Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha
ihr Ehrgeiz nicht zu.
»Und – und wo finde ich Sie, falls…«
»Im Hause natürlich auf irgendeiner Station«, murmelte er und wühlte in dem Regal. »Sie können mich auch telefonisch erreichen. Auf Station zwei weiß man immer, wo ich stecke.«
»Danke!« sagte sie leise, dann klappte die Tür hinter ihm ins Schloß.
Ein etwas schwierig zu behandelnder Mann, dachte sie verzagt. Erinnerte sie sich aber des Professors, so überlief sie eine Gänsehaut.
Dann riß sie sich von allen Zweifeln los, dachte an die guten Ratschläge, die die Mutter ihr mitgegeben hatte, und machte sich dann mutig an die Arbeit.
Indessen war Dr. Peter Heykens mit seinem Ärztestab von einem Bett zum andern gegangen und hatte das liebreizende Mädchen aus dem Sekretariat völlig vergessen.
Zuletzt trat er in ein Zimmer, in dem ein Mann mit wächsernem Gesicht im Streckverband lag. Der Patient begann sofort, laut zu stöhnen, als sich die Tür öffnete und der Arzt mit seinem Gefolge eintrat.
»Na, Herr Reimer«, rief er dem Mann freundlich zu, obgleich er eine unüberwindbare Abneigung gerade gegen diesen Patienten hatte, der sich alles andere als tapfer zeigte. »Noch nicht ein bißchen mutiger? Wenn wir lauter solche Patienten hätten, die nicht einmal Geduld für einen Heilungsprozeß aufbringen, dann müßten wir Ärzte ja mit verstopften Ohren herumlaufen.«
»Machen Sie mich doch gesund!« preßte Udo Reimer wütend hervor. »Ich habe keine Zeit, hier untätig zu liegen!«
»Hören Sie mal, mein Lieber«, sagte der Arzt gelassen, »hätten Sie sich mehr Zeit zum Autofahren gelassen, dann bräuchten Sie jetzt nicht wochenlang bei uns zu sein.«
Daß sein Ton an diesem Krankenbett etwas schärfer war als gewöhnlich, hielten seine Begleiter für ganz in Ordnung. Einen unleidlicheren Kranken als diesen Reimer hatte man noch nie hier gehabt.
Jetzt traf den Arzt und dessen Begleitung ein schneller, böser Blick aus Reimers tiefliegenden Augen.
»Sie haben mir versprochen, meinen Freund Kraner zu mir zu legen«, sagte er aufgeregt. »Das sollte wohl nur ein Trost sein? Ich halte das Stilliegen einfach nicht aus! Verrückt werde ich hier noch – außerdem die gräßlichen Schmerzen!«
»Das glauben wir Ihnen schon«, nahm Dr. Heykens etwas milder gestimmt das Wort. »Man verschafft Ihnen aber doch alle erdenkliche Erleichterung. So viel Gefühl haben wir auch, um einzusehen, daß Sie augenblicklich in einer verzweifelten Lage sind. Mit diesem Gefühl kommen wir aber nicht allein vorwärts, vor allem, wenn Sie schnell gesund werden sollen. Da müssen Sie in erster Linie alle Anordnungen befolgen und sich nicht wie ein ungezogenes Kind dagegen auflehnen.«
Nichts als Widerwillen lag in Reimers Blick, mit dem er die Ärzte maß.
»Wie ist das nun – wollen Sie meinen Freund Kraner zu mir legen? Ich brauche etwas Unterhaltung.«
»Das war es ja eben, was wir unter allen Umstanden vermeiden wollten«, meinte der Arzt ruhig. »Sie hat es bei dem Unfall weitaus mehr betroffen als ihren Freund, folglich brauchen Sie vorerst die größte Ruhe. Wenn Sie aber soweit sind, erfüllen wir Ihnen gern Ihren Wunsch. Herr Kraner wird noch heute zu Ihnen gebettet.«
Ungeheurer Neid und Ärger beherrschten Reimer, als er hörte, daß Kraner weniger schwer verletzt war als er.
Am Nachmittag wurde dann Ernst Kraner in Reimers Zimmer gebettet. Er hatte bei dem Unfall eine schwere Kopfverletzung davongetragen und lange Zeit bewußtlos gelegen.
Im Gegensatz zu Reimer war er ein stiller, geduldiger Patient. Zum ersten Mal war etwas wie Reue in seinem Innern. Dieses Gefühl wurde noch erheblich verstärkt, als er Reimer so hilflos neben sich liegen sah.
Zunächst blieb er stumm, er kannte ja Reimers Einstellung nach diesem Unglück noch nicht, und auch Reimer schwieg. Lange konnte dieser aber mit seinen Vorwürfen nicht zurückhalten. Wenn er sich auch in den Stunden des Alleinseins in eine fürchterliche Wut gegen den Freund hineingesteigert hatte, im Augenblick war sie etwas gedämpft dadurch, daß Kraner nun bei ihm war und er nicht mehr allein zu sein brauchte. Zudem war er klug genug, den Bogen nicht zu überspannen, damit man Kraner nicht wieder hinausbrachte
Trotzdem zischelte er oft genug zu Kraners Bett hinüber, was dieser widerspruchslos hinnahm, ja, er entschuldigte sich auch noch in demütiger Weise.
»Laß gut sein, Reimer«, antwortete er schließlich. »Ich werde dich für diese Leidenszeit zu entschädigen versuchen. Ich weiß auch nicht, wie das Unglück so schnell geschehen konnte. Waren die Wochen vorher, die wir gemeinsam auf unserer Reise verlebt haben, nicht schön? Ich bin schon froh, daß das Unglück in München geschah, vielleicht kannst du deine Tochter einmal bitten, uns zu besuchen.«
Reimer lachte rauh auf.
»Daß dir die Liebesgedanken noch immer nicht vergangen sind!«
Kraner richtete den Blick zur Decke empor. Viele Gedanken waren ihm während seines Schmerzenslagers durch den Kopf gegangen. Alles, was er dem Leben abgejagt, hatte einen faden Geschmack auf der Zunge zurückgelassen.
Wie hatte er nur in ein solches Leben hineingeraten können? Viel Schuld trug der Verkehr mit Renner, darüber war er sich klar geworden, und wenn er sich jetzt nicht von ihm löste, dann nur wegen des unstillbaren Wunsches nach dem Besitz des schönen, zarten Mädchens, das ausgerechnet die Tochter des Freundes sein mußte.
»Ich habe sehr viel über die Liebe nachgedacht…«
Reimers abermaliges Lachen schien ihn nicht zu stören, denn er sprach ohne jegliche Stockung weiter:
»… und bin zu der Überzeugung gekommen, daß alles vorher ein Irrtum war, jedenfalls mit Liebe hatte es nichts zu tun. Wenn Angela meine Frau wird, dann werde ich ein anderer Mensch, das weiß ich ganz gewiß. Sie soll es gut bei mir haben und sich nicht über mich zu beklagen brauchen.«
Reimer kam dieser Umschwung so überraschend, daß ereinfach dazu schwieg.
Es war schließlich auch kein Fehler, wenn Kraner Angela gut behandeln wollte. Für ihn war nur ausschlaggebend, daß Ernst sich nicht anders besonnen hatte, sondern, wie es schien, sich mehr denn je an die Hoffnung klammerte.
»Wenn man wenigstens nicht untätig hier liegen müßte!« jammerte er. »Wer weiß, was indessen draußen alles vorgeht! Ich glaube, bei Angela ein schönes Stück vorwärtsgekommen zu sein. Und nun muß dieser verdammte…«
Kraner schwieg zu diesem neuen Wutausbruch. Er dachte anders über das, was geschehen war.
»Schuld tragen wir beide, wenngleich ich freiwillig die Hauptschuld auf mich nehme«, sagte er nach einer Weile. »Denk an die durchjubelte Nacht, die hinter uns lag. Aber du wolltest ja durchaus heim, und ich tat dir den Gefallen. Noch nicht ganz klar im Kopfe, dazu die Müdigkeit, die mir in den Knochen lag – so kam es…«
»… daß der Baum uns zum Verhängnis wurde«, vollendete Reimer grimmig und stöhnte wieder laut auf, von neuen Schmerzen gequält.
Die Schwester kam ins Zimmer und bat:
»Sie dürfen keine so lebhafte Unterhaltung führen, meine Herren. Sie haben ja beide ganz rote Köpfe bekommen. Wie soll ich das vor Dr. Heykens verantworten? Also bitte, lassen Sie eine Pause eintreten und schlafen Sie etwas.«
Kraner schloß gehorsam die Augen. Unerträglich wurde ihm die nörgelnde Art Reimers. Er sehnte sich nach Ruhe. Es ließ sich so gut an Angela denken und wie es wohl sein mochte, wenn sie als seine junge, süße Frau in dem großen, vornehmen Haus schalten und walten würde.
*
Über Erwarten gut war Angelas erster Arbeitstag in der Privatklinik Langhammers verlaufen. Um sechzehn Uhr war ihr Dienst zu Ende, und ein paar Minuten später verließ sie das Grundstück.
Sie war unschlüssig gewesen, ob sie heimgehen durfte oder sich vorher bei Dr. Heykens abmelden mußte.
Und