Verwundetes Herz. Barbara Cartland
blitzten ihn an. „Glauben Sie, daß ich das will? Können Sie sich nicht vorstellen, daß ich genug darunter gelitten habe, verspottet und verachtet zu werden, nur weil mein Vater meiner Mutter keinen Ring an den Finger stecken konnte?“
Sie holte tief Luft.
„Ich will reich sein. Ich möchte eine Stellung im Leben einnehmen. Ich will angesehen sein und niemand ... niemand kann mich aufhalten!“
Fast spie sie ihm die Worte entgegen. Nach einem Augenblick der Überraschung lehnte er sich zurück und brach in Lachen aus.
„Sie sind großartig! Wenn irgendjemand sein Ziel erreichen wird, dann sind Sie es!“
„Und Sie werden mir helfen?“
„Wie kann ich das denn?“
„Sie können mir sagen, wo ich mich hinwenden muß. Sie können mich den richtigen Leuten vorstellen. Sie haben kein Geld, sagen Sie, aber Einfluß und das Kennen der richtigen Leute sind wichtiger als Wohlstand.“
Sie machte eine Pause.
„Wir treffen ein Abkommen - oui? Sie helfen mir, und ich werde Ihnen helfen. Ich heirate einen reichen Mann ... und wir teilen sein Geld!“
Wieder mußte Sheldon Harcourt lachen.
„Sie sind unverbesserlich. Noch nie ist mir ein solch fantastischer Vorschlag gemacht worden.“
„Warum ist das so fantastisch?“
„Glauben Sie wirklich, ich würde Ihr Geld annehmen?“
Sie sah ihn einen Moment forschend an.
„Warum nicht?“ fragte sie dann. „Sie sagen, Sie sind kein Edelmann, aber Sie sind ein Gentleman. Mein Vater hätte Sie akzeptiert. Und Sie können nicht vorgeben, daß Sie keinen Zutritt zur Gesellschaft und zu vielen angesehenen englischen Häusern haben.“
Sheldon Harcourt antwortete nicht.
Seine Augen beobachteten sie und sie hatte den Eindruck, als würde er ihre Worte überdenken.
„Wir werden zusammen in London ankommen“, fuhr sie mit ihrer weichen Stimme fort. „Sie erzählen Ihren Freunden, daß Sie sich meiner angenommen hätten, da mein Mann, der auf der Guillotine starb, Ihr Freund war.“
Sie lächelte.
„Eine Bekanntschaft wird zur nächsten führen. Und sobald ich einen Mann gefunden habe, der reich genug ist, werde ich ihn heiraten!“
Sie lehnte sich zurück.
„Es ist doch ganz einfach! Wo sehen Sie da die Schwierigkeiten?“
„Wie heißen Sie... ich meine, was ist Ihr wirklicher Name?“ fragte Sheldon Harcourt.
„Cerissa“, antwortete sie. „Und der einzige weitere Name, den zu tragen ich berechtigt bin, ist der meiner Mutter - Waring - aber wir haben ihn nie benutzt.“
„Wie haben Sie sich dann genannt?“
„Valence! Warum nicht? Ich habe mich meines Vaters nicht geschämt!“
„Warum sollten Sie auch?“
Sie warf ihm einen kurzen Blick zu.
„Ist das wirklich Ihre Meinung?“
„Selbstverständlich. Es ist nicht Ihre Schuld, daß Ihre Eltern nicht vor der Kirche vereint werden konnten!“
Cerissa seufzte.
„Sie waren in jeder anderen Beziehung vereint. Sie beteten einander an. Es waren zwei Menschen, die von Anfang an füreinander bestimmt waren.“
Sie machte eine Geste mit den Händen.
„Vielleicht sind sie jetzt vereint... wer weiß?“
Sie sah sehr jung aus in diesem Augenblick und ihre Gedanken schienen weit entfernt zu sein.
Als Sheldon Harcourt nichts sagte, sah sie ihn besorgt an und sagte: „Ich habe Ihnen die Wahrheit erzählt. Werden Sie mir helfen?“
„Vielleicht. Ich denke nach.“
„Dann lassen Sie uns zusammen nachdenken.“
Sie warf die Hermelindecke beiseite und fiel neben ihm auf die Knie.
„Bitte helfen Sie mir“, bat sie inständig. „In dem Augenblick, als ich diesen Raum betrat, wußte ich, daß Sie die Art von Engländer waren, den ich finden wollte. Ich wußte, daß ich Ihnen vertrauen konnte.“
„Sie glauben wirklich, daß Sie einem mittellosen Abenteurer vertrauen können?“ fragte er. „Denn ich bin nichts anderes als das. So habe ich mich die letzten fünf Jahre durchs Leben geschlagen.“
Einen Augenblick lang sagte sie nichts, dann fragte sie: „Haben Sie England verlassen müssen?“
„Ja, ich mußte aufs Festland kommen“, erwiderte er.
Er sagte dies in einer bestimmten Weise, die ihr jede weitere Frage verbot.
„Aber jetzt gehen Sie doch zurück ... und ich kann nicht mit Ihnen gehen?“
„Ich wüßte nicht, wie ich Ihnen von Nutzen sein könnte. Außerdem ist es besser für eine junge Witwe ohne männliche Begleitung zu reisen, da dies sonst unnötigen Anlaß für Klatsch und Tratsch gibt.“
„Vielleicht wäre es dann besser, wenn ich nicht verheiratet bin“, überlegte Cerissa. „Eigentlich war es Franchines Idee.“
Sheldon Harcourt sah in ihr kleines Gesicht, das zu ihm aufblickte.
„Hören Sie“, sagte er. „Keiner, der Sie kennenlernt, wird Ihnen glauben, daß Sie bereits verheiratet waren.“
„Warum nicht? Ich dachte, daß ich diesen Teil... sehr gut gespielt habe.“
„Nicht wirklich“, erwiderte er. „Nicht gut genug, um einen Mann mit Erfahrung zu täuschen.“
Mit einem hübschen Schmollmund sagte sie: „Dann werde ich eben ein junges Mädchen sein. Es sollte mir nicht schwerfallen, das zu sein, was ich wirklich bin.“
„Wie alt sind Sie?“
„Etwas über achtzehn.“
„Das ist sehr jung.“
„Und dabei fühle ich mich alt“, seufzte sie. „Es ist schon viel geschehen. Ich war so unglücklich. Ich muß jetzt lernen, für mich selbst zu sorgen.“
Sie klang wie ein Kind, das trotzig behauptete, keine Furcht vor der Dunkelheit zu haben.
„Die große Kunst der Verkleidung“, sagte Sheldon Harcourt, „ist die Gabe, natürlich zu sein. Man selbst zu sein, wenn möglich. Lassen Sie mich nachdenken.“
Er starrte einen Augenblick lang in das Feuer, bevor er fragte: „Ist irgendjemand von der Valence-Familie emigriert?“
„Keiner. Mein Vater war der Meinung, daß nur Feiglinge emigrieren und er war Franzose. Wenn er sterben mußte, dann wollte er auf französischem Boden sterben!“
Wieder entfuhr ihr ein kleiner Seufzer.
„Und das hat er dann ja auch getan.“
„Und die Duchesse?“
„Sie haben ihr mit ihrem geliebten Bischof zusammen den Kopf abgeschlagen. Ich glaube, das war poetische Gerechtigkeit, da sie ihn ja so geliebt hat!“
Sheldon Harcourt legte seinen Finger unter Cerissas Kinn.
„Sie sind ein blutrünstiges kleines Ding!“
„J’ai detesté cette femme - Ich habe sie gehaßt!“ rief Cerissa wütend aus. „Sie hat grausame und schlechte Dinge über Mama gesagt. Sie hat alles versucht, uns das Leben schwer zu machen.“
„Ich nehme an, sie war eifersüchtig.“
„Es