Die Vampirschwestern 12 - Ruhig Blut, Frau Ete Petete. Franziska Gehm

Die Vampirschwestern 12 - Ruhig Blut, Frau Ete Petete - Franziska Gehm


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uns die gute Frau Ete Petete alsbald kredenzen?“ Daka grinste.

      „Das hast du ganz vortrefflich gesagt. Na bitte, du kannst es doch.“ Frau Ete Petete nickte. „Den jungen Damen werden unverzüglich Blutpfannkuchen mit Mus von herrlich wurmstichigen Äpfeln serviert.“

      Drei Minuten später lagen die Blutpfannkuchen auf den Tellern und das Apfelwurmmus stand bereit. Daka klatschte sich einen Löffel Mus auf den Blutpfannkuchen, rollte ihn zusammen und wollte gerade abbeißen, als Frau Ete Petete gebieterisch die Hand hob. „Tze, tze, tze, unschicklich.“

      Daka stöhnte und ließ den Blutpfannkuchen, aus dem bereits etwas Mus auf ihre Hose gekleckst war, wieder sinken. „Was habe ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht?“

      „Einen Blutpfannkuchen zusammenrollen und mit den Händen essen kann jeder undressierte Affe. Wir drei – darauf haben wir uns doch geeinigt – sind aber echte Damen“, sagte Frau Ete Petete. „Und eine Dame isst mit Messer und Gabel.“

      Silvania nickte und schob sich mit der Gabel vorsichtig ein Häppchen Pfannkuchen in den spitzen Mund.

      „Ich bin keine Dame. Und ich will auch gar keine werden. Ich bin ein Halbvampir.“ Daka schob den Teller weg und verschränkte die Arme.

      Der Leberfleck auf Frau Ete Petetes Wange zuckte. „Mir scheint, du bist weder eine Dame noch ein Halbvampir, sondern ein kleiner Trotzkopf.“

      „Werte Frau Ete Petete, wären Sie so gut und könnten mir noch einmal die Tischmanieren erklären?“, sagte Silvania. „Es ist nämlich so: Ich bin bald zu einem Abendessen eingeladen, da möchte ich nichts falsch machen.“ Schon am kommenden Wochenende war das Abendessen, zu dem Jacob und sein Vater sie eingeladen hatten. Silvania dachte an Jacobs Vater, der im besten Anzug aus einem Taxi gestiegen war. Sicher ging es bei Jacobs Familie sehr vornehm zu.

      „Mit dem größten Vergnügen, liebe Silvania. Zunächst die Grundregeln: Wir sitzen mit gewaschenen Händen, gekämmten Haaren und sauberer Kleidung gerade am Tisch, beide Hände liegen bis zum Handgelenk auf dem Tisch.“

      Silvania nickte und achtete darauf, dass ihre Körperhaltung den Tischmanieren entsprach.

      Daka nutzte den unbeobachteten Moment, beugte sich zum Teller und biss schnell ein großes Stück vom Blutpfannkuchen ab.

      „Das Essen wird zum Mund geführt, nicht der Mund zum Teller. Und man nimmt immer nur kleine Portionen zu sich, um jederzeit an der Tischkonversation teilnehmen zu können“, fuhr Frau Ete Petete mit einem kurzen Seitenblick auf Daka fort. „Das Besteck hält man am unteren Griffende und vermeidet jegliches Geklapper. Benötigt man es gerade nicht, wird es gekreuzt auf dem Teller abgelegt, mit dem Gabelrücken nach oben. Unter keinen Umständen darf einmal benutztes Besteck das Tischtuch wieder berühren. Das Besteck dient nur zur Portionierung der Mahlzeit, nicht zur Akzentuierung eines Redebeitrags oder gar als Waffe.“

      Silvania kreuzte das Besteck auf dem Teller.

      In dem Moment flatschte, krachte und stöhnte es neben ihr.

      Daka hatte versucht, ganz ohne Hände vom Teller zu essen, war dabei mit dem Kinn auf den Tellerrand gekommen, sodass der Teller hochklappte und ihr der Blutpfannkuchen samt Apfelwurmmus ins Gesicht klatschte. „Skyzati“, murmelte sie, während der Pfannkuchen langsam von ihrem Gesicht rutschte. „Ich … äh … dachte, ich hätte noch einen zappelnden Wurm im Mus gesehen.“

      Dame mit Dutt

      Dirk van Kombast schob die Gardine ein kleines Stück beiseite und sah gebannt auf den Fußweg vor seinem Haus. Dort lief, nein, vielmehr stolzierte wieder die interessante Dame, die vor ein paar Tagen bei den Nachbarn eingezogen war. Auch heute war sie wieder sehr geschmackvoll gekleidet. Sie trug einen Sonnenschirm, wie er bei eleganten Damen aus dem vorletzten Jahrhundert Mode gewesen war. Das schwarze, samtene Kostümjäckchen mit ausgestelltem Schößchen passte hervorragend zu dem langen, engen Rock und den glänzend schwarzen Haaren. Sie waren auf Scheitelhöhe zu einem großen, strengen Dutt zusammengefasst, der Herrn van Kombast an den Bollenhut der Schwarzwaldmädel erinnerte. (Er hatte mal ein Schwarzwaldmädel gekannt, ganz ohne Bollenhut, aber das war eine andere Geschichte …)

      Die Dame mit dem Dutt schien so etwas wie das Kindermädchen der Familie Tepes zu sein. Auch jetzt schob sie den Kinderwagen des jüngsten Sprösslings von nebenan über den Gehweg. Der Kinderwagen sah eher aus wie ein Sarg auf Rädern und der jüngste Sprössling von nebenan war eher ein kleiner Beißling.

      Dirk van Kombast wusste Bescheid. Im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen lief er nicht blind durch die Welt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Menschen hatte er nicht nur seinen Beruf, seine Mutti und seinen Sportwagen, sondern auch eine Aufgabe im Leben, ein Ziel, eine Bestimmung!

      Seit Vampire seiner Mutti den Verstand geraubt und sie in eine geschlossene Anstalt gebracht hatten, wollte er nur noch eins: der Welt beweisen, dass es Vampire gab. Er wollte den anderen Menschen die Augen öffnen, sie warnen, ja, wenn es sein musste, sie beschützen.

      Das Schicksal hatte es gut mit ihm gemeint, als direkt ins Nachbarhaus Familie Tepes aus Transsilvanien eingezogen war. Als absoluter Kenner der Vampirwelt war Dirk van Kombast selbstverständlich sofort klar gewesen, dass seine neuen Nachbarn Vampire waren. Also, zumindest Herr Tepes und seine Töchter. Was Frau Tepes war, darüber war Herr van Kombast noch unschlüssig. Ein normaler Mensch konnte sie auf jeden Fall nicht sein, wenn sie einen Vampir geheiratet hatte.

      Doch das Schicksal hatte es bisher wiederum schlecht mit ihm gemeint, wenn es darum gegangen war, die Vampire von nebenan zu überführen, dingfest zu machen und die restlichen Bewohner von Bindburg von deren Existenz zu überzeugen.

      Dirk van Kombast war allerdings nicht nur ein sehr leidenschaftlicher Vampirjäger, sondern auch ein sehr geduldiger. Der Tag oder die Nacht würde schon noch kommen, an dem oder in der ihm die Vampire mit zitternden Eckzähnen zu Füßen lagen und die Menschen ihn auf Händen trugen.

      Die Dame mit dem Dutt stolzierte weiter den Lindenweg entlang. Was für eine Körperspannung! Welch edle Gesichtszüge! Dirk van Kombast lehnte sich etwas vor, bis er mit der Stirn an die Fensterscheibe stieß.

      Er ließ die Gardine fallen, trat vom Fenster zurück und fuhr sich über die Stirn. Mit dem Zeigefinger auf dem Mund ging er ein paar Schritte durchs Wohnzimmer und murmelte dabei: „Eine äußerst aparte Erscheinung …“

      Die Kinderfrau seiner Nachbarn hatte Stil. Womöglich hatte sie schon an Königshäusern, in Präsidentenpalästen und Scheichpalais gedient. Wie sie ausgerechnet an Familie Tepes geraten war, konnte sich Dirk van Kombast nicht erklären. Die Dame tat ihm leid. Wusste sie eigentlich, worauf sie sich eingelassen hatte? Wusste sie, dass ihr Arbeitgeber ein Vampir war und die lieben Kleinen nicht nur jede Menge Unsinn im Kopf, sondern vor allem jede Menge Biss hatten?

      Dirk van Kombast blieb vor dem Foto seiner Mutti stehen, das im Wohnzimmer an der Wand hing. „Ich muss sie warnen. Oder, Mutti? Das ist meine Pflicht als Vampirjäger, als Retter der Menschheit.“

      Zwar gab ihm das Foto keine Antwort, aber Herr van Kombast nickte. Die Dame mit dem Dutt schwebte in höchster Gefahr. Jeder Tag, den sie ahnungslos bei Familie Tepes verbrachte, konnte ein Tag zu viel sein. Dirk van Kombast musste ihr die Augen öffnen, sie retten, bevor es zu spät war.

      Es sei denn … es sei denn, die Dame mit dem Dutt war gar keine Kinderfrau, sondern ein Vampirfräulein. Doch das würde Dirk van Kombast schon bald herausfinden. Schließlich war er ein erfahrener Vampirjäger.

      Vampir‚ beiß mich nicht!

      Herr Tepes saß auf dem Sofa, hatte die Strümpfe ausgezogen, die Hose hochgekrempelt und bohrte seine nackten Füße genussvoll in das mit Heimaterde gefüllte Katzenklo. „Aaahhh!“ Er lehnte sich zurück. „Jetzt noch ein Gläschen Karpovka!“

      Er wollte gerade zur Flasche mit dem transsilvanischen Schnaps greifen, als Frau Ete Petete sie ihm wegschnappte. „Aber doch nicht am frühen Abend, vor der Arbeit und vor den Augen der Kinder!“

      Mihai


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