Dr. Daniel Staffel 2 – Arztroman. Marie Francoise
langes Haar. »Ich liebe dich, Patricia.«
Sie schmiegte sich dicht an ihn. »Ich liebe dich auch, Oliver.«
In diesem Augenblick schaute Dr. Daniel zur Tür herein.
»Darf ich stören?« fragte er.
Oliver drehte sich um. »Natürlich, Doktor. Immerhin sind wir ja in Ihrem Haus, und da wäre es ja noch schöner, wenn Sie nicht hereinkommen dürften, wann Sie wollen.«
Dr. Daniel lächelte. »Wie ich sehe, sind Sie sich wieder einig.«
»Wir lieben uns«, bekannte Oliver. »Wir werden also noch mal von vorn beginnen.«
»Und ich werde versuchen, nicht ständig an eine Schwangerschaft zu denken«, fügte Patricia hinzu.
»Das ist gut«, meinte Dr. Daniel, dann sah er das junge Ehepaar ernst an. »Beherzigen Sie bitte meinen Rat, und fahren Sie zusammen in Urlaub. Sie mögen sich im Augenblick zwar einig sein, aber wenn es einmal zu einem solchen Bruch gekommen ist, dann ist es oftmals nicht ganz einfach wirklich wieder zusammenzufinden und nicht nur so zu tun. Sie sollten sich jetzt ein paar Wochen Zeit nehmen und nur für Ihre Beziehung leben… das Gefühl füreinander wiederfinden. Verstehen Sie, was ich meine?«
Oliver nickte. »Das werden wir auch tun, Herr Doktor. In den vergangenen zwei Jahren wurde viel zwischen uns zerstört, und daran trägt nicht nur Patricia die Schuld. Ich hätte viel früher sagen müssen, was mich belastet.« Er bedachte seine Frau mit einem liebevollen Blick. »Aber ich bin sicher, daß wir das alles wieder in Ordnung bringen.«
*
Nach drei Monaten war Dr. Scheibler mit seiner Kraft und seinen Nerven am Ende. Nachdem er von Professor Thiersch eine so gute Beurteilung bekommen hatte, hatte er sich seinen weiteren Weg doch recht einfach vorgestellt. Sicher, es fiel ihm schwer, die Thiersch-Klinik zu verlassen, aber er hatte nicht eine Sekunde daran gezweifelt, daß er gleich wieder eine Anstellung finden würde.
Doch mit jeder Bewerbung, die er schrieb, wurde seine Hoffnung, jemals wieder in einer Klinik arbeiten zu können, geringer, denn er bekam eine Absage nach der anderen. Und die Gründe für diese Absagen waren teilweise so fadenscheinig, daß Dr. Scheibler rasch begriff, was geschehen war. Irgendwie mußte es sich herumgesprochen haben, was in der Thiersch-Klinik vorgefallen war.
In seiner Verzweiflung rief er schließlich bei Rabea Gessner an. Vor einigen Monaten hatte er mit der jungen Medizinstudentin ein Verhältnis gehabt, das jedoch von vorn herein nur auf Zeit bestanden hatte. Sowohl für ihn als auch für Rabea war die berufliche Laufbahn wichtiger gewesen als eine Liebesbeziehung. Inzwischen war Rabea mit ihrem Studienfreund Stefan Daniel liiert, trotzdem verband sie und Dr. Scheibler noch immer ein loses Freundschaftsverhältnis.
»Gessner!« meldete sie sich jetzt mit fröhlicher Stimme.
»Hallo, Rabea, ich bin’s, Gerrit«, gab Dr. Scheibler sich zu erkennen.
Sekundenlang herrschte Schweigen am anderen Ende der Leitung.
»Na, das ist aber eine Überraschung«, meinte Rabea schließlich.
Dr. Scheibler begriff. »Du bist nicht allein, stimmt’s? Ist der junge Daniel bei dir?«
»Ja«, antwortete Rabea kurz.
»Ich möchte mit dir sprechen, Rabea«, erklärte Dr. Scheibler drängend. »Ich weiß nicht mehr weiter… ich brauche deinen Rat… und deine Hilfe. Bitte, Rabea, kannst du zu mir kommen? Heute… oder morgen?«
Wieder dauerte es ein paar Sekunden, bis das junge Mädchen antwortete. »In Ordnung. Ich komme morgen nachmittag, einverstanden?«
Dr. Scheibler nickte, obwohl seine Gesprächspartnerin das natürlich nicht sehen konnte. »Ja, Rabea, und… danke.«
*
»Wer war das?« wollte Stefan Daniel wissen, nachdem seine Freundin den Hörer aufgelegt hatte.
Rabea zögerte. Es widerstrebte ihr, Stefan anzulügen, aber wenn sie ihm die Wahrheit sagen würde, würde er doch nur wütend werden. Obwohl zwischen Gerrit und ihr längst Schluß war, war Stefan noch immer rasend eifersüchtig auf den gutaussehenden Arzt.
»Eine Freundin«, wich Rabea daher aus. »Sie steckt anscheinend in Schwierigkeiten.«
Prüfend sah Stefan sie an. Er fühlte, daß sie ihn gerade beschwindelt hatte. Und mit dem Gespür des liebenden Mannes ahnte er auch die Wahrheit.
»Es war dieser Dr. Scheibler, habe ich recht?«
Rabeas Erröten war eigentlich schon Antwort genug.
»Ich weiß genau, daß ihr euch noch immer trefft«, fuhr Stefan mit unüberhörbarer Bitterkeit fort. »Du kommst einfach nicht von dem Kerl los.«
»Das ist doch Unsinn, Stefan«, wehrte Rabea ab. »Zwischen Gerrit und mir ist nichts. Wir sind nur befreundet, und das ist doch wohl kein Verbrechen, oder?«
»Wenn es wirklich so harmlos wäre, dann hättest du mir seinen jetzigen Anruf nicht verheimlichen müssen«, hielt Stefan ihr vor.
Rabea winkte ab. »Ich weiß doch, wie eifersüchtig du auf Gerrit bist. Und ich wollte diese Diskussion, die wir jetzt führen, eigentlich vermeiden.« Sie schlang beide Arme um seinen Nacken. »Stefan, ich liebe dich… nur dich. Glaub es mir doch endlich.«
Stefan seufzte tief auf. »Ja, Rabea, ich glaube dir, aber… dieser Scheibler sieht so verdammt gut aus, und ich habe Angst, daß er es sich irgendwann doch anders überlegt und dich mir ausspannt. Immerhin hast du ihn mal sehr geliebt.«
»Du sprichst in der Vergangenheit, Stefan«, bemerkte Rabea. »Und das ist genau der Punkt. Ich habe Gerrit geliebt, aber jetzt liebe ich dich. Und ich schätze, das wird auch so bleiben.«
Die Worte gaben Stefan einen Stich. Für ihn war die Liebe zu Rabea etwas Dauerhaftes, aber bei ihr hatte er immer wieder das Gefühl, als würde sie die Liebe nur als etwas Vorübergehendes betrachten. Mit Gerrit Scheibler war es so gewesen, und vielleicht würde es mit ihm irgendwann auch so sein.
»Gerrit scheint in Schwierigkeiten zu stecken«, erklärte Rabea und riß Stefan damit aus seinen Gedanken. »Er klang am Telefon schrecklich deprimiert.«
Stefan zuckte die Schultern. Er war normalerweise kein hartherziger Mensch – ganz im Gegenteil, doch diesen Dr. Scheibler hatte er von Anfang an nicht leiden können. und so war es ihm ziemlich egal, ob er sich jetzt in Schwierigkeiten befand oder nicht.
»Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich ihn heute noch besuchen würde?« fragte Rabea.
Wieder mußte Stefan gegen seine Eifersucht ankämpfen.
»Seine Probleme beschäftigen dich ja noch ganz schön«, entgegnete er daher bissig.
»Stefan, du bist unmöglich!« hielt Rabea ihm vor. »Gerrit hat mich um meine Hilfe gebeten, und ich kenne ihn gut genug, um zu wissen, daß er das niemals tun würde, wenn es ihm nicht wirklich schlecht ginge. Also hör bitte mit deiner grundlosen Eifersucht auf!« Sie erhob sich. »Ich fahre jetzt zu ihm, und wenn du mir nicht traust, dann kannst du ja mitkommen.«
»Das wäre ja noch schöner«, grummelte Stefan. »Ich will den Kerl gar nicht sehen.« Auch er stand jetzt auf. »Sehen wir uns morgen?«
Rabea nickte. »Ich denke schon.« Und dann streichelte sie impulsiv durch seine dichten dunklen Locken. »Mach dir keine Sorgen, Stefan. Das mit Gerrit ist wirklich harmlos.« Sie küßte ihn. »Ich liebe dich.«
*
Dr. Scheibler hatte sich aus der Apotheke ein starkes Schlafmittel geholt. Schon seit ein paar Wochen hatte er nicht mehr richtig geschlafen, doch als er die zehn Ampullen jetzt aus der Packung holte, streifte ihn plötzlich ein ganz anderer Gedanke.
Nachdenklich betrachtete er die aufgereihten Ampullen. Damit wäre er alle Sorgen los… Und ohne es wirklich gewollt zu haben, holte er eine Zwanzig-Milliliter-Spritze aus seinem Arzneischrank und zog der Reihe nach den Inhalt