Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman - Karin Bucha


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Ach, sie weiß nicht, was richtig ist. Sie weiß nur, daß sie diesen Mann, der so unverhofft in ihr Leben getreten ist, liebt und immer lieben wird.

      »Was siehst du mich so überlegend an?« fragt er lächelnd.

      »Hast du nicht vorhin behauptet, ich hätte einen Wunsch bei dir gut?«

      »Das habe ich, Leonore. Hast du einen?«

      Sie nickt. »Einen einzigen! Laß uns schnell heiraten und nicht warten, bis sich der Erfolg bei dir einstellt. Was mein ist, ist auch dein. Bitte!«

      Sie spürt, wie seine Glieder steif werden und der Griff seiner Hand sich lockert.

      »Leonore, daß du mich so schnell beim Wort nimmst!«

      »Bitte, Liebster«, flüstert sie und schmiegt ihre Wange an seinen Arm. Wie ein liebebedürftiger kleiner Hund reibt sie ihr Gesicht dagegen. Seine Hand fährt liebkosend über das weiche, glänzende Haar. So vieles steht gegen ihre Bitte. Nicht der Altersunterschied, aber sein Stolz, von ihrer Güte, ihrem Gelde leben zu müssen. Er atmet schwer. Sie spürt seinen Kampf und läßt ihm Zeit.

      Lange sitzen sie schweigsam nebeneinander, fühlen beglückt eines die Nähe des anderen, und dann spricht sie leise in die Stille hinein.

      »Meine Bekannten beginnen mich langsam aufzuziehen. Sie wissen nichts von dir, aber sie ahnen irgend etwas. Ich wäre so glücklich, dich ihnen als meinen Mann vorzustellen. Auch unser Zusammenleben wäre ein anderes. Du wärest mein Schutz, mein Halt. Wenn ich – auch keine Sorgen habe, Gert, aber Einsamkeit kann schmerzlich sein. Ich möchte mich in aller Öffentlichkeit zu dir bekennen. Verstehst du das denn nicht? Ach, Gert, was zögerst du noch? Ich liebe dich – und du mich doch auch. Oder etwa nicht?«

      Er zieht sie zu sich empor und küßt sie lange und leidenschaftlich. Alle aufgespeicherte Liebe fließt in diesen endlosen Kuß über. Alles schwemmt er hinweg, seine Bedenken, ja seinen Stolz, die Abhängigkeit von ihr, die ihm manchmal arg zusetzt.

      »Gut, Leonore«, sagt er endlich, als er ihren Mund freigegeben hat und sie zärtlich an sich gepreßt hält. »Wir werden heiraten.«

      »Ach, Gert«, sagt sie zärtlich. »Dann werden wir uns gleich heute Reinhold Schnitzler als Brautpaar vorstellen.«

      *

      Zur Teezeit fährt ein rassiger Porsche vor. Gert hört das Motorengeräusch und verläßt die Terrasse. Der Wagen hält vor der Garage, und ein gutaussehender Mann mit angegrauten Schläfen, lustigen braunen Augen und einem tadellos sitzenden grauen Zweireiher schwingt sich heraus.

      Wendhoff kehrt schnell zu seiner Arbeit zurück. Er weiß, Leonore richtet mit Doris den Teetisch. Sie wird sich wohl um den Mann kümmern. Er ist unruhig. Wer ist der Mann?

      Nach einer Weile, die Gert wie eine Ewigkeit vorkommt, hört er Leonore rufen. Er rückt die helle Flanellhose zurecht, blickt im Vorübergehen in den Spiegel und fährt sich über das dunkle, schlicht zurückgekämmte Haar.

      In der Halle findet er den Mann vor. Leonore steht mit leuchtenden Augen vor ihm. Als sie Gert anblickt, kommt sie rasch auf ihn zu. An der Hand führt sie ihn zu dem Besucher.

      »Mein Verlobter, Gert Wendhoff.« Und zu Gert sagt sie: »Das ist ein alter Freund von mir, Reinhold Schnitzler.«

      Die Herren tasten sich mit den Blicken ab, machen eine Verbeugung und reichen sich die Hand.

      Wendhoff empfindet mit dem Mann etwas Mitleid, denn er sieht fassungslos aus. Immer wieder gleitet sein Blick von Leonore zu ihm. Wie ein Schlag hat es ihn getroffen, so daß er nicht einmal einen Glückwunsch hervorbringt.

      Leonore verlobt? Die Frau, um die er mit unermüdlicher Aufmerksamkeit geworben hat, liebt einen anderen?

      »Was stehst du denn wie eine Bildsäule da, Reinhold?« reißt Leonore ihn aus seiner Erstarrung.

      »Verzeihung«, murmelt er und zwingt sich zur Ruhe. »Meine herzlichsten Glückwünsche.«

      »Du kommst gerade recht zum Tee, Reinhold. Vertraulich hängt Leonore sich in Schnitzlers Arm und führt ihn in den Hintergrund der Halle, wo der Teetisch gedeckt ist und durch die weit geöffnete Tür eine frische Brise vom Strom hereinweht. »Eigentlich hatte ich dich zum Abendessen erwartet.«

      Schnitzler läßt sich in den zugewiesenen Sessel fallen. Ihm ist, als habe er eine Bergbesteigung hinter sich, so schwer sind ihm die Glieder. »Hoffentlich störe ich nicht?« würgt er hervor.

      Wendhoff wirft ihm einen schnellen Blick zu. Nein! Darin liegt keine Ironie. Aber ganz wohl fühlt er sich nicht in seiner Haut. Er spürt die Rivalität des anderen, wenn er es auch als guterzogener Mensch hinter Höflichkeit verbirgt. Er spürt die Blicke des Mannes, und er weiß, daß er enttäuscht ist, weil er Leonore nicht für sich gewinnen konnte.

      »Du bist so still, Gert.« Leonore streichelt sanft über seine Hand, eine zärtliche Bewegung, die Schnitzler uninteressiert seitwärts blicken läßt. In Wirklichkeit durchzuckt es ihn höchst schmerzhaft.

      »Ich denke an meine Arbeit, Leonore. Mir fällt da soeben eine Änderung ein. Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich dich für kurze Zeit mit Herrn Schnitzler allein ließe?«

      »Welche Arbeit?« wirft Schnitzler fragend ein. Und Leonore erklärt ihm, daß Wendhoff Architekt ist und sich an einem Preisausschreiben beteiligt.

      Schnitzlers Gesichtsausdruck verändert sich. Seine Augen nehmen Glanz an. »Darf man wissen, um welchen Plan es sich handelt?«

      »Um das neue Klubhaus.«

      »Hm!« macht Schnitzler. »Interessant. Wissen Sie, Herr Wendhoff, daß ich zum Preisrichterkollegium gehöre? Ich bin Bauunternehmer. Dürfte ich einen Blick in Ihre Pläne werfen?«

      Sofort erhebt Wendhoff sich. »Aber gern.« Er streichelt Leonore leicht über den Kopf. »Entschuldigst du uns so lange, Liebling?«

      »Geht nur«, sagt sie und blickt den beiden Männern lächelnd nach. Wendhoff überragt Schnitzler noch um ein Stück. Sein Gang ist elastisch und kraftvoll. Ihr Herz quillt vor Liebe zu diesem Mann. Daß Schnitzler sie auch liebt, hat sie ganz vergessen. Für sie ist er auf die Stufe der Bekannten zurückgesunken.

      Sie erhebt sich und geht in die Ecke, wo der Fernsehapparat steht. Gedankenvoll dreht sie ihn auf und kehrt zu ihrem Platz zurück. Die Beine über die Lehne des Sessels geschwungen, eine Zigarette rauchend, lauscht sie der Stimme, die aus dem Gerät kommt.

      Und schlagartig schnellt sie auf die Füße. Mit weit aufgerissenen Augen starrt sie zu dem Bildschirm hinüber.

      Inka Hellweg sucht ihre Mutter Leonore Hellweg. Gesucht wird Leonore Hellweg. Inka Hellweg ist im Lager Friedland angekommen und sucht ihre Mutter Leonore Hellweg.

      Es folgen genaue Daten, und dann erscheint ein Bild. Das Bild eines jungen Mädchens. Es ist nur ein Brustbild, ein schmales, kindhaftes Gesicht, von dunklen Locken umgeben, mit großen, samtenen Augen in denen die Traurigkeit der ganzen Welt zu liegen scheint.

      Ein Schrei durchreißt die Stille!

      Leonore preßt die Hände gegen den Mund. Inka! Lieber Gott? Das ist Inka!

      Sie stürzt aus der Halle, stolpert fast die Treppe empor. In ihrem Schlafzimmer reißt sie das Seitenfach ihrer Frisiertoilette auf und bringt eine Kassette zum Vorschein. Ganz zutiefst liegt ein Bild. Sie betrachtet es. Es zittert in ihren Händen. Ein rundes, weiches Kindergesicht, umgeben von dunklen Locken und lachenden samtenen Augen.

      »Inka!« Sie stürmt wieder zurück in die Halle. Ihre Glieder wollen ihr kaum gehorchen. Sie muß sich am Geländer festhalten, sonst wäre sie gestürzt. Als sie atemlos und vom Weinen geschüttelt vor dem Bildschirm ankommt, sieht ihr das Gesicht eines fremden Soldaten entgegen.

      Sie schlägt die Hände vor das Gesicht. Unaufhaltsam rinnen die Tränen über ihre Wangen. Mein Gott! Ein Wunder! Das Wunder, um das sie nächtelang gefleht hat. Jetzt ist es gekommen. Inka lebt! Ihr Kind lebt!

      Sie dreht an dem Schalter, und der Bildschirm


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