Im Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Patricia Vandenberg
noch Wochen dauern, bis das Haus bezogen werden konnte, aber dann konnten sie sich kaum aus dem Wege gehen.
Ich werde ihr die Zähne zeigen, dachte Sandra erbittert. Sie soll ja nicht denken, dass sie das große Wort führen kann, nur weil sie die Schwägerin von Felix Münster ist. Aber vielleicht war sie nicht nur seine Schwägerin. Dieser Gedanke versetzte ihr einen schmerzhaften Stich. Betroffen stellte sie fest, dass er ihr sogar unerträglich war.
»Dein Benehmen war beleidigend«, warf Felix Münster seiner Schwägerin vor, als sie in seiner prachtvollen Villa am Stadtrand von Stuttgart angekommen waren. »Es war mir überaus peinlich.«
»Hast du ein Auge auf sie geworfen?«, fragte sie gehässig. »Für sie wäre es natürlich ein gefundenes Fressen, sich den reichen Felix Münster zu angeln.«
»Ich verbitte mir solche Unterstellungen«, sagte er so eisig, dass sie sofort einen anderen Ton anschlug.
»Mir ist der Gedanke unerträglich, dass Manuel eine Stiefmutter bekommt«, sagte sie mit entsagungsvollem Ton. »Versteh mich doch bitte.«
Seine Stirn legte sich in Falten. »Ob es nun die richtige Art von Liebe ist, die du Manuel entgegenbringst, möchte ich dahingestellt sein lassen. Ich habe dieses Haus gekauft, damit der Junge sich freier entfalten kann. Ich möchte, dass er ein so gesundes, fröhliches Kind wird wie zum Beispiel die kleine Bambi. Auch wenn er nicht geschniegelt und gebügelt herumläuft.«
»Du vergisst, dass er eine zarte Konstitution hat«, sagte sie vorwurfsvoll. »Kaum ist er an der Luft, ist er schon erkältet.«
»Vielleicht kommt er zu wenig an die Luft. Er ist verzärtelt, möchte ich meinen. Organisch ist er gesund, das haben mir alle Ärzte bestätigt.«
»Vielleicht solltest du mehr Zeit für ihn haben«, warf sie ihm vor. »Kritisieren kann man leicht. Mach es doch erst einmal besser. Wir haben hier ein wundervolles Haus, und ich kann immer noch nicht einsehen, dass du uns in diese Einöde verbannen willst.«
Weil ich dich nicht mehr ertragen kann, ging es ihm durch den Sinn, aber dann wurde ihm plötzlich bewusst, dass er nur an sich dachte und nicht an seinen Sohn.
»Wenn dir dieser Gedanke so unerträglich ist, Ellen, schaue ich mich nach einer Kindergärtnerin um, die Manuels Betreuung übernimmt«, sagte er heiser.
In ihren Augen blitzte es auf. Das war kein schlechter Gedanke, sagte sie sich. Wenn das Kind aus dem Haus war und sie mit Felix allein – aber jäh wurde sie dieser Hoffnung beraubt, denn er fuhr fort: »Allerdings müsste ich dich dann bitten, einen anderen Wohnsitz zu wählen. Ich möchte keinesfalls falsche Hoffnungen in dir erwecken, wie ich dir schon mehrmals erklärt habe. Ich werde mich nicht wieder verheiraten. Triff deine Entscheidungen bitte danach.«
Rasch verließ er das Zimmer. Sie starrte ihm aus zusammengekniffenen Augen nach. Deutlich genug waren seine Worte gewesen, und er hatte diese nicht zum ersten Mal ausgesprochen. Aber so rasch gab sie nicht auf. Sie ließ sich nicht beiseite schieben. Nun erst recht nicht, da sie fürchtete, eine Nebenbuhlerin zu haben.
Warum nur wollte er sie und das Kind aus dem Haus haben? Gab es womöglich hier eine andere? Sie überlegte krampfhaft. Er war fast jeden Abend unterwegs, und sie wusste nicht, wo er seine Zeit verbrachte.
Zwar hatte sie nicht die geringste Lust, in dieses verlassene Nest zu ziehen, aber Manuel war ihre einzige Waffe, die sie für ihre Ziele, die sie noch lange nicht aufgeben wollte, hatte. Vielleicht sollte sie ihm mehr Freiheit lassen, um dadurch mehr Vertrauen zu erwerben. Natürlich durfte er nicht selbstständig werden, denn es war ja gerade ihre Taktik, ihn von sich abhängig zu machen. Nun, man würde sehen. Ihr würde schon etwas einfallen.
*
Die Tage reihten sich aneinander, und jeder brachte etwas Neues. Nein, langweilig konnte es ihnen gewiss nicht werden im Sonnenwinkel. Bambi schon gar nicht. Überall gab es etwas zu sehen.
Im Auerbachschen Garten wurde bereits das Schwimmbassin ausgemauert, was dem Hausherrn allerdings manches Stöhnen entlockte, denn es war mit Geräuschen verbunden, die ihn bei seiner Arbeit störten. Inge durfte er damit nicht kommen.
»Es war deine Idee, nun steh es auch durch«, meinte sie mitleidlos. »Außerdem brauchst du dich nicht totzuarbeiten. Wir haben alles, was wir uns wünschten, nun kannst du auch mal Ruhe geben.«
Sie träumte schon vom nächsten Frühjahr und Sommer, doch je kürzer die Tage wurden, desto mehr musste sie an den Winter denken. Nun, dieser würde wahrscheinlich doch recht beschwerlich werden, aber solchen Gedanken gab sie sich nicht lange hin.
Zwischen den Riedings und ihnen bahnte sich ein netter, geselliger Verkehr an. Man mochte sich und hatte viele gemeinsame Interessen. Sandra war für die Kinder, Henrike eingeschlossen, eine große Freundin geworden. Manchmal holte sie Bambi vormittags ab und nahm sie mit ins Herrenhaus.
Jetzt waren allerdings auch dort die Handwerker an der Arbeit, und man konnte nur staunen, wie anders die beiden Häuser nun schon aussahen, nachdem sie mit einem hellen Anstrich versehen worden waren. Die Dependance hatte neue Fenster bekommen und wirkte ganz modern.
»Herrenhaus ist eigentlich kein schöner Name«, meinte Bambi nachdenklich. »Ihr seid doch beide Damen.«
»Damenhaus können wir es schlecht nennen«, lächelte Sandra.
Von der Herbstsonne übergossen stand es nun hell und freundlich da. Hell blinkten auch die Fenster. Endlich hatten sie eine tüchtige Hilfe gefunden, die ihnen fleißig und tatkräftig zur Hand ging.
»Wir können es ja Sonnenhügel nennen«, meinte Bambi sinnend. »Wir wohnen im Sonnenwinkel und ihr auf dem Sonnenhügel.«
»Keine schlechte Idee«, meinte Sandra. »Du hast Fantasie, Bambi.«
»Und wie nennen wir die De…«, sie unterbrach sich, »ich weiß das schwere Wort schon wieder nicht mehr«, seufzte sie.
»Dependance«, sagte Sandra geistesabwesend. »Lass dir was einfallen, was du besser behältst.«
»Muss mal überlegen«, meinte die Kleine. »Jetzt fällt mir nichts ein. Vielleicht weiß Hannes was.«
Aber Hannes wusste auch nichts. Er konnte die Frau nicht leiden, die dort einziehen würde, und deswegen mochte er das Haus auch nicht. Er war diesbezüglich sehr konsequent.
»Es sieht aber sehr hübsch aus, wie es jetzt ist«, meinte Bambi.
»Deswegen bleibt sie für mich doch eine Ziege, und Ziegenstall können wir es ja nicht nennen«, brummte er.
»Was soll ein Ziegenstall sein?«, fragte Inge.
Hannes, der genau wusste, dass seine Mutter solche Ausdrücke nicht gern hörte, wurde rot. »Ach, nichts weiter, Mami«, meinte er.
»Weißt du vielleicht einen hübschen Namen für die Dependance?«, fragte Bambi. Sie hatte den Namen nun so oft geprobt, dass er ihr einigermaßen richtig über die Lippen kam. »Das Herrenhaus nennen wir Sonnenhügel, weil bloß Damen drin wohnen. Warum hat es eigentlich Herrenhaus geheißen, Mami?«
»Das ist so eine Bezeichnung von früher«, erwiderte Inge. »Aber was Hannes mit Ziegenstall gemeint hat, weiß ich noch immer nicht.«
»Er meint’s ja nicht so, Mamichen«, schmeichelte Bambi. »Die Frau ist ja wirklich eine Ziege. Der arme kleine Junge tut mir schrecklich leid, weil er keine liebe Mami hat.«
Nun wusste Inge wenigstens, worum sich’s drehte. Ihr Mitgefühl galt den Riedings, die ganz sicher einigen Ärger mit der unfreundlichen Schwägerin von Felix Münster haben würden. Beiläufig hatte sich einmal Marianne von Rieding über sie geäußert.
»Du musst dir das Haus jetzt mal ansehen, Mami«, fuhr Bambi fort. »Es sieht wirklich schön aus.«
»Schade um das Haus«, knurrte Hannes. »Ich mache einen großen Bogen darum.« Daran hielt er sich auch, als die Möbelwagen anrollten, so neugierig er auch war.
»Nun ziehen sie schon ein, wie schnell doch die Zeit