G.F. Barner Staffel 5 – Western. G.F. Barner

G.F. Barner Staffel 5 – Western - G.F. Barner


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tritt, ist Sumpf. Wie tief, das wissen sie nicht. Sie wissen nur, daß es Wahnsinn ist, in das Schilf zu springen, denn dann werden sie ertrinken. Nicht etwa im klaren Wasser, sondern in der sumpfigen Brühe, die Blasen wirft und stetig irgendwo ein Glucksen von sich gibt.

      Der kleine, magere Kliburn blickt nach vorn. Er kann die Bajonette sehen. Es sind sechs schöne, blanke Bajonette, die ab und zu blinken, wenn die Sonne durch die Wolken kommt.

      Sechs, denkt Kliburn, vorn sechs und hinten sechs, das sind zwölf. So wahr ich meines Vaters Sohn bin und rechnen kann, es sind nur zwölf. Und wir sind sechsunddreißig.

      36 Männer, die die Hölle ausgespuckt haben kann. Jedenfalls sagt das Master-Sergeant Ducan. Und da der alles immer weiß, so wird er auch hierin recht haben. Die Hölle hat uns ausgespuckt, wie?

      »Verdammte Mücke!«

      Der das sagt und einmal mit der Hand in seinen Nacken klatscht, ist Quincy Morgen.

      Kliburn blickt nach rechts. Die Biegung des Sumpfweges kommt. Und hinter der Biegung…

      Quincy reibt seine große, breite Hand, die die Form eines Kuchentabletts hat, an der Hose ab und sagt böse:

      »Morgen schlage ich euch alle tot. Verdammtes Mückenpackzeug!«

      Dann muß er wohl bemerken, daß der kleine, zähe Kliburn, der über ungewöhnliche Kräfte verfügt, obwohl er so klein und mager wirkt, nach vorn sieht auf jene Biegung. Und schon sagt Quincy wütend:

      »Morgen schmeiße ich Ducan rein!«

      Es ist sein Glück, daß die vorderen Posten mehr als zehn Yards und die hinteren etwa 20 Yards entfernt sind. Wenn einer von ihnen Quincy reden hörte, vielleicht würden sie Quincy wieder durch den Schlamm jagen. Und dann eine halbe Stunde später Uni-formappell machen – mit Quincy, versteht sich.

      »Quincy, sei leise!«

      »Blödsinn, hört uns ja doch keiner«, sagt Quincy Morgen verbissen. »Da ist schon wieder so ein kleines, schmutziges elendes Vieh. Es kommt, siehst du, es sucht sich meine Nasenspitze zur Landung aus, als wenn es sich nicht…«

      Kliburn sieht sich um. Und tatsächlich – es ist eine der schönsten Sumpfmücken, die sich auf Quincy Morgens Nase setzt. Dann interessiert Kliburn die Mücke nicht mehr, denn Quincys Augen erwecken seine volle Aufmerksamkeit.

      Quincy versucht mit beiden Augen nach seiner Nasenspitze zu blicken, eine Sache, die den Augäpfeln eine mehr als eigenartige Stellung gibt. In diesem Augenblick schielt Quincy wie die letzte Indianersquaw der Schielaugen-Indianer. Ob es die jemals gegeben hat, das weiß Kliburn nicht, aber bei der Armee hat man die seltsamsten Ausdrücke, dies ist auch einer.

      Dann holt Quincy aus. Er macht es langsam, denn er könnte sich mit seiner riesengroßen Hand bestimmt die Nase zertrümmern. Kliburn, der den Kopf nach hinten gewendet hat, geht einen Takt zu schnell. Darum stolpert er über Steve Mulligans rechten Hakken.

      Mulligan stolpert nun auch und fällt dann der Länge nach hin. Mitten in den schönsten Schlamm, der in einer Lache auf dem Weg ist. Dort liegt er nur einen Moment, dann schnellt er hoch und sieht Kliburn wild an. Er sieht aus wie ein Nigger.

      »Du kleiner, windiger Messerwerfer«, sagt er wütend. »Kannst du nicht aufpassen?«

      »Tut mir leid, Steve.«

      »Blöder Kerl, tut ihm leid. Als wenn dir jemals was leid täte. Paß gefälligst auf, ich bin jetzt schon dreckig wie die letzte…«

      In diesem Moment klatscht es hinter Kliburn, und Qunicy Morgen sagt befriedigt:

      »Dich kleines Luder hab’ ich erwischt, was? Von wegen Quincy in die Nase stechen, daß die wie eine Gurke aussieht, was? Morgen bringe ich euch alle um, ihr Mistviecher.«

      Dann wischt er sich über die Nase und grinst Kliburn an, der genauso weitertrottet wie Mulligan.

      »Dich trete ich noch, verlaß dich darauf«, zischelt Mulligan im Weitergehen. »Kleiner, frecher Kerl, der du bist, dich schlage ich windelweich.«

      »Laß den Kleinen in Ruhe«, meldet sich Quincy Morgen. »Du bist ein Schläger, Steve, aber faß den nicht an, wer weiß, in welchen Hals ich das ­bekomme, wie? Laß ihn in Ruhe, was ist denn schon dabei, wenn er stolpert?«

      Mulligan wirft ihm einen stechenden Blick zu und schweigt. Es ist besser, nichts mit Quincy Morgen anzufangen. Warum ausgerechnet Quincy Morgen, ein Mann wie ein Baum, eine Schwäche für den kleinen Kliburn hat, das weiß keiner, es ist aber so. Kliburn bekommt – und alle beneiden ihn darum, von Quincy Morgens selbstgebrautem Schnaps jedesmal eine Portion ab. Diese Auszeichnung erhält sonst keiner, höchstens mal Harris, der hinter Quincy marschiert.

      »Ducan möchte ich haben«, sagt Quincy Morgen hinter Kliburn fauchend. »Den möchte ich mal haben – und eine Stange, ist mir ganz gleich, was für eine Stange es ist, aber eine möcht’ ich schon haben. Und dann würde ich ihn da hinten mal eben in den Schlamm stoßen. Das möchte ich zu gern, das kannst du mir glauben, Max.«

      Maxwell Harris sieht seinen düsteren Blick und schüttelt den Kopf.

      »Du wirst ihn nie bekommen, Quincy, nicht heute, nicht morgen, nie mehr. Wir werden alle etwas bekommen, ein Stück Blei, wenn sie uns wieder nach vorn schicken, damit wir gute Soldaten sind.«

      »Morgen«, erwidert Quincy wild. »Morgen erwische ich ihn. Und dann halte ich ihn hoch und werfe ihn ins Moor, ich tue es. Morgen.«

      »Ja, morgen«, murmelt Max Harris. »Morgen – alles wird bei dir morgen sein. Du träumst, Quincy!«

      »Du nicht?« fragt Quincy heiser. »Träumst du nicht auch? Erzählst du nicht immer von Bergen, auf denen oben der Schnee liegt, du Nevada­Ochse? Bah, wenn ich dich schon reden höre, immer deine Berge. Was will ich denn mit Bergen, frage ich dich? Erstens muß man klettern, zweitens kann man nicht weit genug sehen. Wasser mußt du haben, Planken unter den Stiefeln. Irgendein Block muß knarren, ein Seil sich reiben und Wasser glucksen, verstehst du?«

      »Wasser? Hast hier auch welches, wie?«

      »Dreckwasser, Mistzeug! Das nennst du Wasser? Sumpf ist das, Sumpf, in dem man wie eine Ratte ersaufen kann.«

      Der dritte Mann hinter ihm, Dallard, sagt:

      »Du hast ein Gemüt wie ein Fleischerhund, Morgen, was?«

      »Gleich komm ich und werfe dich rein«, sagt Quincy.

      »Narr, immer sagst du dein Morgen.«

      »Was ich sage oder nicht, das bestimme ich hier, Drückeberger, ist dir das langsam klargeworden?« fragt Quincy scharf. »Wenn du unseren Stall heute wieder nicht saubermachst, dann passiert dir was. Darüber denke mal nach.«

      Daraufhin schweigt Dallard und schlägt nur etwas zu heftig nach einer Mücke, die sich auf sein linkes Handgelenk gesetzt hat. In diesem Schlag liegt die ohnmächtige Wut, die er seit Tagen auf Quincy mit sich herumträgt.

      Quincy hat ihn dabei erwischt, wie er nachts heimlich an Mulligans Maisbrot gegangen ist. Mit dieser Entdeckung haben sie alle endlich gewußt, wer ihnen immer Essen stiehlt. Zuerst haben sie Dallard verprügeln wollen, dann aber gemeinschaftlich das Urteil gefällt: Dallard das Zeltinnere sechs Wochen säubern zu lassen, die beste Strafe für Dallard, der sich sonst dauernd drückt.

      Vor ihnen liegt nun das Sumpfgelände, jene Wiese, die sie mit einem Grabensystem durchziehen sollen, um sie zu entwässern. Sie haben sogar Schienen und Loren, um einen Damm zu bauen. Jedoch ist es eine völlig sinnlose Arbeit, denn das nächste Hochwasser reißt den kaum befestigten Damm sicher wieder ein.

      Die Kolonne marschiert, 36 Mann, die alle etwas ausgefressen haben, denn umsonst kommt niemand nach Camp Seeblick, bestimmt nicht. Einer hat einen Vorgesetzten fast erstochen, ein anderer hat versucht, die Armee zu verlassen. Der nächste hat bei Zivilisten geplündert. Und so weiter… Jeder hat etwas ausgefressen, was ihn in das Strafcamp Seeblick gebracht hat.

      Sam Kliburn, der Mann, der am Rio Grande aufgewachsen ist und


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