Die Vampirschwestern 11 - Vorsicht, bissiger Bruder!. Franziska Gehm
ist es denn jetzt überhaupt?“, fragte Tante Karpa, die am Fußende des Sargs stand.
„Ein Vampir, sieht man doch!“, krächzte Oma Zezci, die kopfüber in der Kellerecke hing und sich schon mal einen Karpovka genehmigte.
„Ein normaler Mensch ist es auf jeden Fall nicht“, sagte Oma Rose.
„Nein, aber ein wunderschönes Halbvampirmädchen, genau wie ihr zwei“, sagte Mihai und zwinkerte seinen Töchtern zu.
„Es ist ein Mädchen?“ Onkel Vlad sah das Baby skeptisch an. „Sieht mir eher aus wie ein Junge.“
„Und mir wie ein verschrumpelter Apfel“, sagte Daka.
„Ist es ja auch“, sagte Dr. Chivu. „Ein Junge, meine ich.“
„Nein, mein Lieber. Ist es nicht. Es ist ein Mädchen“, sagte Mihai.
„GUMOX!“ Dr. Chivu streckte die Brust heraus. „Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Ich bin Arzt. Seit 2443 Jahren. Ich kann einen Jungen ohne den geringsten Zweifel von einem Mädchen unterscheiden. Da gibt es nämlich einen gewissen kleinen Unterschied, falls dem stolzen Herrn Papa das noch nicht bekannt sein sollte.“
Das engelhafte Lächeln von Elvira Tepes wirkte etwas eingefroren, als sie jetzt zwischen ihrem Mann und dem transsilvanischen Arzt hin und her sah. „Er hat recht, Mihai. Wir haben einen Sohn.“
„Also doch!“ Vlad rieb sich die Hände. „Ein Junge!“
„Ein Bruder, hoi boi!“ Daka stieß die Faust in die Höhe.
„Es KANN gar kein Junge sein!“ Im Glanz von Mihais Augen schimmerte jetzt nicht nur Freude, sondern auch Angst.
„Beruhig dich, kleiner Bruder.“ Onkel Vlad legte Mihai einen Arm auf die Schulter. „Ich hatte mir damals auch ein Mädchen gewünscht. Erinnerst du dich, Karpa?“
Tante Karpa seufzte und verdrehte die Augen.
„Aber da kann man wünschen, so viel und fest man will. Der Klapperstorch ist schließlich nicht der Weihnachtsmann.“ Onkel Vlad nickte, zufrieden über diese weise Erkenntnis. „Ich wollte eine süße Tochter. Und dann kam Woiwo. Ich gebe zu – ich war durcheinander, ja sogar etwas enttäuscht. Aber höchstens einen Tag lang. Ich liebe Woiwo, genau wie ich eine Tochter geliebt hätte.“
„Bei uns ist das aber etwas anderes. Der Klapperstorch hatte genaue Anweisungen.“ Mihai sah flehend zu Dr. Chivu. „Sind Sie sich sicher? Ich meine, mit dem kleinen Unterschied? War er vielleicht ganz mini winzig klein und Sie haben …?“
„Ich habe nichts verwechselt und nichts übersehen. Es besteht nicht der geringste Zweifel: Dieses Baby ist ein Junge!“ Dr. Chivu zeigte zur Kellerdecke.
„Mihai, was ist denn mit dir los?“ Frau Tepes griff nach der Hand ihres Mannes. „Jetzt haben wir zwei Mädchen und einen Jungen. Das ist doch perfekt!“
„Perfekt? Die perfekte Katastrophe!“ Mihai sank auf den Sarg zu seiner Frau.
„Ein kleiner Bruder!“ Silvania strahlte. „Und wie heißt er?“
„Gute Frage“, sagte Elvira.
„Ich finde Edward todschick!“ Silvania sah sehnsüchtig zum Baby.
„Wie wäre es mit Krajo?“, warf Tante Karpa ein.
„Oder Fango?“, sagte Onkel Vlad.
„Oder Liviu?“ Dr. Chivu räusperte sich.
„Ich bin für Rocco Pogo Draco“, sagte Daka.
„Ich weiß nicht …“ Elvira sah zu ihrem Mann. „Was gefällt dir denn?“
„Mir?“ Mihai blinzelte nervös. „Doris. Hannelore. Oder Olga. Ja, Olga, das passt gut. Olga Tepes, ich denke, wir haben’s.“
„Papa, Olga ist ein MÄDCHENname“, sagte Silvania.
„Na und? Noch nie etwas von Gleichstellung der Geschlechter gehört?“ Mihai rümpfte die Nase.
„Wenn du so sehr auf Gleichstellung pochst, dann zieh deinem Sohn meinetwegen einen rosa Flugstrampler an“, knurrte Oma Zezci aus der Kellerecke. „Aber Doris Hannelore Olga heißt mein Enkel sicher nicht!“
„Na schön, wenn ihr alle so altmodisch seid“, erwiderte Mihai Tepes. „Dann eben Olga Draco Tepes. Da habt ihr euern Jungennamen, damit kann ich auch leben.“
Elvira sah ihren Mann nachdenklich an.
Der kleine Olga pupste im Schlaf.
„Das ist ein Zeichen“, sagte Daka. „Unser Bruder furzt auf einen Mädchennamen. Würde ich an seiner Stelle auch.“
Elvira drückte die Hand ihres Mannes. „Unsere Zwillinge sind in Transsilvanien geboren. Sie haben vampwanische Namen. Sehr schöne vampwanische Namen. Unser Sohn aber kam in Bindburg, in Deutschland, auf die Welt. Ich finde, es ist Zeit für einen sehr schönen deutschen Namen.“
Oma Rose nickte eifrig.
Oma Zezci runzelte besorgt die Stirn.
Elvira richtete sich im Sarg auf und deutete Mihai an, das Baby abzuhängen. Mihai hielt seinen Sohn einen Moment in den Armen. Erst musterte er ihn kritisch. Dann aber lächelte er verträumt. Das kleine Vampirbaby kniff die Augen zusammen und nieste.
„Gesundheit!“ Elvira lächelte, als Mihai ihr das Baby behutsam reichte. „Ganz der Papa, was? Schließlich war dein Papa bei den Vampolympics 1877 Sieger beim Ha-Chi-Wettkampf.“ Der Ha-Chi-Kampf war eine jahrtausendealte Kunst, bei der ein Vampir einen anderen Vampir umnieste.
„Echt?!“ Silvania sah ihren Vater erstaunt an. „Davon hast du uns noch nie erzählt!“
Mihai winkte ab. „Ist doch schon ewig her.“
„Na, aber hallo!“, wandte Daka ein. „Wir haben einen Vampolympics-Sieger als Papa und wissen nichts davon?!“
„Es gibt Wichtigeres, als andere Vampire umzuniesen“, sagte Mihai ernst.
„Genau“, sagte Tante Karpa. „Und im Moment ist das Wichtigste, einen Namen für diesen süßen, blassen Halbvampir zu finden.“
Frau Tepes schmiegte ihre Nase an die Wange des Babys. Es öffnete die Augen. Elvira lächelte es an und betrachtete es genau. Dann sagte sie leise: „Willkommen zu Hause, Franz.“
Franz gluckste.
Babybeobachter
Starr wie ein Kaktus stand er dicht hinter der Gardine und sah aus dem Fenster. Dirk van Kombast folgte den drei Mädchen mit wachsamem Blick. Sie schoben eine Art Kinderwagen, der eher wie ein kleiner Sarg auf Rädern aussah, den Lindenweg entlang.
Mittlerweile kannte Dirk van Kombast diese Mädchen genau. Silvania und Dakaria Tepes, die Nachbarsmädchen, waren nicht nur Zwillinge, sondern auch Halbvampire. Gleich damals, als Familie Tepes aus Transsilvanien direkt neben ihm eingezogen war, hatte er es geahnt: Die Vampire waren, genau wie seine Mutti es gesagt hatte, überall. Und jetzt waren sie im Lindenweg! Zwar war Elvira Tepes ein Mensch, aber normal war sie mit Sicherheit nicht – schließlich war sie mit einem Vampir verheiratet.
Ebenso wenig normal war das dritte Mädchen: Helene Steinbrück. Sie war die beste Freundin der Vampirschwestern. Auch über sie wusste Dirk van Kombast bereits einiges, vor allem, seit er ihr Tagebuch in den Händen gehabt hatte: Unter ihren langen blonden Haaren versteckte sie ein Hörgerät. Ihr Vater war Zahnarzt. Und sie war in irgendeinen muffigen Vampir verliebt. Und somit, fand Dirk van Kombast, nicht mehr zu retten.
Dirk reckte sich und versuchte, einen Blick in den Kinderwagen, oder vielmehr Sargwagen, zu erhaschen. Doch eine Art Sonnensegel versperrte die Sicht. „Och, verträgt der kleine Scheißer keine Sonne, was?“, raunte Dirk van Kombast.
Seit der Geburt nebenan waren nun schon zehn Monate vergangen. Die Wochen zuvor hatte Dirk die Nachbarin immer dicker und immer flugfreudiger erlebt. Er hatte die transsilvanische Verwandtschaft landen und ein paar Tage nach