Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha
riesige Schreibtisch war zwar völlig überflüssig in dem Raum, denn er diente Reimer nicht zu ernster Arbeit. Die gab es nicht in seinem Leben. Dafür aber luden gemütliche Ecken zum Ausruhen ein.
Beim Fenster ließen sich die beiden Männer nieder und versorgten sich mit Zigaretten.
»Nimmt dich deine Tochter eigentlich so sehr in Anspruch?« brach Kraner das Schweigen.
Reimer nickte. »So ist es.«
»Weshalb hast du sie denn nicht mit hierhergebracht?« forschte Kraner weiter.
Ein merkwürdiger Blick traf ihn aus Reimers Augen.
»Nun ja, sie gefällt mir«, bekannte der. In Reimers Augen blitzte es auf. Aha! Also hatte er richtig getippt! Kraner war verliebt in Angela.
Blitzschnell überschlug er, was ihm daraus für Vorteile erwachsen könnten. Rudolf Kraner war zwar vorläufig noch sehr von seinem Vater abhängig, denn der Alte hielt das Steuer fest in den Händen. Aber als einziger Sohn wurde er doch einmal Besitzer der Kraner- Werke.
»Das glaube ich, Angela gefällt noch anderen außer dir«, meinte er leichthin.
»Du hast wohl bereits eine passende Partie für das Mädel ausgesucht?« fragte Kraner in atemloser Spannung.
»Ich?« Reimer tat erstaunt. »Wie käme ich dazu? Angela ist mir ziemlich fremd geworden. Überdies ist das Mädel mit größter Vorsicht zu genießen.«
Überrascht beugte sich Kraner vor.
»Du stehst nicht besonders gut mit ihr? Das ist schade!«
Reimer merkte, daß er eine Dummheit begangen hatte. Er versuchte, das seltsam anmutende Verhältnis zu erklären.
»Ich war nicht lange mit Angelas Mutter verheiratet, und da sie sehr stolz war und jede Unterstützung für sich und das Kind ablehnte, so viel Mühe ich mir auch gab, wurde mir auch die Gelegenheit aus der Hand gewunden, das Mädel von Zeit zu Zeit zu sehen. Außerdem befand ich mich viel auf Reisen. Du warst ja zugegen, als der Zufall mir Angela in den Weg führte. Es hat mich sogar peinlich berührt, eine so erwachsene Tochter zu haben…«
»Vor allem eine so schöne«, warf Kraner begeistert ein. »Du wirst das Interesse an ihr doch nicht wieder fallenlassen?«
»Das gewiß nicht«, erwiderte Reimer und dachte an seine Pläne. »Nur nicht so eilig, lieber Freund. Angela ist stolz und unnahbar. Ich muß mit größter Vorsicht vorgehen. Wenn ich nur wüßte, wie ich sie an mich fesseln könnte!«
»Schenk ihr ein Auto«, meinte Kraner.
Reimer lachte hellauf.
»Gar nicht so übel, nur habe ich anders disponiert mit meinen Geldern.«
»Das ist doch das wenigste«, wehrte Kraner ab. »Wenn du willst, stell ich dir meinen Wagen zur Verfügung. Das Mädel braucht es ja vorläufig nicht zu erfahren. So etwas macht immer Eindruck auf junge Mädchen.«
»Das würdest du tun?« fragte Reimer ungläubig.
»Für deine Tochter – ja! Ich sagte dir schon, sie gefällt mir.«
»Danke!« sagte Reimer kalt. »Für einen Flirt ist mir das Mädel wirklich zu schade!«
»Wer sagt denn das!« brauste Kraner beleidigt auf. »Man hat doch lange genug von den Freuden des Lebens genippt. Mein Vater würde eine solche Schwiegertochter bestimmt mit Kuß-hand aufnehmen. Ich glaube, er würde sogar dich als Zugabe mit in Kauf nehmen…«
Reimer sprang so heftig in die Höhe, daß Kraner jäh abbrach.
»Sehr großmütig von dir und deinem Alten«, stieß er zornbebend hervor. Mit einer fahrigen Bewegung warf er die angerauchte Zigarette in die Schale, lief ein paarmal durch das Zimmer und blieb dann mit blassem Gesicht vor dem Überraschten stehen. Mit einem verachtungsvollen Blick maß er die schon etwas zur Fülle neigende Gestalt des Mannes, von dem er angenommen hatte, daß er ihm ein Freund geworden war. Er betrachtete ihn wohl erstmalig mit kritischen Augen. Zehn Jahre jünger als er mochte Kraner sein, aber er sah bedeutend älter aus mit seinen schwammigen, energielosen Zügen und den Tränensäcken unter den Augen.
Nur eine tadellose Garderobe erweckte auf den ersten Blick den Anschein echter Jugendlichkeit.
Wenn auch die Kraner-Werke mit ihrem Weltruf hinter ihm standen und somit eine glänzende, aussichtsreiche Zukunft, Reimer kroch es doch wie Frösteln über den Rücken, stellte er sich Angela, das unerfahrene, bildschöne Geschöpf, neben Kraner vor, dessen Skrupellosigkeit er zur Genüge kennengelernt hatte. Und nun eröffnete er ihm auch noch in zynischer Offenheit, daß er ihn als lästige Zugabe betrachtete!
»Du scheinst dir deiner Sache bereits sehr sicher zu sein, mein Lieber«, spöttelte er in einem Ton, der sogar den Mann, dem die Worte galten, aus seinem Phlegma riß. »Leider hast du dich verrechnet. Ich verzichte auf die hohe Ehre, mit dir in ein verwandtschaftliches Verhältnis zu kommen. Schließlich hat auch meine Tochter ein wenig Anrecht auf Jugend, und die hast du ja längst hinter dir. Nee, mein Bester, so habe ich mir die Sache nicht vorgestellt. Gottlob habe ich hier auch ein Wort mitzureden, und ich kann dir nur sagen, deine Aussichten sind verdammt schlecht.«
Kraner saß mit hochrotem Gesicht da und biß auf seiner Unterlippe herum. Da hatte er sich entschieden im Ton vergriffen.
»Ich habe noch gar nicht gewußt, daß du auch empfindlich sein kannst. Na«, er versuchte einen gutmütigen, versöhnlichen Ton anzuschlagen, »so böse habe ich’s ja nicht gemeint. Du wirst es dir überlegen. Schließlich sind die Kraner-Werke ein nicht zu verachtender Faktor, und mein Alter hat auch nicht das ewige Leben. Ein Direktorposten wäre dir sicher.«
»Danke!« erwiderte Reimer kalt. »Ich bin kein Köter, den man schlagen kann und dem man dann einen Leckerbissen vor die Nase hält. Jedenfalls falle ich darauf nicht herein, das sollst du wenigstens wissen, auch daß ich ganz andere Pläne mit meiner Tochter habe.«
Reimer trat ans Fenster und beachtete seinen Besucher nicht mehr, so daß sich dieser wohl oder übel verabschieden mußte. Er tat es mit einem verlegenen Lächeln und glich eher einem dummen Jungen als einem selbstsicheren, gewandten Weltmann.
»Menschenskind, Reimer, du hast mich ja wirklich vollständig falsch verstanden!«
»Schon gut – schon gut«, wehrte Reimer mit einer ungeduldigen Handbewegung ab. »Wir verstehen uns sogar sehr gut.«
»Wiedersehen, Reimer! Du wirst wieder von mir hören«, sagte Kraner von der Tür her. »Soviel mir bekannt ist, will Vater die Vertretung in Baden-Baden neu vergeben. Ich hatte dich vorgeschlagen.«
»Sehr liebenswürdig«, erwiderte Reimer höhnisch. »Habe aber jedes Interesse daran verloren. Meine Anwesenheit ist hier viel, viel nötiger.«
Ohne Händedruck, mit einer gegenseitigen knappen Verbeugung, schieden die beiden voneinander.
Als Reimer allein war, begann er wieder seine unruhige Wanderung. »Lockmittel!« preßte er grimmig hervor und lachte rauh auf.
*
Bettina hatte die letzte Hand an das Mittagsmahl gelegt und gab das Gemüse für Klein Klausi auf den Teller, als sie Angela endlich heimkommen hörte.
Sie lächelte und wartete, bis das Mädel zu ihr gelaufen kam, um lachend zu fragen, was es zu essen gäbe, aber Angela kam nicht. Frau Bettina lauschte auf die sich entfernenden Schritte und verließ dann mit dem Tablett die Küche.
Sicher ist Angela sofort in das Kinderzimmer gegangen, dachte sie, während sie die Treppe hinaufstieg.
Doch auch da war Angela nicht.
Klein Klausi streckte vom Schoß des Kinderfräuleins die dicken Ärmchen verlangend nach ihr aus, und sie lächelte dem Kind herzlich zu.
»Tante Bettina!« jubelte Klaus, und er gab nicht eher nach, bis Bettina ihn hochgenommen und herzhaft geküßt hatte.
Beunruhigt verließ Bettina