Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha
hervor. »Man muß Hermine von Erlstett bewundern, mit welcher Schlauheit sie ihrem Sohn den Weg ebnete!«
Lange sah er starr vor sich hin – aber das Bild wurde doch nicht klarer, das ihm vorschwebte. –
»Was beschäftigt dich noch, Klaus?« mahnte die Mutter leise.
Er fuhr aus seinem Sinnen auf.
»Du sollst auch meinen letzten Gedanken kennenlernen«, antwortete Klaus. – »Ich wurde heute ungewollt Zeuge einer Unterhaltung zwischen den beiden – und da war dauernd die Rede von einer Erfindung und Geld, das Dahlen Beben will. Nun denke ich darüber nach, was die aushecken werden. Gutes bestimmt nicht.«
Von heißer Angst getrieben, bat sie flehend:
»Begib dich in keine Gefahr, Klaus! Ich kenne die Frau wie keiner! Sie ist zu allem fähig.«
Er lächelte nachsichtig.
»Keine Angst, Mutter, ich beobachte aus sicherem Hintergrund – aber wehe ihnen, wenn sie eine Schurkentat planen!«
Sie machte nochmals den Versuch, ihn umzustimmen.
»Klaus, kannst du dich nicht eher von den Dahlen-Werken lösen? Ich habe Angst um dich. Mir ist, als drohe dir Unheil!«
Er lachte dazu.
»Ach, du siehst überall Gespenster! Komm, kleine Mama, noch nicht einmal richtig begrüßt habe ich dich vor lauter Jammerei.«
Er küßte sie herzhaft – und Frau Heimburg spürte, wie es aus Klaus’ Augen naß über ihre Wangen lief.
Klaus hatte seine Mutter vor ihre Zimmertür begleitet und war still in sein Zimmer zurückgekehrt.
Dort begann er eine endlose Wanderung. Müde wollte er werden – aber es kam kein Schlaf, der ihm das qualvolle Denken erspart hätte.
Frau Heimburg lauschte auf das ruhelose Wandern ihres Sohnes. Die Minuten wurden zu Stunden. – Noch immer war er nicht zur Ruhe gekommen. Endlich – das Zimmer lag bereits in grauem Dämmerlicht –, hörte das Geräusch auf.
Sie erhob sich von ihrem Lager, warf sich einen Umhang um und suchte sein Zimmer auf.
Leise drückte sie die Klinke nieder und hatte Mühe einen Schrei zu unterdrücken.
Im Lehnstuhl am Fenster saß ihr Sohn. Der Kopf war ihm auf die Schulter gefallen – er bot ein Bild völliger Erschöpfung.
Mitleidig holte sie eine Decke und legte sie über ihn. Da wich sie entsetzt zurück – das Haar an den Schläfen hatte sich in dieser Nacht weiß gefärbt.
Das Leid hatte ihn gezeichnet – wie einst auch sie! –
*
Als Jutta am nächsten Tag ihr Bürozimmer betrat, blieb sie wie gebannt in der Tür stehen. Ihr Arbeitsplatz glich einem Blumengarten. Arbeiter und Angestellte brachten ihre Glückwünsche in dieser Weise dar.
Später ging sie am Arm des Vaters in die Montagehalle und dankte den Arbeitern herzlich für ihre Aufmerksamkeiten. Die gesamte Belegschaft hatte sich dort versammelt – unter ihnen Klaus Heimburg!
Mit unbeweglichem Gesicht lauschte er ihrer Stimme und wunderte sich, daß er so ruhig sein konnte.
Die Arbeiter zerstreuten sich wieder. Jutta verließ mit ihrem Vater die Halle, und Klaus suchte an Härtigs Seite sein Büro wieder auf.
Wenn er nicht diesen eisernen Willen gehabt hätte – er wäre ohne Kündigung davongegangen!
*
In den Dahlen-Werken war etwas von Reinhold Pegaus Erfindung durchgesickert. Noch wollte man nicht recht daran glauben.
Auch Klaus Heimburg hatte davon gehört.
Nachdenklich saß er Härtig gegenüber, der auch ziemlich erstaunt vor sich hinstarrte.
»Was sagen Sie, Heimburg? Ist mein Mißtrauen gegen diesen Mann berechtigt gewesen?«
»Tja«, meinte dieser, »darüber denke ich auch eben nach. Es will mir nicht in den Kopf, in Pegau einen Erfinder zu sehen.«
»Wenn das nur keine Schiebung ist!« ließ sich Härtig wieder vernehmen.
Klaus sah überrascht auf. »Was meinen Sie damit?«
»Na, es könnte ja sein, daß die Schwägerin Dahlens, Hermine von Erlstett, Pegau einmal wieder in den Vordergrund stellen wollte.«
Klaus horchte auf. – Ganz scharf mußte er auf dem Posten sein, wenn er der Sache auf den Grund kommen wollte.
Doch dann sagte er sich: was geht mich die Angelegenheit an? Glücklicher werde ich dadurch auch nicht – Jutta ist mir so und so verloren! – Aber gleich verwarf er diesen Gedanken wieder. – Nein, hier ging es um mehr: es hieß eine Schurkerei aufdecken! – Er hatte nach wie vor den Eindruck, daß Pegau nicht der war, als den er sich aufspielte.
Klaus sah auf den Kalender. Heute war der 31. August.
»Haben Sie eine Ahnung, ob der Chef in seinem Büro ist?« fragte er Härtig.
»Ja, ich habe ihn über den Gang gehen sehen.«
Klaus stand auf.
»Dann werde ich gleich mein Anliegen vorbringen.«
»Wollen Sie sich auch einmal etwas ausbitten?«
»Ja!« antwortete Klaus hart. »Meine Entlassung!«
Härtig fuhr in die Höhe. »Sind Sie nicht mehr zufrieden mit Ihrer Stellung?«
»Doch!« antwortete Klaus kurz.
Da schwieg Härtig. – Wie konnte er nur so taktlos fragen. Er wußte doch längst, wie es um Heimburg bestellt war.
Er kam um den Schreibtisch herum.
»Heimburg! Können Sie sich noch auf den Tag besinnen, an dem Sie um Ihre Anstellung baten?« Klaus nickte.
»Sehen Sie – damals ist es Ihnen gelungen, den alten Härtig für sich zu gewinnen und Sie haben mit mir im Interesse des Werkes geschuftet. Ich bin in den Dahlen-Werken grau geworden, habe viele Männer kommen und gehen sehen; und von manchem ist mir, der Abschied schwer geworden. – Bei Ihnen tut es mir aber geradezu weh! – Jawohl, Heimburg, Sie sind mir ans Herzgewachsen – wie ein eigener Sohn!«
Die warmen Worte taten Heimburg wohl. Herzlich drückte er die ihm gereichte Hand. Was sollte er darauf erwidern? Es blieb doch dabei! Er hatte in den Dahlen-Werken nichts mehr zu suchen!
»Vier Wochen bleiben wir immerhin noch zusammen, denn ich muß ja meine Kündigungsfrist einhalten«, sagte Klaus wie zum Trost. Dabei bedachte er, daß die Woche sieben Tage hatte – und jeder Tag voll unendlicher Qual für ihn sein würde.
*
Jutta saß in Gedanken versunken am Schreibtisch, was in den letzten Tagen selten vorgekommen war. Wie zur Betäubung hatte sie sich in die Arbeit gestürzt und dabei ihre Ruhe wiedergefunden.
Aber diese war plötzlich dahingeschwunden durch einen Brief von Ullrich Andersen. Darin hieß es:
»… und so bitte ich Dich, Liebes, bringe einem einsamen Menschen das Glück!
Laß uns das Aufgebot bestellen, damit ich Dich in spätestens vier Wochen nach Harlien heimholen kann.
Ich habe Dich bisher bewundert, daß Du als Frau Deine Pflichten in den Dahlen-Werken so ernst nahmst. Jetzt hat der Gedanke etwas Quälendes für mich, wenn ich mir vorstelle, wie Du Tag für Tag im Büro sitzt.
Ganz im geheimen habe ich den heißen Wunsch, Du möchtest mich in Berlin überraschen und Dich von mir verwöhnen lassen. – Aber das wäre zuviel des Glücks.
Mein Haus ist zu Deinem Empfang gerüstet. – Ich fordere nichts – ich wünsche nur! Wie Deine Entscheidung auch ausfallen möge, ich werde mich damit bescheiden!«
Jutta rang