Siegen ist Kopfsache. Matt Fitzgerald
Einige Wochen später stürzte Greg wieder. Er verletzte sich nur leicht an einem Muskel in seiner rechten Wade, aber als er nach zwei Wochen Pause zu aggressiv wieder ins Training einstieg, wurde das Problem chronisch. Statt im Juli die Tour de France zu fahren, wurde er operiert.
Im Herbst stieg Greg wieder in den Rennzirkus ein, aber wenig erfolgreich, und er hatte Mühe, den für ihn typischen Optimismus zu wahren. »Ich fühle mich besser, fange aber wieder einmal ganz von vorn an«, sagte er der New York Times. »Ich fange immer von ganz vorn an.«
Dass Greg keine guten Ergebnisse einfuhr, belastete das Verhältnis zwischen ihm und seinem neuen Arbeitgeber, dem Team PDM. Die Spannung führte zum Bruch, als die Teamleitung ihren kämpfenden Starfahrer unter Druck setzte, sich Testosteron spritzen zu lassen, ein verbotenes, leistungssteigerndes Mittel, und er sich weigerte. So oder so war Doping immer ein Teil des Straßenradsports gewesen, aber 1988 war die Situation kurz davor, außer Kontrolle zu geraten. Im Vorjahr war eine Dopingprobe von Laurent Fignon positiv auf Amphetamine gewesen. Einige Wochen später, während der Tour de France, wurde der Spanier Pedro Delgado mit einer steroid-verschleiernden Substanz im Körper erwischt, durfte aber das Rennen beenden – und gewann –, weil die Substanz offiziell nicht verboten war. Greg glaubte, vielleicht etwas naiv, dass solche Betrügereien eher die Ausnahme seien, aber immer normaler wurden und die Methoden immer ausgefeilter.
Nach Gregs Bruch mit PDM erzählte sein Anwalt Ron Stanko einem Reporter der Los Angeles Times: »Ich habe ihnen erklärt, dass wir kein Interesse daran haben, der Leistung mittels Chemie auf die Sprünge zu helfen. Das ist Gregs Einstellung, zu 100 Prozent.« Diese Haltung gründete sich nicht nur auf Gregs Abneigung gegen Betrügereien, sondern auch auf der Überzeugung, dass er talentiert genug war, um ohne Abkürzungen zu gewinnen. Schließlich hatte er das vorher auch geschafft.
An Silvester 1988 unterschrieb Greg bei einem neuen Team, ADR. Er hatte ADR zuvor als Team zweiter Klasse belächelt und behauptet, die Fahrer seien zu schwach, um einen einen Sieganwärter bei der Tour de France zu unterstützen. Aber es war nun das einzige Team, das ihn bezahlen wollte – eher, weil er ein noch junger ehemaliger Tour-de-France-Sieger war und weniger aufgrund seiner zweitklassigen Erfolge als Radprofi in der jüngsten Vergangenheit.
Greg eröffnete die Saison 1989 mit einigen vielversprechenden Ergebnissen, wurde Sechster in der Gesamtwertung des italienischen Radrennens Tirreno – Adriatico und Zweiter auf einer Etappe beim Criterium Internationale. Aber das Versprechen dieser Erfolge erfüllte sich nicht. Im Mai nahm Greg bei der ersten Tour de Trump in den USA teil. Eine Veranstaltung, die durch die knackige Namensgebung, die Spektakel verhieß, im Vergleich zum sonstigen Interesse der Amerikaner am Straßenradsport große öffentliche Aufmerksamkeit erregte. Sie wäre eine ideale Bühne für den ersten amerikanischen Tour-de-France-Gewinner gewesen, um sein Können zu zeigen – wenn er nicht 27. geworden wäre.
Der nächste Stopp für Greg und seine Kollegen vom Team ADR war der Giro d’Italia, eine dreiwöchige Rundfahrt wie die Tour de France. Greg fühlte sich auf dem Rad immer noch nicht ganz wohl, und das schlug sich in den Ergebnissen nieder. Beim ersten Anstieg des Rennens verlor er acht Minuten auf die Führenden. Als er in den folgenden Tagen immer weiter zurückfiel, begann es in Greg zu bröckeln. Nach einer Etappe saß er auf seinem Bett in einem schäbigen Hotelzimmer und weinte. Bitterkeit und Frust ergossen sich aus ihm wie Dampf aus einem geplatzten Rohr. Er sagte seinem Zimmergenossen Johan Lammerts, dass er als Radprofi am Ende wäre. Er könne nicht weiterhin so viel leiden für etwas, das im Vergleich zu früher so wenig war. Es sei Zeit aufzuhören und nach vorn zu schauen.
Lammerts drängte Greg dazu, zumindest den Giro zu beenden, bevor er irgendwelche überstürzten Entschlüsse für seine Zukunft fasste. Greg gab nach, saß am nächsten Morgen wieder im Sattel und krebste erneut am Ende des Feldes herum. Am letzten Tag des Giro lag er 55 Minuten hinter dem Führenden, Laurent Fignon, der selbst nach drei Jahren mit Verletzungen und anderen Rückschlägen in Folge sein Comeback gab. Aber etwas hatte sich seit Gregs Krise im Hotelzimmer geändert: Bei ihm war eine schwere Anämie diagnostiziert worden – vermutlich ein von seinem Unfall verbliebener Effekt – und er hatte eine (völlig legale und medizinisch tatsächlich notwendige) Eisenkur begonnen. Er fühlte sich sofort besser. Die letzte Etappe des Giro war ein 53 Kilometer langes Einzelzeitfahren. Von dem Augenblick an, an dem er die Startrampe verließ, wusste Greg, dass er wieder da war. Zumindest fast. Nach 6 Kilometern holte er einen Fahrer ein, der 90 Sekunden vor ihm gestartet war, und ließ ihn hinter sich. Weitere 15 Kilometer später überholte er den nächsten Fahrer, der einen Vorsprung von drei Minuten gehabt hatte. Greg beendete das Zeitfahren mit der zweitbesten Zeit des Tages und war sogar schneller als Fignon, der den Gesamtsieg um 78 Sekunden retten konnte.
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