten wir uns einige Kenntniß der deutschen Sprache vorher anzueignen und verkehrten viel mit eingewanderten Deutschen, die in Boston lebten, und mit 1. Juli 2020 verließen wir Boston und Amerika, um nach glücklicher Ueberfahrt am 13. Juli 2020 die österreichische Grenze bei Salzburg zu überschreiten.

       Inhaltsverzeichnis

      Ich übergehe die Erlebnisse auf der Reise bis Salzburg, welche für den Leser kein Interesse hätten, weil es sich nur um unsere Beobachtungen in Oesterreich handelt.

      Wir kamen am 13. Juli 2020 Abends 6 Uhr in Salzburg, einer reizend gelegenen Kreisstadt, an, welche einmal ziemlich volkreich war und gegenwärtig nur etwa 1500 bleibende Einwohner zählt, aber immer an 2500 bis 3000 Fremde beherbergt. Es haben in solchen Städten viele Pensionisten ihren Wohnsitz, die ihn aber, durch keine Berufspflichten gebunden, jederzeit beliebig mit einem anderen Wohnorte vertauschen können, daher sie nicht eigentlich Einheimische genannt werden können.

      Die beurlaubten Bürger, welche ihren Urlaub zu einer Reise benützen, halten sich meist einige Tage in diesen Städten auf, um einigen Theatervorstellungen beizuwohnen und die Merkwürdigkeiten zu besehen. Reisende Ausländer, welche die Reisetaxe dritter Klasse bezahlen oder solchen gleichgehalten werden, haben das Recht, in den Kreisstädten abzusteigen und liefern auch ein großes Contingent der wechselnden Bewohnerschaft der Kreisstädte. Auch die Heilanstalten höherer Ordnung und die Mittelschulen für Technik, Landwirthschaft und Gewerbe führen manche Kranke und Schüler in die Kreisstädte, wo in früherer Zeit, als die stehenden Heere noch nöthig waren, auch meist drei Bataillone Militär garnisonirten. Die stabile Bevölkerung betreibt Gärtnerei, Industrie, Hauswirthschaft, Krankenpflege und Unterricht. Es ist ferners an jedem Kreisorte je ein Staatsbeamter für die Angelegenheiten der Gemeinde, des Bezirkes und des Kreises ansässig und hat der Kreisbeamte einige Hülfsbeamte nach Bedürfniß zur Seite. Jedem der drei Staatsbeamten ist ein vom Volke gewählter sogenannter Tribun oder Volksbeamter zur Seite gesetzt, der die Interessen der Einzelnen, Gemeinden, Bezirke und des Kreises wahrzunehmen hat. Ebenso ist an jedem Kreisorte je ein Pädagog und je ein Arzt für die Angelegenheiten der Gemeinde, des Bezirkes und des Kreises bestellt und zerfallen die Kreise in beiläufig zwanzig Bezirke und jeder Bezirk in etwa zwanzig Gemeinden. — Dazu kommen ein ziemlich zahlreicher Lehrkörper, einige weibliche Aerzte und viele Specialisten des ärztlichen Standes, so besonders Operateure, welche im Verbande der Kreisregierung stehen, aber, wenn es sich um Kranke handelt, die nicht oder nicht schnell genug nach der Kreisstadt gebracht werden können, an den Wohnort des Kranken abgehen müssen und welchen die schnellsten Beförderungsmittel jederzeit zur Verfügung stehen.

      Am Kreisorte ist eine permanente Bühne mit meist wechselndem Personale und, als wir dort ankamen, war eben eine Operngesellschaft in Salzburg, welche mehrere berühmte Sänger und Sängerinnen zählte.

      Beiläufig will ich hier noch bemerken, daß am Kreisorte die Trauungen gefeiert werden, daß dort häufig die Versammlungen der Verwaltungsbeamten, Aerzte und Lehrer tagen und jede Woche irgend ein Wettbewerb nach Art der olympischen Spiele abgehalten wird, wobei man sich um die Palme in den verschiedensten Künsten und Geschicklichkeiten bewirbt. Der Kreisort beherbergt eine permanente Ausstellung der industriellen und landwirthschaftlichen Produkte und ein historisches Museum, welches die Fortschritte seit 50 Jahren veranschaulicht.

      Wir wurden zuerst dem Staatsbeamten für die Gemeindeangelegenheiten vorgestellt, der unsere Papiere prüfte und sich erkundigte, nach welcher Klasse wir reisen wollten. Es richte sich danach die Kategorie der Städte, in welchen wir Aufenthalt nehmen dürfen, die Beherbergung, Verpflegung und die Verkehrsmittel, deren wir uns bedienen können. Wir erhielten einen gedruckten Prospekt zu unserer Orientirung und entschieden uns für die erste und reichste Klasse, welche uns überall Zutritt eröffnete und wofür wir 25 Mark in Geld pro Tag zu erlegen hatten. Wir bezahlten für 20 Tage 1000 Mark zusammen und wurden ersucht, unsere sonstige Baarschaft in Verwahrung zu geben, da im ganzen Lande niemand berechtigt sei, Geld anzunehmen oder etwas zu verkaufen. In die uns ausgestellte Aufenthaltskarte wurde eingetragen, daß wir 1000 Mark Reisegebühr erlegt und außerdem 9000 Mark in Gold deponirt hätten und berechtigt seien, bis 2. August 2020 abends 6 Uhr als Reisende erster Klasse in Oesterreich uns aufzuhalten, vorbehaltlich einer etwaigen Verlängerung, die wir mit der Staatsverwaltung vereinbaren könnten. — Wir erhielten sodann eine gedruckte Belehrung in deutscher und englischer Sprache, wie wir uns in Oesterreich zu benehmen hätten, um nicht gegen Gesetz und Sitte zu verstoßen, wie auch die gesetzlichen Folgen, welche Contraventionen nach sich ziehen würden, daraus entnommen werden konnten, und wurden uns dann zwei prachtvolle Zimmer in den Wohngebäuden angewiesen, welche eine berückende Aussicht gegen die Berge boten.

      Nachdem wir uns gereinigt und mit einem Bade erfrischt hatten, erhielten wir die Einladung des Kreisbeamten, seinem Empfange nach der Oper beizuwohnen. Wir stärkten uns mit einem Imbiß im Gemeindehause, wohnten einer Oper von Mozart bei, der in Salzburg noch im 21. Jahrhundert als berühmtester Landsmann verehrt wird, und wurden nach Beendigung der Oper, die vor dichtgefülltem Hause aufgeführt wurde, von dem Personale des Hauses nach den Empfangssälen des Kreisbeamten gewiesen, die in einem Gebäude nahe der Oper, zu welchem man durch einen gedeckten Gang gelangen konnte, gelegen waren. — Ich will nicht bei der Schönheit dieses Baues und der Empfangsräume verweilen, noch die Menge der Besucher erwähnen, da ich mir näheres für später vorbehalte, wo die Hilfsquellen zur Sprache kommen werden, über die Oesterreich im 21. Jahrhundert verfügt. Nur will ich sagen, daß wir verwundert waren, die ersten Sängerinnen nach der Oper mit funkelnden Steinen an Brust und Hals am Arme höflicher Herren beim Kreisbeamten erscheinen zu sehen, was wir damals mit der communistischen Gesellschaftsordnung nicht zu vereinbaren wußten.

      Als wir zur Ruhe gingen, machte man uns aufmerksam, daß die Züge in der Richtung nach Wien um 6 Uhr und um 9 Uhr morgens von Salzburg abfahren, und wählten wir den zweiten Zug.

      Am nächsten Morgen warfen wir von unseren Fenstern einen Blick über die herrliche Gegend und sahen überall auf Feldern und Wiesen rüstig arbeiten, Lieder erklangen von den Gefilden und schien ein gewisser Wetteifer alle zu beleben. Wir frühstückten im Speisesaale, wo uns ein allerliebstes Mädchen mit dem Nöthigen versorgte, unternahmen einen Spaziergang in die ihrer Schönheit wegen berühmte Umgebung der Stadt und reisten um 9 Uhr ab, nachdem uns eine freundliche Hausgenossin, welche das Geschäft einer Aufwärterin im Fremdenpalaste besorgte, noch einen Gruß des Kreisbeamten und des Gemeindebeamten gemeldet hatte. Man darf aber nicht glauben, daß wir uns irgendwelche Freiheiten gegen dieses “Kammerkätzchen” oder eine geringschätzige Behandlung hätten erlauben dürfen. Unsere gedruckte Belehrung bedrohte uns für einen solchen Fall mit unverzüglicher Entfernung aus Oesterreich, wie uns auch kundgethan war, daß jedes Mädchen und jede Frau in Oesterreich ohne Rücksicht auf deren Beruf Anspruch auf ritterliche Höflichkeit erhebt.

      Bahnhof, Waggons, Dienstuniformen des Eisenbahnpersonals zeigten edle Einfachheit und feinen Geschmack. Nach Vorweisung unserer Aufenthaltskarte wurden wir vom Oberschaffner nach dem besten Coupé gewiesen, in welchem wir einige Professoren fanden, die ihre Ferienreise machten. Der Zug war voll besetzt mit Leuten jeden Berufes, die kürzere und längere Strecken zurücklegten, wozu ihnen eine Reiselegitimation des Beamten ihrer Heimath das Recht gewährte. Einigemal war der Andrang von Reisenden etwas zu groß und dann mußten jüngere Leute ohne Rang sich begnügen, in den Gängen und zwischen den Sitzen zu stehen, aber es wurde wieder Platz und so dauerte die Unbequemlichkeit nicht lange. Wer sich nicht fügen wollte, hatte die Wahl, auszusteigen und zurückzubleiben, was nichts auf sich hatte, weil man überall angenehm wohnt und mit allem gut versorgt ist und man ja doch nur zum Vergnügen reist. Die wenigen Personen, die im Dienste reisen, haben allerdings Anspruch auf alle erdenklichen Bequemlichkeiten und unaufgehaltene Beförderung.

      Wir hatten unterwegs zweimal kalten Imbiß mit Erfrischungen nach unserer Wahl, erhielten auf unseren Wunsch, da wir uns scheuten, mit den Reisenden deutsch zu


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