TRUDGE - SCHLEICHENDER TOD. Shawn Chesser

TRUDGE - SCHLEICHENDER TOD - Shawn Chesser


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torkelte auf ihn zu.

       Mit einer fließenden Bewegung wich Cade ihrem Angriff aus, zog seinen Gerber-Dolch mit der linken Hand und stieß ihn tief in ihre Augenhöhle. Ihre wild um sich schlagenden Arme waren nicht in der Lage, ihn zu packen, als sie am Fuß der Eiche zusammensackte.

       Nachdem er den Dolch schnell am Gras abgewischt hatte, steckte er ihn zurück in die Scheide.

       Cade fühlte, dass etwas Weiches und Nasses unter seinen Schuhen zermalmt wurde. Als er hinuntersah, blickte er voller Ekel auf einen Hügel menschlich aussehender Überreste. Rippen, Rückgrat, Hautfetzen, Sehnen, Fleisch und Blut lagen in einem glitschigen Haufen auf dem Gras.

       Cade untersuchte die Überbleibsel, als ihn eine hohe Stimme von oben mit einem Schrei warnte: »Pass auf, hinter dir!«

       Schneller als ein Revolverheld im Wilden Westen hatte Cade die Glock aus dem Bianchi-Schulterholster gezogen und zwei Schüsse kurz hintereinander abgefeuert. Der tödliche Doppelschuss entfernte den Stirnlappen und den größten Teil von Stirn und Schädeldecke eines älteren Mannes. Als er in Richtung der beiden anderen untoten Körper fiel, spritzte der verbleibende Inhalt seines Schädels auf den Boden. Der Kerl trug blutige Nachtkleidung und hielt eine Zeitung in seiner Hand. Zahlreiche Bisswunden waren auf seinen Armen, in seinem Gesicht und Nacken zu erkennen.

       »Verflixt. Das ist der alte Bandon. Er war auch einer von ihnen?«, fragte die gesichtslose Stimme im Baumhaus.

       Die Schüsse hatten die Aufmerksamkeit der Untoten geweckt. Wie auf Kommando hallte ihr grausiges Stöhnen von den umliegenden Häuserblöcken wider.

       »Komm runter«, sagte Cade und legte eine Pause ein, um die Umgebung abzusuchen. Nachdem eine Antwort von oben ausblieb, rief er: »Wenn du leben willst, dann lass uns jetzt gehen.«

       Zwei ängstliche Gesichter schauten vom Baumhaus herunter. Schnell wurde die Leiter herabgelassen. Sie kletterten beinahe übereinander, um den Boden zu erreichen.

       Kaum hatten die Jungen die blutigen angehäuften Überreste entdeckt, platzte der jüngere der beiden heraus: »Missy ist tot.« Er begann zu weinen; Schnodder lief auf seine Oberlippe.

       Das Schlimmste denkend, fragte Cade die Jungen, ob Missy ihre Schwester gewesen war.

       Der ältere Junge antwortete mit tränenerstickter Stimme: »Nein. Missy war unser Cockerspaniel.«

       Cade blickte nach unten – auf der einen Seite erleichtert, auf der anderen Seite für einen Augenblick sprachlos. Dann herrschte er sie im Befehlston an: »Kommt hinter mir her! Los, beeilt euch, aber seid still.«

       Der ältere Junge packte den Jüngeren am Nacken und hastete mit ihm an den drei Leichen am Fuße des Baumes vorbei, stets darauf bedacht, ihn mit seinen Händen von dem Anblick abzuschirmen. Es gelang ihm aber nicht, seinen jüngeren Bruder davon abzuhalten, die Körper der Untoten zu sehen. Kaum hatte er sich von dem älteren Jungen losgerissen, fiel der jüngere auf seine Knie und stieß einen kehligen Heulton aus. »Mama … Papa …«

       Cade kniete sich ebenfalls hin und legte seinen Arm um die Schulter des kleinen Jungen.

       Er aber schüttelte die Umarmung ab und boxte stattdessen mit seiner Faust gegen die Schläfe des Fremden. »Du hast sie umgebracht!«, schrie der kleinere Junge, wobei ihm Spucke aus dem Mund lief.

       Cade umarmte den Jungen und hoffte, ihn so weit zu beruhigen, dass er ihn von dem gerade Gesehenen ablenken konnte. Doch er sah noch Sterne nach diesem Überraschungsangriff und brauchte eine kurze Erholungspause. Der Schlag gegen seine Schläfe hatte perfekt gesessen und dröhnte noch immer in seinem Kopf.

       Nach einigen leisen, beruhigenden Worten seines Bruders hörte der Junge endlich auf, wild um sich zu schlagen.

       Cade hielt ihn noch immer fest und flüsterte in das Ohr des Jungen: »Ich mache dir keinen Vorwurf, wie du gerade reagiert hast. Trotzdem musst du etwas verstehen. Es tut mir unglaublich leid, was ich getan habe, aber auch wenn es schwer zu glauben ist, sie waren bereits tot.« Für einen Augenblick legte er eine Pause ein, um nachzudenken, bevor er dann laut weitersprach: »Warum helft ihr beiden mir nicht herauszufinden, was heute Morgen passiert ist.« Cade ließ den Jungen los.

       Der sagte: »Als Mama von ihrem Nachtdienst im Krankenhaus zurückkam, fing sie an, mit Papa zu streiten. Sie zanken sich oft, aber das war der allerschlimmste Streit von allen. Normalerweise gehen wir ihnen aus dem Weg, bis sie sich beruhigt haben.«

       »Ich schob Ike ins Baumhaus. Wir wollten hier warten, bis sie sich abgeregt hatten«, fügte der ältere hinzu. »Als es dann nach einer Weile ganz ruhig wurde, hatten wir uns entschlossen, ins Haus zurückzugehen. Ich habe die Eingangstür geöffnet, die wie immer gequietscht hat. Das Nächste, was ich gesehen habe, waren sie«, erklärte er, während er auf seine toten Eltern zeigte.

       Cade erzählte den beiden Jungen, was er erfahren hatte. »Ich hab es alles aus den Nachrichten erfahren. Ein Virus oder so etwas lässt Menschen sterben und bringt sie dann zurück ins Leben oder macht sie untot oder was auch immer. Sie wollen nur fressen: euch, mich, euren Hund … alles Lebende … Sie machen da keinen Unterschied und erkennen nicht einmal ihre Familien.«

       »Wir haben uns gefragt, warum sie ständig den Baum umkreisten und uns nicht geantwortet haben. Ich war ganz durcheinander, denn Papa war blutüberströmt«, sagte der ältere Junge und zuckte erneut zusammen, als er zu den toten Körpern schaute. Die beiden Brüder umarmten sich und weinten.

       Cade ließ sie einen Augenblick in Ruhe, lenkte dann aber ihre Aufmerksamkeit auf sich, um sie über ein letztes wichtiges Detail zu informieren. »Die Nachrichtensprecher sagen, dass man die Infizierten nur in ihrem Angriff stoppen kann, indem man ihr Hirn zerstört. Wenn man sie an irgendeiner anderen Stelle trifft, greifen sie weiter an.«

       Das Gespräch dauerte nur ein paar Augenblicke. Weitere Untote stöhnten um sie herum, und es klang, als kämen sie näher.

       Cade steckte seine Pistole ins Holster, sicherte den Eispickel am Fahrradgepäckträger und flüsterte den beiden Jungen leise zu: »Folgt mir, wenn ihr leben wollt.«

       Die nervenaufreibenden Töne, die von der großen Gruppe Zombies in einer Entfernung von ungefähr 100 Yard kamen, überzeugten die Brüder restlos, dem Fremden auf dem Fahrrad zu folgen.

      Kapitel 5

      Tag 2 - Myrtle Beach, South Carolina

      Der durchdringende Schrei einer Frau kam von unten. Brook setzte sich kerzengerade auf und brauchte eine Minute, um sich zu erinnern, wo sie war. Die Uhr zeigte 8:37h. Raven hatte mit ihr in dem schmalen Doppelbett geschlafen. Sie war elf Jahre, aber noch etwas klein für ihr Alter. Da sie immer sehr tief schlief, brauchte sie länger, um von dem Tumult unten in der Küche wach zu werden.

       Da Brook befürchtete, dass ein Einbrecher im Haus war und ihre Mutter angriff, verhielt sie sich still. Sie starrte auf ihre Tochter, als diese aus dem Schlaf aufschreckte. Mit einem ernsten Blick und einem Finger auf ihren Lippen wies sie Raven an, sich still zu verhalten. Ruhe erfüllte das Haus. Sie strengte sich an, um noch etwas zu hören. Brook dachte: Papa muss noch im Bett sein; nur wie kann jemand bei diesem Lärm schlafen?

      ***

      Brooks Vater arbeitete als Arzt in der Notaufnahme im Grand Strand Regional Hospital. Gestern Abend gegen 21.00h war er von einem Patienten gebissen worden. Der fiebernde, halluzinierende Mann biss ihn, als er sich über ihn gebeugt hatte, um sein Herz mit dem Stethoskop abzuhören. Als die Krankenpfleger versuchten, den streitlustigen sterbenden Mann zurückzuhalten, biss er – das erste bestätigte Pandemieopfer dieses Krankenhauses – auch einen von ihnen.

       Bevor ihr Vater nach Hause gekommen war, hatte einer der anderen Ärzte in der Notaufnahme die Bisswunde gereinigt, sie verbunden und ihm Antibiotika gespritzt. Am vergangenen Abend war er vor allen anderen ins Bett gegangen. Er hatte Krämpfe und glühte vor hohem Fieber. Die oberflächliche Bisswunde an seinem Bauch war seine geringste Sorge; er hatte den starken Verdacht, an der neuen Grippepandemie erkrankt zu sein. Der Mann, der ihn biss, hatte die gleichen Symptome gezeigt, an denen er jetzt litt. Um für alle Fälle genug Abstand zu halten, wollte er sich allein schlafen legen und hatte gesagt: »Bis morgen früh! Ich liebe dich, Brook und auch dich, Raven, mein


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