Apache Cochise Staffel 2 – Western. Frank Callahan
beobachtete.
Seine Nasenflügel vibrierten, als er die Luft prüfend einsog. Etwas verwirrte ihn und machte ihn vorsichtig. Die Soldaten waren keine 100 Yards von ihm entfernt und unterhielten zwei kleine Wachfeuer. In seinem Rücken vernahm er die kaum wahrnehmbaren Geräusche des ihm folgenden Naiche.
Er war stolz auf seinen Sohn, nachdem er seinen ältesten Sohn Taza bei einem Coup in Sonora verloren hatte. Naiche entwickelte sich ganz nach dem Geschmack eines Apachenkriegers.
Alle seine Söhne – Taza, Naiche und Nachise – waren von seiner ersten Frau Sho-shu-li, die eine der Töchter des großen Mimbrenjo-Häuptlings Mangas Coloradas war. Sho-shu-li war tot. Seine zweite Frau, Nahlekadaya, war noch jung und stammte von den Nedni-Apachen in Sonora ab. Yuh war ihr Vater, und Yuh war der Häuptling der Nednis.
An all das dachte Cochise, während Naiche an ihm vorbeiglitt und die Spitze übernahm. Cochise kannte die stumme Sprache der Apachen auf dem Kriegspfad so gut wie jeder andere Chiricahua. Naiche orientierte sich nach vorn. Cochise dagegen sollte den Flankenschutz übernehmen.
Ihm war es recht. Junge Büffel müssen sich die Hörner abstoßen, ehe sie erwachsen werden. Naiche tat es, und er machte seine Sache nicht einmal schlecht, wie der Jefe mit Befriedigung feststellte.
Wie Schlangen glitten sie durch den Schutz der Schatten an der Felswand. Naiche blieb klugerweise links von der Straße. Das gab ihm Gelegenheit, von hinten auf das Grundstück der Station zu gelangen. Auch das registrierte Cochise mit Befriedigung.
An den Wachfeuern patrouillierten Soldaten. Sie waren blind und taub wie alle Weißen während der Nacht. Und wenn sie plötzlich überfallen wurden und starben, wußten sie nicht einmal, wer sie getötet hatte.
Die beiden Apachen duckten sich noch tiefer auf den Boden und nutzten jede noch so kleine Deckung aus. Sie gelangten hinter den Stall. Dort verschnauften sie zunächst. Cochise orientierte sich. Vom Plateau aus hatte er gesehen, wie die Offiziere und Jeffords Victorio in der Schmiede besucht hatten.
Vom nächsten Wachfeuer ertönte lautes Lachen. Einer der Soldaten hatte wohl einen Witz erzählt. Mochten sie lachen, um so leichter gelangten die beiden Krieger in die Schmiede.
Kaum zehn Yards trennten sie noch von dem offenen Gebäude. Sie konnten Victorio nicht sehen, weil es zu gefährlich war, die Köpfe zu heben.
Cochise tat es zwischen zwei Atemzügen doch. Jemand hatte dort vorn gewütet. Brandspuren und gewaltsame Zerstörungen waren an jedem Haus zu erkennen. Thomas Jeffords hatte die bei Victorios Angriff angerichteten Schäden zum Teil reparieren lassen, aber es war nur notdürftig geschehen.
Der Häuptling setzte sich wieder in Bewegung. Ein Messer und ungefähr zehn Yards standen zwischen ihm und der Hölle, wenn einer der Posten herüberkam, um nach dem Gefangenen zu sehen. Er hatte sein Ziel erreicht und keine andere Wahl, Victorio zu befreien, wenn er das verlorene Vertrauen bei seinen Chiricahuas wieder zurückgewinnen wollte.
Nur noch fünf Yards. Bevor Cochise und Naiche, der sich hinter ihm hielt, Victorio sehen konnten, rochen sie ihn. Er lag zwischen Amboß und Esse. Man hatte ihn gefesselt und einen Knebel in den Mund geschoben.
Für Sekunden verspürte Cochise so etwas wie Schadenfreude. Er kroch zwischen allerlei Unrat hindurch und tippte Victorio auf die Schulter. Der Mimbrenjo zuckte zusammen und wandte den Kopf.
Seine Augen wurden starr, als er Cochise ins Gesicht blickte und Naiche sah. Er nickte. Glanz trat in seine Augen. Cochise entfernte zunächst den Knebel. Als er anfing, die Knoten des Lassos aufzuknüpfen, mit dem sie den Mimbrenjo gebunden hatten, regte sich etwas beim Haupthaus.
Die Tür ging auf. Ein breiter Lichtstreifen beleuchtete die Treppe, auf der ein Mann erschien. Sein rötlicher Bart kontrastierte mit dem braunen Gesicht. Thomas Jeffords kam die Treppe herunter und näherte sich der Schmiede. Cochises Finger wurden schneller. Die ersten Knoten und Schlingen der Fessel fielen.
Victorio war frei, als Jeffords noch 20 Yards entfernt war. Er kroch hinter die Esse und richtete sich dort halb auf. Jeffords erschien im angeleuchteten Rechteck zwischen Dach, Erde und den Pfosten.
Verwundert blieb er stehen, als er Victorio nicht mehr an seinem Platz fand. Er bückte sich, nahm das Seil auf und drehte es in den Händen. Langsam und furchtlos drehte er sich um und blickte auf die gewaltige Esse mit dem Rauchabzug. Sie war das einzige Versteck, hinter dem sich ein ausgewachsener Mensch verbergen konnte.
Jeffords zog keinen Revolver. Er erhob seine Stimme nicht und brüllte einen Warnschrei in die Nacht. Cochise, der ihn beobachtete, bewunderte ihn in diesem Augenblick. Statt die Posten zu alarmieren, flüsterte Thomas: »Old Vic, ich kam, um dir die Freiheit zu geben. Du kannst gehen. Es wird dir nicht das geringste geschehen.«
Jeffords hörte den Nachtwind, der durch die Büsche strich. Und das Lachen der Soldaten bei den Feuern. Knistern. Ein leises Knacken.
»Victorio, ich sagte, du bist frei. Es ist nicht nötig, daß du mir eine der Rundstangen über den Schädel schlägst«
Das Knistern wurde zu einem leisen Schürfen. Mokassins glitten über den gestampften Lehmboden. Eine Gestalt tauchte auf und schob sich zwischen Jeffords und den Amboß.
»Niemand wird dich schlagen, Hellauge.«
Thomas glaubte seinen Ohren nicht trauen zu können.
»Cochise?«
Der Häuptling kam auf ihn zu. Er überragte Jeffords um Haupteslänge.
»Ich bin es«, sagte der Jefe gedämpft.
Naiche erhob sich aus seiner kauernden Stellung, kam heran und blieb hinter seinem Vater stehen. Nur Victorio ließ sich nicht blicken. Scheinbar traute er dem Friedensangebot des Weißen nicht. Mußte er nicht die Rache der Stationsbewohner fürchten, die er angegriffen und deren mühsam errichtete Bauten er zerstört hatte? Es war ein paar Monate her, aber Victorio wußte, daß die Bleichgesichter ein gutes Gedächtnis hatten.
Cochise deutete auf den jungen Krieger.
»Mein Sohn Naiche, Hellauge. Du kennst ihn, und er kennt dich.«
»Ich bin dein guter Freund, Naiche. Sei herzlich willkommen auf der Station.«
Naiche verneigte sich genauso hoheitsvoll wie sein Vater.
»Du willst Victorio die Freiheit geben?«
»Er ist bereits frei, ich brauche sie ihm nicht mehr zu geben.«
Keine Frage nach der Anwesenheit des Chiricahua-Häuptlings und seines Sohnes. Jeffords war der geborene Taktiker, der sich nichts anmerken ließ, weder Erstaunen noch Neugier.
»Der weiße Häuptling ist damit einverstanden?«
»Du meinst Captain Roberts? Ja, der Vorschlag ging von ihm aus. Er ist nicht blutrünstig und ein Freund der Apachen.«
»Er schützte mein Leben, ich weiß es.«
»Wo ist Old Vic? Ich sehe ihn nirgends.«
Cochise drehte sich um. Er sagte etwas in seiner kehligen Sprache in die Dunkelheit, aber nichts rührte sich. Ein wenig erstaunt ging er hinter die Esse.
»Victorio zog es vor, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.«
»Traut er dem Wort eines Weißen so wenig, Jefe?«
Cochise gab keine Antwort. Beim Haus ging die Tür wieder auf. Roberts kam ins Freie, um die Wachtposten zu inspizieren. Ein Schatten glitt in seiner Nähe aus einem Gestrüpp. Etwas Geschmeidiges sprang hoch und stürzte sich auf den Offizier.
Captain Roberts wurde von dem Anprall zu Boden gerissen und stieß einen unterdrückten Warnschrei aus. Indianer wie Weiße unter dem Dach der Schmiede sahen hinüber. Mit einem grunzenden Laut setzte sich Cochise in Bewegung.
In langen Sätzen lief er über den gerodeten Platz zwischen Haupthaus und Schmiede. Er stürzte sich auf die miteinander Ringenden. Für den nächsten Augenblick sahen Jeffords und Naiche nur wirbelnde Körper, zuckende Gliedmaßen, Mokassins