Unheimliche Geschichten. Edgar A Poe

Unheimliche Geschichten - Edgar A Poe


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es! Hurra!«, schrie Legrand laut und ließ den Neger los, worauf er eine Reihe von Kurven und Wendungen tanzte, sehr zum Erstaunen seines Dieners, der sich von den Knien erhob und stumm von seinem Meister zu mir und von mir zu seinem Meister blickte.

      »Kommt, wir müssen zurückgehen«, sagte Legrand. »Das Spiel ist noch nicht verloren.« Und er führte uns wieder zum Tulpenbaum.

      »Jupiter«, sagte er, als wir seinen Fuß erreichten, »komm her! War der Schädel mit dem Gesicht nach auswärts oder mit dem Gesicht nach einwärts an den Ast genagelt?«

      »Das Gesicht waren nach auswärts, Massa, so dass die Krähen gut und ohne Mühen an die Augen konnten.«

      »Gut, war es nun dieses Auge oder das, wodurch du den Käfer fallen ließest?« Damit berührte Legrand jedes von Jupiters Augen.

      »Es waren dies Auge, Massa – das linke Auge –, wie Massa mir sagten«, und auch jetzt wieder berührte der Neger sein rechtes Auge.

      »Das genügt – wir müssen es noch einmal versuchen.«

      Mein Freund, in dessen Wahnsinn ich jetzt eine gewisse Methode sah oder wenigstens zu sehen glaubte, versetzte nunmehr den Pflock von dem Punkt, wo der Käfer hingefallen war, nach einem Punkt, der drei Zoll weiter westwärts lag. Indem er jetzt das Maßband von dem nächstgelegenen Punkte des Baumes über den Pflock hinweg fünfzig Fuß in gerader Linie hinlegte, kam er zu einem Fleck, der mehrere Meter von dem entfernt war, wo wir gegraben hatten.

      Wieder wurde an dem neuen Ort ein Kreis gezogen, diesmal ein etwas größerer als vorher, und wieder begannen wir mit den Spaten zu arbeiten. Ich war entsetzlich müde, aber ich fühlte, obgleich ich kaum wusste, wodurch die Veränderung in meinen Gedanken erzeugt worden war, nicht mehr die große Abneigung gegen die mir auferlegte Arbeit. Ein ganz merkwürdiges Interesse war in mir erwacht, ich wurde sogar aufgeregt. Vielleicht steckte doch etwas hinter dem ganzen sonderbaren Benehmen Legrands – eine gewisse Umsicht oder Überlegtheit, die auf mich Eindruck machte. Ich grub eifrig und ertappte mich ein paarmal tatsächlich dabei, dass ich mit einer gewissen Erwartung nach dem Schatz ausschaute, dessen Vision meinen unglücklichen Freund um seinen Verstand gebracht hatte. Ich war gerade wieder einmal dabei, solchen Gedankenbildern nachzuhängen, und wir hatten vielleicht anderthalb Stunden gearbeitet, als wir aufs neue durch ein lautes Gebell des Hundes unterbrochen wurden. Beim ersten Graben war seine Unruhe offenbar die Folge von Spiellust oder Laune gewesen, jetzt aber klang ein scharfer und ernsthafter Ton daraus. Als Jupiter wieder versuchte, ihm das Maul zu verbinden, leistete er wütenden Widerstand, sprang in die Höhlung und wühlte wie rasend mit seinen Pfoten die Erde auf. In wenigen Sekunden hatte er einen Haufen Menschenknochen freigelegt, die zwei vollständige Skelette bildeten und mit einigen Metallknöpfen und etwas, was wie verweste Wolle aussah, vermischt waren. Ein oder zwei Spatenstiche hoben die Klinge eines großen spanischen Messers empor und als wir weitergruben, fanden wir drei oder vier einzelne Gold- und Silbermünzen.

      Bei ihrem Anblick konnte Jupiter kaum seine Freude bemeistern, während sich in dem Gesicht seines Herrn ein Zug tiefster Enttäuschung zeigte. Er trieb uns aber an, mit unseren Anstrengungen fortzufahren, und er hatte das kaum ausgesprochen, als ich strauchelte und hinfiel, weil meine Fußspitze sich in einem großen eisernen Ring verfangen hatte, der halb begraben in der aufgewühlten Erde lag.

      Wir arbeiteten jetzt erst recht voll Eifer und nie habe ich zehn aufgeregtere Minuten verbracht. In dieser Zeit legten wir eine längliche Holztruhe frei, die, nach ihrem gut erhaltenen Zustand und ihrer wundervollen Härte zu urteilen, eine Art Versteinerungsprozess – vielleicht durch Quecksilberdoppelchlorid – durchgemacht hatte. Die Truhe war drei und einen halben Fuß lang, drei Fuß breit und zwei und einen halben Fuß hoch. Sie war fest umschlossen von schmiedeeisernen, vernieteten Bändern, die wie ein Gitterwerk ringsherum gingen. An jeder Seite der Kiste nahe am oberen Rand befanden sich drei eiserne Ringe – im Ganzen also sechs –, die sechs Personen einen guten Halt geben konnten. Trotz unserem gemeinsamen Bemühen gelang es nur, die Truhe ein wenig aus ihrer Lage zu bringen. Wir sahen bald die Unmöglichkeit ein, ein so schweres Gewicht fortzuschaffen. Zum Glück war der Deckel nur durch zwei Riegel geschlossen. Zitternd und keuchend vor Erwartung schoben wir sie zurück und in einem Augenblick lag ein Schatz von unermesslichem Wert vor uns. Als das Licht der Laternen in die Grube fiel, blitzte uns daraus ein leuchtender Glanz von einem wirren Haufen von Gold und Edelsteinen entgegen, so dass unsre Augen förmlich geblendet wurden.

      Ich will nicht versuchen, die Gefühle zu beschreiben, mit denen ich hineinstarrte. Ein grenzenloses Erstaunen hatte mich gefasst. Legrand schien erschöpft von seiner Erregung zu sein und sprach sehr wenig. Jupiters Gesicht war für einige Augenblicke totenblass, wie das bei einem Neger nur möglich ist. Er schien verblüfft, vom Blitz getroffen zu sein. Dann fiel er in der Grube auf die Knie, vergrub seine nackten Arme bis zu den Ellenbogen in dem Gold und ließ sie dort ruhen, als ob er das Behagen eines Bades genösse. Schließlich stieß er einen tiefen Seufzer aus und rief wie in einem Selbstgespräch:

      »Und all dies kommen durch das Goldkäfer! Das hübsche Goldkäfer! Das arme, kleine Goldkäfer, auf den ich so hässlich geschimpft haben! Schämst du dich über dich selbst, Nigger? – Mir das antworten!«

      Es wurde schließlich nötig, dass ich sowohl den Herrn wie den Diener auf die Notwendigkeit hinwies, den Schatz wegzuschaffen. Es wurde spät und wir mussten uns anstrengen, um alles vor Tagesanbruch nach Hause zu schaffen. Dabei war es schwierig zu sagen, auf welche Weise das getan werden sollte, und wir verbrachten eine lange Zeit beim Überlegen, so verwirrt waren alle unsere Gedanken. Schließlich erleichterten wir die Truhe, indem wir zwei Drittel ihres Inhaltes herausnahmen, und konnten sie dann, wenn auch mit Mühe, aus dem Loch heraufschaffen. Das Herausgenommene wurde zwischen die Brombeersträucher gelegt und der Hund als Wache zurückgelassen, wobei ihm Jupiter den strengen Befehl gab, weder vom Fleck zu weichen, noch bis zu unserer Rückkehr einen Laut zu geben. Dann eilten wir mit der Truhe heim und erreichten sicher, aber nach unendlicher Mühe um ein Uhr morgens die Hütte. Es wäre über die menschliche Natur gegangen, bei unserer vollständigen Erschöpfung sofort wieder aufzubrechen. So blieben wir bis zwei Uhr und aßen zu Abend. Dann beluden wir uns mit drei festen Säcken, die wir zum Glück auf dem Grundstück fanden, und gingen wieder nach dem Bergland. Etwas vor vier Uhr kamen wir an der Grube an, verteilten den Rest unseres Fundes möglichst gleichförmig auf uns drei und traten dann wieder den Rückweg an, wobei wir die Grube offen ließen. Als wir in der Hütte zum zweiten Male unsere goldene Last absetzten, leuchteten im Osten über den Baumwipfeln gerade die ersten schwachen Strahlen der Morgendämmerung auf.

      Wir waren nun völlig erschöpft, doch die Erregung ließ uns nicht lange ruhen. Nach einem unruhigen Schlummer von drei oder vier Stunden erhoben wir uns, als hätten wir es vorher abgemacht, um unseren Schatz zu besichtigen.

      Die Truhe war bis zum Rand gefüllt gewesen und wir verbrachten den ganzen Tag und den größeren Teil der nächsten Nacht, um ihren Inhalt abzuschätzen. Es war nichts darin geordnet gewesen, alles lag in wirrem Durcheinander aufgehäuft. Nachdem wir nun das Ganze sorgfältig sortiert hatten, fanden wir uns im Besitz eines noch größeren Reichtums, als wir zuerst angenommen hatten. Münzen gab es im Wert von vierhundertfünfzigtausend Dollar – wobei wir die einzelnen Stücke so gut es ging nach den Tabellen ihrer Zeit schätzten. Auch nicht ein Silberstück war dabei. Alles war Gold von alter Prägung und in den verschiedensten Sorten – es gab französisches, spanisches und deutsches Geld, einige englische Guineen und ein paar Stücke, die wir gar nicht kannten. So fanden sich verschiedene sehr große und schwere Münzen, die so abgenutzt waren, dass wir von ihren Inschriften nichts mehr entziffern konnten. Es gab kein amerikanisches Geld. Schwieriger war die Schätzung der Juwelen. An Diamanten – einige waren außerordentlich groß und schön – zählten wir im Ganzen hundertzehn Stück, von denen keiner klein war. Wir fanden achtzehn Rubine von ungewöhnlichem Glanz, dreihundertzehn Smaragde – alle sehr schön – und einundzwanzig Saphire nebst einem Opal. All diese Steine hatte man aus ihren Fassungen herausgebrochen und lose in die Truhe geworfen. Die Fassungen selbst, die wir aus dem übrigen Gold herausfischten, schienen mit dem Hammer zusammengeschlagen zu sein, wie um die Feststellung ihrer Herkunft zu verhindern. Außerdem gab es eine große Menge an gediegenem Goldschmuck: ungefähr zweihundert schwere Finger- und Ohrringe; dreißig prächtige


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