Im Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Im Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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bei ihm nieder, im ersten Augenblick mehr an seinen Vater als an ihn denkend. Aber als sich die Kinderarme um ihren Hals legten, durchflutete sie eine Welle mütterlicher Zuneigung.

      »Manuel, was machst du hier?«, fragte sie mit erstickter Stimme.

      »Papi und Tante Ellen haben sich so furchtbar gestritten«, flüsterte er. »Ich hatte Angst und bin weggelaufen. Aber jetzt habe ich auch Angst, weil es so unheimlich ist.«

      »Du brauchst keine Angst zu haben«, tröstete sie ihn. »Es tut dir niemand etwas. Und wenn du Kummer hast, kommst du zu mir. Du weißt doch, wo ich wohne.«

      »Ich wollte ja, aber du warst nicht da«, flüsterte er.

      Er wollte zu mir, und ich war nicht da, dachte sie gequält. Ich bin herumgeirrt, um seinen Vater nicht zu treffen.

      »Und jetzt sehe ich so furchtbar schmutzig aus, dass ich mich gar nicht mehr heimtraue«, flüsterte Manuel an ihrem Ohr. »Dann wird Tante Ellen noch mehr schimpfen. Ich kann ihre Stimme gar nicht mehr hören. Papi hält sich auch schon die Ohren zu, und Teta stopft sich Watte rein. Warum kann ich nicht allein mit Teta hier sein?«

      Sandra wusste nicht, was sie erwidern sollte. Sie drückte ihn an sich und spürte, wie sein kleines Herz angstvoll klopfte.

      »Hier leben viele nette Menschen, Manuel«, sagte sie leise. » Sie alle werden dich liebgewinnen. Du kannst mit Bambi spielen. Du kennst doch das kleine Mädchen noch? Sie hat jetzt auch einen kleinen Hund, der dir bestimmt gefallen wird.«

      Die Worte kamen wie von selbst über ihre Lippen, und sie spürte, wie der Junge ruhiger wurde.

      »Ja, ich kenne das kleine Mädchen noch«, sagte er leise. »Und den Jungen auch. Aber Tante Ellen wird nicht erlauben, dass ich mit ihnen spiele.«

      »Das werden wir ja sehen«, erklärte Sandra entschlossen.

      »Hast du keine Angst vor ihr?«, flüsterte Manuel.

      »Nein, ich habe keine Angst.« Und ich werde Felix meinen Standpunkt erklären, dachte sie mit wilder Entschlossenheit. Er kann nicht zulassen, dass dieses Kind seelisch zermürbt wird.

      »Wie heißt du eigentlich?«, fragte Manuel scheu.

      »Sandra«, erwiderte sie.

      »Ich hab’ dich gern, Sandra«, wisperte er, »aber das darf Tante Ellen nicht wissen.«

      »Dann bleibt es eben vorerst unser Geheimnis«, murmelte Sandra und strich ihm die wirren Haare aus der Stirn. »Aber nun sei nicht mehr so traurig. Und hab’ auch keine Angst mehr. Schau, ich bin dir ganz nahe, und ich bin immer da, wenn du mich brauchst.«

      Er machte eine kleine Pause und holte tief Atem. »So lieb hat noch nie jemand mit mir gesprochen. Teta traut sich ja auch nicht, weil Tante Ellen immer da ist. Und ich brauche dich immer, Sandra!«, stieß er beklommen hervor.

      *

      »In diesem Ton redest du nicht noch einmal mit mir, Ellen«, sagte Felix Münster eisig. »Ich weiß nicht, wie oft ich es dir schon gesagt habe, aber ich werde dich nicht heiraten, auch wenn du es noch so sehr darauf angelegt hast.«

      Ihr Gesicht war hassverzerrt. »Nun fehlt nur noch, dass du mir die Tür weist!«, schrie sie ihn unbeherrscht an. »Die schönsten Jahre meines Lebens habe ich vergeudet, und das ist der Dank dafür. Ich habe das gleiche Anrecht auf das Kind wie du, umso mehr, da du mir jetzt ja deutlich zu verstehen gegeben hast, dass meine Schwester dir auch nichts bedeutet hat.«

      Er war am Ende seiner Beherrschung. Waren seine Nerven diese beiden Tage ohnehin bis zum Zerreißen gespannt gewesen, flößte ihm ihr hasserfülltes Gesicht nun Widerwillen ein. Zu lange schon hatte er alles in sich hineingeschluckt, weil er sich manches Mal mit Selbstvorwürfen gepeinigt hatte, seinem Sohn nicht die Liebe entgegengebracht zu haben, die ein Kind braucht. Das glückliche Familienleben der Auerbachs hatte ihm dies besonders deutlich gemacht.

      Er reckte sich. »Ja, ich möchte, dass du gehst«, sagte er kalt. »Ich kann dich nicht mehr ertragen. Manuel ist mein Sohn. Du hast kein Recht auf ihn. Für dich war er Mittel zum Zweck. Du hast eine Marionette aus ihm gemacht, die nur ›ja‹ und ›danke‹ kennt. Jetzt ist es genug. Würdest du das Kind lieben, wäre es der Inhalt deines Lebens, wie du mir immer weismachen wolltest, und es würde dir nichts ausmachen, hier mit ihm zu leben.«

      »Damit du dein eigenes Leben führen kannst«, fauchte sie. »Ich durchschaue dich. Du hast eine andere Frau und willst mich ausschalten.«

      Er starrte sie an. »Weiß Gott, wenn ich dich sehe und höre, könnte mir jeder Glaube an eine Frau genommen werden«, stieß er hervor.

      Sandra, die diese Worte hörte und nicht wusste, in welchem Zusammenhang er sie ausgesprochen hatte, zuckte zusammen. Manuel drückte sich an sie.

      »Was hat Papi gesagt?«, fragte er beklommen.

      »Ich habe es nicht verstanden«, erwiderte sie mechanisch. »Ich glaube, es ist besser, du kommst noch mit zu mir.«

      Sie wollten sich schon davonstehlen, als Felix Münster laut den Namen des Jungen rief.

      »Wo ist Manuel eigentlich geblieben«, fragte er erregt, und gleich darauf kam er aus dem Haus gestürzt.

      Wie versteinert blieb er stehen, als er Sandra und den Jungen gewahrte. Manuel schob trotzig die Unterlippe vor.

      »Ihr habt euch gestritten, da bin ich weggelaufen«, sagte er. »Und da habe ich Sandra gefunden. Oder sie hat mich gefunden«, berichtigte er sofort.

      »Kann ich Manuel mit zu uns nehmen?«, fragte ­Sandra.

      Er nickte mechanisch. »Ich wäre Ihnen sehr dankbar. Teta kommt gegen Abend mit dem Chauffeur, dann wird meine Schwägerin das Haus verlassen.«

      Manuel umklammerte Sandras Hand noch fester. »Sie geht fort?«, fragte er atemlos. »Sie bleibt nicht hier?«

      »Nein, es gefällt ihr hier nicht«, erwiderte Felix Münster rau.

      »Manuel wird Hunger haben«, sagte Sandra und legte den Arm um das Kind. Sie sah Felix nicht an. »Komm, mein Junge.«

      Sie entfernten sich. Ein stechender Schmerz bohrte in Felix Münster. Jäh spürte er, dass etwas zwischen ihnen stand, und er fühlte sich entsetzlich elend.

      »Ob sie wirklich fortgeht?«, fragte Manuel ungläubig. Sandra wusste darauf keine Antwort. Vielleicht hatte Ellen Düren es sich schon anders überlegt. Sie traute ihr alles zu.

      Nun verhielt sich der Junge ganz still. Er hatte sich waschen und kämmen lassen und auch etwas gegessen. Das wohl nur, um nicht unhöflich zu erscheinen. Wie eine Marionette erschien er auch Sandra. Ihm fehlte jegliche kindliche Unbefangenheit, und unwillkürlich musste sie ihn mit Bambi vergleichen, die so unbeschwert plaudern und lachen konnte. Würde Manuel das jemals lernen, oder hatte Ellen Düren seine Seele schon systematisch zerquält? Welche Melancholie lag in diesen dunklen Kinderaugen!

      Warum hat Felix sie nicht früher weggeschickt?, überlegte sie. Und warum war es ausgerechnet hier und heute zu dieser Auseinandersetzung gekommen?

      Sie konnte nicht wissen, in welch reizbarer Stimmung Felix hergekommen war, wie ihn der Gedanke peinigte, dass Sandra und Ellen zusammentreffen würden. Die Angst, Sandra zu verlieren, sie den boshaften Beleidigungen Ellens auszusetzen, hatte ihn ganz krank gemacht. Worte, die er früher überhört hatte, fraßen sich in ihn hinein, schürten seinen Zorn und riefen seinen heftigen Widerspruch hervor.

      Nun war es so weit. Eine Mauer der Unversöhnlichkeit stand zwischen ihnen. Er fieberte dem Augenblick entgegen, da Teta kommen und Ellen gehen würde.

      Sie wartete allerdings, dass er einlenken würde, aber er lenkte nicht ein. Er legte ein Bündel Geldscheine auf den Tisch und sagte: »Fürs Erste wird es reichen. Teile mir dann deinen Aufenthaltsort mit, damit ich dir monatlich laufend eine Summe zur Bestreitung deines Lebensunterhaltes überweisen kann.«

      »Du servierst mich also ab wie eine Angestellte«, fauchte sie ihn an.

      Seine


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