Verwundetes Herz. Barbara Cartland
„Selbstverständlich möchte ich heiraten! Ich will, daß die Menschen mich anerkennen, mich bewundern; ich will Zutritt haben zu all den großen Häusern, deren Türen immer vor mir verschlossen waren.“
Sie holte tief Luft.
„Können Sie sich vorstellen, wie das war, wenn Papa sich festlich kleidete, um ein Dinner im Palast der Tuileries oder einen Ball in Versailles zu besuchen, aber Mama alleine zurücklassen mußte?“
Sie machte eine Pause, bevor sie fortfuhr: „Er erzählte uns von den Menschen, die er traf, von den Staatsmännern, mit denen er gesprochen hatte, von den Unterhaltungen, die er mit dem König und der Königin geführt hatte.“
Cerissa seufzte.
„Während ich ihm zuhörte, wußte ich, daß ich immer ... außerhalb dieser Türen sein würde, niemals ... drinnen.“
Sie ergriff Sheldon Harcourts Hände.
„Helfen Sie mir. Und wie sehr Sie auch lachen mögen, ich verspreche, ich werde Ihnen auch helfen. Sie sagen, Sie sind ein Abenteurer, nun, ich bin eine Abenteurerin. Warum sollten wir nicht zusammenarbeiten können?“
„Die Reichen ausrauben?“ fragte Sheldon Harcourt herausfordernd.
„Alles was wir wollen, ist ein reicher Mann ... nur einen ... der mir die Ehe anbietet.“
Cerissa sprang auf die Füße.
„Sehen Sie mich an! Sehen Sie mich an und sagen Sie mir, daß es in ganz England keinen einzigen Mann gibt, der dumm genug ist, mir sein Herz zu Füßen zu legen.“
Im Lichtschein des Kaminfeuers sah sie außergewöhnlich schön aus - fast wie ein Komet am Himmel.
„Es sollte nicht schwer sein... einen solchen zu finden“, mußte Sheldon Harcourt zugeben, obwohl es ihm offensichtlich schwerfiel, es auszusprechen.
„Dann finden Sie ihn!“ forderte Cerissa ihn auf. „Finden Sie ihn, und unser beider Glück ist gemacht!“
„So leicht ist es nun wieder nicht.“
„Warum nicht?“
„Weil die Leute Verdacht schöpfen werden, wenn ich ständig in Ihrer Gesellschaft bin, so wie Sie aussehen!“
„Tiens! Das kann ich verstehen! Ich weiß nur zu gut, was man über Mama geredet hat, aber ...“
Sie dachte einen Augenblick nach, dann leuchteten ihre Augen auf.
„Warum können Sie nicht mein Beschützer sein? Nehmen wir an, Papa hat, als er die Stufen zur Guillotine hinaufging, gesagt: ,Dies ist mein Kind, das ich geliebt habe. Beschütze es und sorge für sie. Bring sie nach England, damit ihr Leben außer Gefahr ist‘!“
Dramatisch hatte Cerissa gesprochen und fragte jetzt: „Wenn mein Vater diese Worte zu Ihnen gesprochen hätte, was hätten Sie ihm geantwortet?“
„Wenn ich so dumm gewesen wäre, mich in der Nähe der Guillotine aufzuhalten“, erwiderte Sheldon Harcourt, „dann hätte ich einem Mann kurz vor seinem Tod eine solche Bitte wohl nicht abschlagen können.“
„Sehen Sie!“ rief Cerissa triumphierend aus. „Das ist unsere Geschichte. Sie sind mein Vormund ...“
Sie legte den Kopf ein wenig zur Seite und sagte dann:
„Sie sehen fast alt genug aus, um mein Vormund zu sein...“
„Ich bin einunddreißig“, erwiderte Sheldon Harcourt. „Und ich glaube nicht, daß man meine Geburtsurkunde prüfen will, wenn ich ein paar Jahre drauflege.“
„Sehr gut. Sie sollten siebenunddreißig sein“, entgegnete Cerissa. „Das ist in jeder Beziehung alt genug.“
„Sehr alt“, sagte er sarkastisch, „für jemanden, der so jung ist wie Sie.“
„Und ich werde mich als ... siebzehn ausgeben“, gab Cerissa bekannt. „Schließlich war ich erst vor einem Jahr wirklich so alt. Ich werde mich sehr jung kleiden und auch frisieren. Franchine hat diese Frisur für eine Witwe ausgesucht.“
Sie zog die Ringe vom Finger und reichte den Brillant und den Perlenring Sheldon Harcourt.
„Früher oder später werden Sie versuchen müssen, einen guten Preis dafür zu erzielen. Und eventuell muß auch Mamas Perlenkette diesen Weg gehen.“
„Sie sind sehr vertrauensselig. Stellen Sie sich vor, ich verschwinde mit den Ringen und Sie sehen mich niemals wieder!“
„Ich vertraue Ihnen. Und mein Gefühl hat mich noch niemals getäuscht, wenn es darum ging, Menschen richtig einzuschätzen. Papa hat oft gesagt, daß ich etwas von den Gaben einer Hexe besitze.“
„Ich habe den Eindruck, daß Ihre Hexenkräfte im Augenblick Überstunden machen“, bemerkte Sheldon Harcourt trocken. „Ich habe noch niemals einen solchen verrückten, hirnverbrannten Plan außer im Theater gehört.“
Sheldon Harcourt dachte einen Augenblick nach.
„Sie haben mir noch nicht erzählt, wie viele Kinder der Duc hatte.“
„Drei“, erwiderte Cerissa. „Eigentlich fünf, aber zwei sind gestorben. Die Tochter war häßlich wie ihre Mutter. Ich habe sie nie gemocht!“
„Was ist mit den beiden Söhnen geschehen?“
„Sie waren im gleichen Gefängnis wie mein Vater. Man hat vermutet, daß sie zusammen mit meinem Vater hingerichtet worden sind. Auf jeden Fall ist niemand von der Familie in das Chateau zurückgekehrt, bevor es zerstört worden ist, das weiß ich ganz sicher!“
„Lag das Gut des Duc in der Nähe von dem Haus Ihrer Mutter?“
„Ungefähr drei Meilen entfernt. Daher brachte mein Vater mich und meine Mutter nach Nogent-sur-Seine. Er liebte es, auf dem Land zu leben und hat die meiste Zeit bei uns verbracht. Wenn er nach Paris ging, gingen wir mit ihm. Er hatte meiner Mutter ein Appartement in der Nähe seines herrschaftlichen Hauses geschenkt.“
Cerissa machte eine verächtliche Bewegung.
„Ein kleines Appartement... ein hübsches Landhaus ... immer versteckt! Das war mein Leben ... sich beschämt und bedeutungslos fühlen.“
Unruhig lief sie durch das Zimmer und blieb dann wieder vor dem Feuer stehen.
„Deshalb möchte ich respektiert werden, in einem Wagen zur Kirche fahren, in den vordersten Reihen stehen und mit den wichtigen Leuten Gespräche führen.“
„Sie werden sie nach einer Weile sehr langweilig finden.“
„Nichts was richtig und korrekt ist, kann langweilig für mich werden. Ich habe die andere Seite des Lebens zur Genüge kennengelernt.“
Cerissa holte tief Luft und fuhr dann fort: „Ich habe gesehen, wie meine Mutter zusammenzuckte, wenn Leute sie beleidigten. Ich habe die Verachtung in der Stimme der Leute gehört für eine chère amie ... eine Frau, die nichts an Empfehlung in den Augen der anderen vorzuweisen hatte ... außer einem Mann, der ihre Rechnungen bezahlte.“
In Cerissas Worten klang ein fast giftiger Ton mit. Dann warf sie sich erneut auf die Knie.
„Helfen Sie mir! Oh, bitte, helfen Sie mir! Dies ist meine einzige Chance, die einzige Gelegenheit, die ich habe, die Person zu werden, die ich sein möchte.“
Sie war sehr schön und die Bitte in ihren Augen war unwiderstehlich. Aber die blauen Augen von Sheldon Harcourt waren hart und es klang keine Sympathie in seinen Worten, als er sagte: „Wenn ich Ihnen helfe, werden Sie mir gehorchen?“
„Wollen Sie damit sagen, daß Sie... einwilligen ... mich England vorzustellen?“
„Ich glaube, daß ich vielleicht den größten Fehler meines Lebens begehe“, erwiderte Sheldon Harcourt. „Es gibt ein Sprichwort, nach dem ich mich immer gerichtet habe: ,Der, der allein reist, kommt schnell voran‘.“
„Und