Im Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Im Sonnenwinkel Staffel 1 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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schöne, wundervolle Einsamkeit in einer bezaubernden Landschaft«, flüsterte sie glücklich. »Du kannst unbelastet arbeiten, endlich deine Pläne verwirklichen. Die erste Million ist die schwerste, sagt Jörg doch immer. Und die hast du schon geschafft. Wenn sie nur nicht wieder hops geht, wie damals bei den Eltern.«

      »Sei ganz beruhigt, mein Schatz. Ich habe den größten Teil schon angelegt, da droben in dieser neuen Siedlung Erlenried, die hier gebaut werden soll.«

      Inge hielt den Atem an. »Du meinst, dass es eine sichere Anlage ist?«, fragte sie skeptisch.

      »Aber sicher doch. Dieser Carlo Heimberg ist ein tüchtiger Mann. Außerdem beteiligt sich auch ein Industrieller. Münster heißt er. Und stell dir doch mal vor, wie viele Familien da zu einem Heim kommen, die nicht so viel Glück haben wie wir und schwer sparen müssen. Wenn der Gewinn dann auch nicht so groß ist, wie mancher Spekulant wohl dabei herausschlagen wollte, es ist eine gute Sache, vielleicht haben wir zur Belohnung Glück mit unseren Nachbarn, und unsere Kinder bekommen nette Freunde. Besonders für Ricky würde ich das begrüßen.«

      Hoffentlich geht’s gut, dachte Inge, aber sie wollte nicht widersprechen.

      Sie war trotz dieser Bedenken sehr zufrieden mit ihrem Mann. Er hatte das Herz auf dem rechten Fleck, und wenigstens war ihm das Geld nicht zu Kopf gestiegen.

      »Aber sag den Kindern nichts«, murmelte Werner Auerbach noch. »Sie sollen mit den Füßen auf dem Boden bleiben. Übrigens dachte ich auch daran, dass deine Eltern später herziehen könnten, wenn es ihnen gefällt. In eines der Erlenried-Häuser, die nun bald gebaut werden.«

      »Du bist doch der allerbeste Mann«, hauchte sie, aber das hörte er schon nicht mehr. Er war eingeschlafen, und auch Inge fielen die Augen zu.

      *

      Im Herrenhaus Erlenhof, das ganz in der Nähe des neuen auerbach­schen Hauses lag, kam man an diesem Abend auch spät ins Bett. Marianne von Rieding und ihre Tochter Alexandra hatten Besuch von Carlo Heimberg bekommen.

      Eigentlich war es sein Verdienst, dass Mutter und Tochter hier übersiedelt waren. Marianne von Rieding war mehr als überrascht gewesen, als sie erfuhr, dass sie und ihre Tochter Sandra von ihrem Schwiegervater als Erbin eingesetzt worden waren. Sie hatte regelrecht Angst bekommen, diesen riesigen Besitz zu übernehmen, denn Barvermögen war gar nicht vorhanden. Der Unterhalt dieses schönen, aber alten Herrenhauses, der dazugehörenden Depen­dance und der Ländereien hatte Unsummen gekostet. Der alte Baron Rieding war ein Sonderling und Eigenbrötler gewesen, er hatte sich nicht entschließen können, auch nur einen Teil seines Besitzes zu verkaufen, zu dem zu allem Übel noch die Felsenburg gehörte, eine malerische Burgruine, die sehr geheimnisumwittert und romantisch aussah.

      Sandra, talentierte Innenarchitektin im Atelier Carlo Heimbergs, hatte ganz plötzlich ihr Herz für dieses bezaubernde Fleckchen Erde und auch für dieses Haus entdeckt. Sie hatte ihren Chef und väterlichen Freund um Rat gefragt, und alles andere war dann eigentlich sein Werk gewesen.

      Zu dritt saßen sie gemütlich vor dem Kamin, in dem ein lustiges, behagliches Feuer flackerte. Das prächtige Ölgemälde Albrecht von Riedings hing darüber. Streng blickte der alte Herr auf sie herab, und Frau Marianne war es, als würde sie von seinen durchdringenden Augen durchbohrt.

      »Mir ist das alles ein bisschen unheimlich«, murmelte sie.

      »Weil du noch immer Respekt vor deinem gestrengen Schwiegervater hast«, wurde sie von ihrer Tochter Sandra geneckt.

      Sandra hatte ihren Großvater Albrecht von Rieding nie kennengelernt. Er war zutiefst gekränkt gewesen, dass aus der Ehe seines einzigen Sohnes kein männlicher Erbe hervorgegangen war, und hatte kein Interesse daran gezeigt, seine Enkelin zu sehen. Auch seine Schwiegertochter war für ihn uninteressant geworden, als sein Sohn starb. Bis zu seinem Tode hatte er sich um die beiden nicht gekümmert. Daher war es nicht verwunderlich, dass Marianne von Rieding von dieser Erbschaft maßlos überrascht worden war.

      »Mir kommt es so vor, als lache er sich ins Fäustchen, was wir nun wohl anfangen werden«, murmelte sie, »als ahne er, dass wir es nicht schaffen, seinen geliebten Besitz zu erhalten.«

      Sandra lachte leise. »Falls sein Geist noch in der Felsenburg herumwandern sollte, wird er sich wundern, was hier alles passieren wird. Übrigens habe ich heute einen Teil der Familie Auerbach kennengelernt. Eine reizende Frau und nette Kinder, und gerade die beiden jüngeren scheinen mir rechte Schelme zu sein!«, lachte sie.

      »Über Auerbach wollte ich gerade mit Ihnen sprechen, Sandra«, sagte Carlo Heimberg, ein gut aussehender Mann schwer schätzbaren Alters. Sein graues Haar mochte täuschen, denn sein Gesicht war noch recht jugendlich. »Er beteiligt sich nämlich an unsrem Projekt.«

      Sandra pfiff durch die Zähne. »Donner und Doria, das scheinen ja reiche Leute zu sein. Arrogant sind sie jedenfalls nicht. Verdient ein Professor so viel, dass er sich das leisten kann? Wieso zieht er sich eigentlich in die ländliche Einsamkeit zurück?«

      »So viel mir bekannt ist, arbeitet er an der Entwicklung moderner Verkehrsmittel. Ein überaus kluger Mann. Von Geschäften hat er zwar keine Ahnung, aber anscheinend eine glückliche Hand. Das Haus im Sonnenwinkel ist bedeutend mehr wert, als er bezahlen musste, aber ich gönne es ihm. Doch nun zur Sache. Felix Münster hat sich wieder mit mir in Verbindung gesetzt. Es würde mich interessieren, warum er auf dieses Haus hier so versessen ist. Übermorgen will er Sie persönlich aufsuchen, wenn es Ihnen recht ist.«

      »Wir verkaufen nicht«, erwiderte Sandra kurz.

      Marianne von Rieding seufzte schwer.

      »Meinst du nicht, dass uns wirklich alles über den Kopf wachsen wird?«

      »Nicht die Spur«, erwiderte Sandra munter. »Eines Tages würden wir uns ohrfeigen, wenn wir das aufgeben würden.«

      Carlo Heimberg nickte dazu. »Man muss manchmal etwas riskieren. Seien Sie nicht so skeptisch, Frau von Rieding. Was kann denn schon schiefgehen? Die Städte platzen aus allen Nähten. Wohin sollen die vielen Menschen? Grund und Boden werden immer teurer. Wir liegen sehr günstig. Nächste Woche wird mit dem Bau der Siedlung begonnen, und wenn erst mal die Fundamente stehen, wird schon genügend Interesse bestehen.«

      »Und wie ist es mit dem Arzt, einer Apotheke und so weiter?«, gab Marianne von Rieding zu bedenken.

      »Sei doch optimistisch, Mutti«, munterte Sandra ihre Mutter auf. »Wer wagt, gewinnt.«

      Davon war die Ältere nicht so schnell zu überzeugen, und sie konnte sich über die Tochter, die doch mitten im Großstadttrubel aufgewachsen war, nur wundern.

      Mein lieber Schwiegervater, dachte sie, ich glaube, du hast dein Enkelkind, das »nur« ein Mädchen ist, unterschätzt. Sie hat ebenso viel Tatkraft wie ein Mann. Und als sie zu seinem Bild hinaufschaute, war es ihr fast so, als blitzten seine Augen spöttisch.

      Sandra schien ihre Gedanken zu ahnen. Sie stellte sich vor das Bild und lächelte. »Ich werde es dir schon beweisen, Großvater, dass man nicht unbedingt ein Mann sein muss, um einen Besitz zu erhalten! Unser Name wird eines Tages aussterben, aber Erlenried wird blühen und gedeihen, und das ist eigentlich das Schönste, was wir dir tun können.«

      Marianne von Rieding sah ihre Tochter gedankenvoll an. Irgendwie war Sandra in diesem Augenblick jenem unbeugsamen Mann auf dem Bild sehr ähnlich.

      *

      Mit Feuereifer gingen die Auerbachs am nächsten Tag an die Arbeit, ihr Haus in Ordnung zu bringen. Zuerst kamen die Kinderzimmer an die Reihe, die in der ausgebauten Mansarde lagen, durch die schrägen Wände besonders anheimelnd. Bambi und Hannes hatten je einen Schlafraum und ein großes Spielzimmer gemeinsam. Auch ein Gästezimmer und ein Bad waren vorhanden.

      Bald standen die Regale, und Bambi begann ihre Bilderbücher und Spielsachen einzuräumen. Es war rührend, wie sie jede einzelne Puppe und jedes Stofftierchen begrüßte. Inge Auerbach nahm sich die Zeit, ein wenig zu lauschen.

      »Nun seid ihr aber froh, dass ihr nicht mehr in den Kisten zu sein braucht«, meinte Bambi liebevoll.


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