Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha
die Augen tief gesenkt. Mechanisch setzte sie die Füße vor – und dann hörte sie wie aus weiter Ferne seine Stimme:
»Liebe Freunde! Wenn ich heute das Vergnügen habe, Sie bei mir zu sehen, dann hat das einen bestimmten Grund.
Ich gestatte mir, Ihnen meine Verlobung mit Fräulein Jutta Dahlen bekanntzugeben.«
Andersen verneigte sich nach allen Seiten. Die Diener füllten die Gläser, und erst nach und nach löste sich die Erstarrung, die über den Gästen gelegen.
Totenbleich stand Jutta neben Andersen, ließ sich willenlos das Glas in die Hand geben – und hob endlich die Augen.
»Auf dein Wohl, Jutta!«
Andersen neigte sich zu seiner Braut – er hielt ihr starres Wesen für Ergriffenheit. Und dann nahten die Gäste, ihre Glückwünsche anzubringen.
Als einer der letzten stand Klaus Heimburg vor Jutta. Das erquälte Lächeln um ihren Mund erstarb.
In seinem Gesicht lebten nur die Augen – ein wilder Schmerz lag darin.
Jutta sah seinen Blick, der an ein weidwundes Tier gemahnte. – Warum sprach er nicht? Was sollte der schwere Vorwurf in seinen Augen bedeuten?
Härtig ahnte eine Tragödie und bemerkte, daß die Umstehenden aufmerksam wurden.
Erbarmen mit dem prächtigen Kameraden erfaßte ihn. – Unbemerkt stieß er Klaus an.
Heimburg zuckte zusammen, verbeugte sich ehrerbietig, murmelte einen Glückwunsch und brachte sein Glas dem ihren nahe.
Da – ein Fall – Springen von Glas!
Andersen drehte sich rasch seiner Braut zu – ihr Glas lag in Scherben am Boden. Sie selbst wankte, aber da legte Andersen bereits den Arm um sie, während Härtig Klaus Heimburg schnell mit sich fortzog.
»Du siehst blaß aus, Jutta«, sagte er gütig zu ihr. »Fühlst du dich nicht wohl?«
Matt lächelte sie ihn an.
»Verzeih, Ullrich! Die vielen Menschen – aber wir haben es ja bald hinter uns!«
Schon nahmen die Gäste ihre Plätze ein – die Tafel begann. Jutta nippte nur an den Speisen, jeder Bissen würgte sie, immer fühlte sie Klaus Heimburgs vorwurfsvollen Blick auf sich ruhen.
Aber niemand ahnte, daß ihr das Herz blutete.
*
Hermine von Erlstett hob die Tafel auf. Die Gäste verteilten sich.
Reinhold Pegau schlenderte durchden riesigen Park. Alle Leidenschaft war bei Juttas Anblick in ihm erwacht. – Daß sie nun einem anderen gehörte, erfüllte ihn mit ohnmächtigem Zorn.
Vergebens hatte er versucht, mit seiner Mutter einige Worte zu wechseln; sie war jedoch zu sehr in Anspruch genommen.
Schon wollte er zur Gesellschaft zurückkehren, als der Kies unter einem leichten Tritt knirschte. – Hermine von Erlstett kam schnell auf ihn zu.
»Endlich finde ich einige Minuten Zeit, mich dir zu widmen! Komm, setzten wir uns auf diese Bank. Hast du eine Zigarette für mich?« fragte sie, seltsam erregt.
Pegau reichte ihr das Etui und gab Feuer. Nach einigen Zügen stieß sie hervor:
»Was sagst du zu dem unverschämten Glück, das Jutta in den Schoß gefallen ist? Wenn ich das geahnt hätte – ich wäre dem Rummel ferngeblieben!«
»Was bestimmt ein Fehler gewesen wäre«, warf Pegau ein.
»Sag mal, hast du noch nicht empfunden, daß ich nur im Schatten meiner Nichte leben darf? Unsereins muß stets zurückstehen, während sie überall glänzt!«
»Ich wüßte schon einen Rat, der dir aus all deinen Nöten heraushelfen würde!«
»Da bin ich wirklich neugierig!«
»Hast du nie daran gedacht, Bernhard Dahlen für dich zu gewinnen?«
Ihr Gesicht wurde um einen Schein blasser.
Plötzlich brach sie in ein grelles Lachen aus.
»Hahaha – das war das Ziel meines Lebens! – Übriggeblieben ist nichts als – die Hausdame!«
Hermine lief ein paarmal hin und her. Dann nahm sie wieder Platz und sagte grübelnd:
»Jutta geht bald aus dem Haus – es ist dann ein Aufpasser weniger – sollte es mir nicht doch noch gelingen?«
Mit aller Beredsamkeit sprach sie auf ihn ein, und das hob ihr Selbstbewußtsein wieder.
»Ja!« Entschlossen richtete sie sich auf. »Ich werde meine alte Macht noch einmal spielen lassen – zu verlieren habe ich doch nichts dabei! – Übrigens, wie weit bist du wegen der Erfindung mit Dahlen gekommen?«
In seinen Augen blitzte es voll Gier auf.
»Dahlen gibt zwanzigtausend Mark! Bald erhalte ich das Geld.«
Lauernd betrachtete er sie. – Und schon sagte sie: »Unser Geld!«
Pegau lachte auf. Sie war wirklich klüger als er.
Seine Finanzen konnten eine Aufbesserung gut vertragen.
In bestem Einvernehmen trennten sie sich – und bemerkten nicht die Gestalt, die hinter dem Gebüsch hervortrat und ihnen nachsah.
Klaus Heimburg, der dem Trubel entflohen war, war wie ein Traumwandler auf den Weg gekommen, der zu der Bank führte, wo Reinhold und seine Mutter saßen.
Schon wollte er umkehren, wurde aber plötzlich durch ein unerklärliches Gefühl veranlaßt, Zuhörer zu spielen. – Da erkannte er die beiden Menschen an den Stimmen, die sich über eine Erfindung unterhielten. So sehr er sich aber anstrengte, er konnte sich kein klares Bild machen, worum es sich handelte.
Vollkommen überrascht war er über das vertrauliche Benehmen der beiden zueinander. – Sie duzten sich! – Standen sich Reinhold Pegau und die Schwägerin des Chefs denn so nahe?
Nachdem beide gegangen waren, ließ sich Klaus dort nieder, wo Hermine und Pegau gesessen hatten. Er war kaum fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. – Was er in letzter Zeit durchlitten hatte, war mehr, als ein Mensch zu tragen vermochte.
»Jutta! Jutta!« stöhnte er qualvoll auf.
Zur Verlobung der Frau war er gekommen, die ihm das Herzlichste auf der Welt dünkte. – Um ihr Herz zu gewinnen, hätte er jedes Opfer auf sich genommen – und nun hatte er sie an einen anderen verloren! – Und diesen Mann konnte er nicht einmal hassen.
Ekel vor sich, vor der ganzen Welt erfaßte ihn.
Was wollte er noch hier? – Noch länger das Glück des anderen mitansehen? – Nein! Das ging über seine Kraft! Irgendeine Ausrede würde sich schon finden, und ein Wagen auch, der ihn nach Narbach brachte. Am liebsten wäre er jedoch dorthin gefahren, woher er gekommen war.
Leise Töne erklangen – die Kapelle spielte zum Tanz. Klaus biß die Zähne zusammen – ein Bild der Vergangenheit stieg vor seinen Augen auf.
Klaus hielt Jutta im Arm, tanzte mit ihr über das Parkett – und die Musik spielte sehnsuchtsvoll:
›Wie ein Wunder kam die Liebe über Nacht!‹
»Jutta – Jutta!«
Der laue Abendwind trug den geliebten Namen davon – zurück blieb nichts als die bittere Erkenntnis, daß nun all seine Hoffnung dahin war.
»Nein, Klaus!« Eindringlich sagte er es zu sich selbst. »Du läßt dich nicht unterkriegen von dieser Liebe! Kopf hoch! Das Leben zerbricht einen nicht so leicht!
Heimburg erhob sich und schritt davon.
Plötzlich blieb er stehen. – War das nicht ein Schrei gewesen – ein Schrei aus einem Frauenmund?
Von heißer Angst getrieben eilte er vorwärts.
»Sofort