Jeremias: Eine dramatische Dichtung in neun Bildern. Стефан Цвейг

Jeremias: Eine dramatische Dichtung in neun Bildern - Стефан Цвейг


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ängstende Liebe höre! Höre sie, Zion, du Gottesburg, und wahre den Frieden, wahre den Frieden ...

      STIMMEN (jetzt im vollen Widerstreit):

      Ja ... Gottes Friede über Israel ... Verräter ... Gekaufter ... Gottes Friede über uns ... meine Söhne will ich bewahren ... Krieg ... Krieg wider Assur ... dem König die Entscheidung ... ein Verräter ... wir wollen in Frieden leben ... feige ist er ... gekauft ... Krieg ... Friede ... Hananja sagt die Wahrheit ... nein Jeremias ... wir glauben ihm ... recht redet er ... Krieg ... nein ... zerbrechet das Joch ... Krieg ... Friede ...

      (EIN GETÜMMEL erhebt sich in der Richtung des königlichen Palastes, eine Gruppe Menschen kommt mit Abimelech in der Mitte, der schwertlos aus der Säulenhalle stürzt.)

      DIE STIMMEN DER NAHENDEN:

      Verrat ... Verrat ... Verrat in Israel.

      (DIE MENGE läßt ab von dem Streite um Jeremias.)

      STIMMEN:

      Was ist geschehen ... Abimelech ... was ist ihm widerfahren ... vom Könige kommt er ... Abimelech ... Zorn schattet seine Brauen ... was ist geschehen.

      ABIMELECH (vorne auf den Stufen, neben Jeremias):

      Verkauft ist Israel von den Weichlingen, verschachert von den Krämern. Obgesiegt haben Imri und Nachum im Rate, sie sprachen wider Ägypten, und der König gab ihnen Gehör.

      STIMMEN:

      Nieder mit Nachum ... Verrat ... Imri der Greis ... Verräter ... Was ward beschlossen ... was sagte der König ... Friede, heil dem Frieden ... Gottes Gericht.

      ABIMELECH:

      Sein Herz schwanket, denn er scheuet den Krieg. Er will besinnen und bereden, eh er entscheidet.

      JEREMIAS:

      Ruhm Zedekia, mit Weisheit ist er gegürtet!

      ABIMELECH:

      Mit Schwachheit ist er umstellt, das Alter und die Angst sind seine Berater. Ich aber warf hin das Schwert, denn kein Schwert will ich mehr um meine Lenden tragen, solange Zion pflichtig bleibet an Assur. Ich diene seinem Rufe, aber ich diene nicht der Knechtschaft.

      BARUCH (ekstatisch):

      Oh, du Herrlicher, du Gotteskämpfer, heilig dein Schwert, das für Israel flammt!

      PASHUR:

      Segen über dich, der du dich nicht verbrüdert den Käuflingen und Krämern.

      HANANJA:

      Sollen wir zögern noch? Wes ist die Stunde? Ist sie Nachums, des Krämers, und Imres, des Greises, oder deiner, Volk von Jerusalem! Gottes Stunde ist gekommen, nimm sie hin! Auf zum Könige, auf zum Palast, daß er uns höre, daß er uns sehe. Auf, Jerusalem, hebe deine Stimme, stoß aus den Atem deines Zorns, tritt hin das Gewürm des Palastes, auf, Israel, auf, in den Palast.

      STIMMEN:

      Auf! Zum Palast ... Zum Könige ... nieder mit den Greisen ... zum Palast ... zieh mit uns, Abimelech ... auf.

      PASHUR:

      Zum Könige, daß er dich schaue, Volk von Jerusalem. Zum Könige und zum Siege! Gott will es! Gott will es!

      STIMMEN:

      Auf ... zum Könige ... zum Palast ... zum Sieg ...

      JEREMIAS (vor den Eingang der Säulenhalle springend):

      Haltet ein, haltet Friede, ihr mordet Jerusalem!

      STIMMEN:

      Fort ... Raum ... Zum Palast ... Was ruft er ...

      BARUCH (das Schwert ziehend):

      Mein Schwert über den, der jetzt noch Friede spricht!

      HANANJA:

      Schlag ihn nieder! Schlag ihn nieder!

      PASHUR:

      Nieder mit dem Verräter!

      JEREMIAS:

      Um mich, Freunde Gottes, rettet, rettet Jerusalem!

      PASHUR:

      Stoß ihn nieder! Er will Aufruhr schaffen!

      JEREMIAS:

      Um mich, Freunde des Friedens, nicht weichet der Gewalt, rettet, rettet Jerusalem!

      PASHUR:

      Stopft ihm das Maul. Die Zähne in den Schlund!

      BARUCH:

      Bei meinem Zorn, weiche vom Markte!

      JEREMIAS:

      Hier bleibe ich, ich weiche nicht; um den Frieden kämpfe ich, um Jerusalems Leben! Wahnwitz zurück! Höret, höret ...

      DIE MENGE (die Stufen hinaufschäumend):

      Auf ... was zögert ihr ... wer wehrt den Eingang ... fort ... zum Palast ...

      BARUCH:

      Fort! Zum letztenmal! Frei gib den Weg!

      JEREMIAS:

      Mit meinem Leibe wider den Krieg, mit meinem Leben für den Frieden!

      HANANJA:

      Schlag ihn hin! Schlag ihn hin! Es ist Gottestat!

      BARUCH:

      Zum letztenmal! Den Weg frei zum König! (Er sucht ihn zur Seite zu stoßen.)

      JEREMIAS (sich losreißend mit gewaltiger Stimme):

      Keinen Schritt für die Torheit! Friede! Gottes Friede über Israel!

      (BARUCH hat das Schwert gezückt und schlägt ihn nieder.)

      (JEREMIAS stürzt blutend die Stufen hinab.)

      DIE MENGE (in Entsetzen auseinanderstiebend):

      Mord ... sie haben einen erschlagen ... Mord ... wer ist es ... Jeremias ... sie haben ihn erschlagen ... wehe ... warum Gewalt ... warum schlägt man den Profeten ... recht getan an den Lügnern ... zum König ... zum König!

      (BARUCH bleibt betroffen stehen, das Schwert schwer in der sinkenden Hand.)

      HANANJA (ekstatisch über alle rufend):

      Mögen alle Feiglinge so enden, alle Söldlinge Assurs, alle Knechte Chaldäas! Auf zum Palast, auf zum Könige. Erlöset Israel, erlöset Jerusalem!

      ABIMELECH:

      Tod den Verrätern! Rache an Assur!

      PASHUR:

      Gott hat ihn gefällt!

      HANANJA:

      Gott hat ihn gefällt! Sein Blitz ist über den Leugner gefahren!

      DIE MENGE (nach dem kurzen Erschrecken wieder emporschäumend und in die Säulenhalle des Palastes flutend):

      Zum Könige ... Israel über alle Völker ... Krieg ... Krieg mit Assur ... nieder mit den Verrätern ... zum Könige ... Gott mit uns ... Gott mit uns ... nieder mit Assur ... Freiheit ... Freiheit ...

      (DIE MENGE strömt jauchzend in die Halle.)

      (JEREMIAS ist am Stufenrande ohnmächtig liegen geblieben, ohne daß einer seiner achtete. Der Sturm der andern flutet über ihn hinweg. Wie die Woge des Volkes verbrandet, bleibt er zurück wie ein ausgeworfenes Stück Leben in den Steinen.)

      (BARUCH, der für einen Augenblick aus seinem Erschrecken von der Menge mitgerissen war, arbeitet sich wieder aus der Flut heraus. Er tritt langsam, wie von innerer Macht gezwungen, an den Ohnmächtigen heran, beugt sich über ihn, betastet seine Stirne und horcht nach seinem Atem.)

      BARUCH:

      Jeremias ... sprich, Jeremias ... wenn noch Leben in dir ist!


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