Die Vampirschwestern 11 - Vorsicht, bissiger Bruder!. Franziska Gehm

Die Vampirschwestern 11 - Vorsicht, bissiger Bruder! - Franziska Gehm


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Aber wagen Sie es nicht, mich hinters Licht führen zu wollen. Es wäre sowieso sinnlos.“

      „Ich weiß“, sagte Mihai leise, als die Gestalt mit dem Hut bereits wieder hinter die Hecke getreten und in der Dunkelheit verschwunden war.

      Rakete im Parkverbot

      Schule ist doof“, sagte Silvania.

      Daka sah ihre Schwester erstaunt an. „Ich dachte, du magst Schule. In der Schule gibt es jede Menge Bücher und jede Menge Jungs – du musst dich doch da so wohlfühlen wie eine Wildsau in der Schlammpfütze.“

      „Tu ich sonst ja auch. Aber wenn wir nicht in die Schule müssten, könnten wir den ganzen Tag mit Franz spielen.“

      „Wenn der Rest von Franz genauso schnell wächst wie seine Eckzähne, kann er bald mit in die Schule. Das wäre cool!“

      Die Vampirschwestern hatten sechs mäßig coole Unterrichtsstunden hinter sich gebracht und waren auf dem Heimweg. Gerade bogen sie in den Lindenweg ein.

      Silvania schnaufte. „Wehe! Ich will, dass er ganz lange süß, niedlich und knuffig bleibt.“

      „Bissig hast du noch vergessen.“

      „Den Biss hat er von Papa. Das Süße und Niedliche hat er von mir.“ Silvania grinste.

      „Hast du Papa heute Morgen gesehen?“

      „Furchtbar. Sah aus wie ein im Schnellwaschgang geschleuderter Zombie.“

      „Ein Vampir, der wie ein Zombie aussieht – krasser geht’s nicht“, fand Daka.

      „Seine Arbeit im Institut muss voll stressig sein.“

      „Gumox. Er schläft nicht gut, hat er doch gesagt.“

      Hätte Daka gewusst, wie recht sie damit hatte! Ihr Vater schlief nicht nur schlecht, momentan schlief er gar nicht. Mihai Tepes lag seit Stunden in seinem Sarg wach, trommelte mit den Fingern auf das Eichenholz und dachte nur an eins: Wie konnte er seinen erstgeborenen Sohn retten? Wie konnte er seine dunkle Vergangenheit ungeschehen machen? Gab es überhaupt irgendeinen Ausweg aus dieser furchtbaren Situation? Herr Tepes wälzte sich von einer Sargseite auf die andere. Er zog sich alle zehn Minuten am Lakritzschneckenschnauzer. Zur Anregung seines Verstandes genehmigte er sich einen Karpovka am frühen Nachmittag. Doch ihm wollte keine Lösung einfallen.

      „Wenn du mich fragst, fehlt ihm nicht nur Schlaf, sondern noch irgendwas hier oben.“ Silvania tippte sich an die Stirn. „Sein Sohn ist seit zehn Monaten auf der Welt und er nennt ihn immer noch Olga! Snips tschem Breszu bratscho!“ Das war eine vampwanische Redensart und bedeutete so viel wie „Verrückt wie ein dicker Presssack“. Keiner wusste mehr so genau, was das Verrückte an einem dicken Presssack war. Aber irgendetwas völlig Verrücktes musste ein Presssack mal in Transsilvanien angestellt haben, wenn sich die Redensart so lange gehalten hatte.

      „Total snips! Hast du den Strampler gesehen, den er vorgestern angeschleppt hat? Rosa mit glitzernden Schleifchen und Spitzenrüschchen am Popo.“ Daka machte Geräusche, als wäre ihr eine Schmeißfliege im Hals stecken geblieben. „Hätten sie mir so etwas angezogen, hätte ich es sofort mit Blutbrei vollgekotzt.“

      „Hä? Was ist das denn?!“ Silvania blieb stehen.

      „Na, diese rote Matsche, die wir als Babys in Bistrien immer gefüttert bekommen haben. Blutwurst, Hühnerpudding und Haferschleim mit lauwarmem Frischblut zusammengepampt.“

      „Nein, ich meine das silberne Dings da.“

      Daka folgte dem Blick ihrer Schwester. Vor dem Haus von Dirk van Kombast stand ein Wohnwagen. Allerdings war er so groß wie zwei Wohnwagen. Die Fenster waren voll verspiegelt und glänzten auf der silbernen Karosse wie riesige Facettenaugen. Auf dem Dach reckten sich mehrere Antennen, Metallfedern und Drähte gen Himmel. Die Räder waren so groß wie die eines Lastwagens, die Außenspiegel wie Kuchenbleche. Der Kühlergrill erinnerte an den aufgerissenen Rachen eines Hais. Vom Dach bis zum Heck verliefen zwei glänzende Streben, die wie Flossen aussahen und an deren spitzen Enden rote Lampen prangten.

      „Sieht aus wie eine Rakete auf Rädern“, sagte Daka.

      „Okay. Also entweder sind Außerirdische im Lindenweg gelandet oder das Teil da ist Dirk van Kombasts neuer Dienstwagen.“

      „Keins von beiden.“ Daka deutete mit dem Kopf auf den Nachbarn. „Benimmt sich zwar manchmal wie ein Außerirdischer, ist aber ein ganz normaler, okay, halbwegs normaler Mensch.“

      Dirk van Kombast stampfte um den silbernen Wohnwagen herum. Seine goldenen Locken wippten. Seine Wangen schimmerten rot, passend zu seinem Polohemd. „Hier ist PARKVERBOT! Sie stehen mitten vor meinem Grundstück! Das ist eine mutwillige Verletzung der Privatsphäre!“

      Der silberne Wohnwagen schwieg. Erst als Dirk van Kombast kräftig an die Fahrertür klopfte, regte sich etwas. Das abgedunkelte Fahrerfenster des Wohnwagens surrte leise ein Stück nach unten. „Verzeihung, aber ich habe gar kein Parkverbotsschild gesehen“, drang eine ruhige Stimme heraus.

      „Na so was. Und Sie meinen, das gibt Ihnen gleich das Recht, ihren aufgebrezelten Straßendampfer direkt vor meinem Grundstück zu parken?“ Dirk van Kombast stellte sich vor der Fahrertür auf die Zehenspitzen und reckte den Kopf Richtung Fensterspalt. „Nein, hier gibt es kein Parkverbotsschild. Aber DORT drüben am Zaun steht MEIN Namensschild. Dirk van Kombast! Und wo Dirk van Kombast drin wohnt, da darf auch nur Dirk van Kombast davor parken!“

      „Ach“, kam es aus dem Wohnmobil.

      „Was heißt hier Ach? Entschuldigung, das wäre angebrachter! Sie versperren mir ja die ganze Sicht mit ihrem Land-U-Boot!“ Dirk van Kombast stemmte die Hände in die Hüften.

      „Das tut mir leid. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Natürlich werde ich Ihnen nicht länger den sagenhaften Ausblick auf diese aufregende Sackgasse versperren. Ich bin gleich weg.“ Der Fahrer des Wohnwagens ließ den Motor an. Dann tuckerte er ein paar Meter weiter und blieb vor dem Haus von Simona Zicklein stehen.

      Dirk van Kombast nickte zufrieden, machte kehrt und verschwand im Haus. Freie Sicht für freie Bürger – er hatte, was er wollte.

      Silvania und Daka warteten einen Moment. Doch nichts tat sich. Weder öffnete sich die Fahrertür, noch fuhr der Wohnwagen weiter. Der Motor verstummte schließlich. Zögernd gingen die Schwestern auf das befremdliche Fahrzeug zu. Wie ein herausgeputzter, schlafender Elefant stand der Wohnwagen in der Nachmittagssonne. Direkt unter dem Fahrerfenster war ein weißes Schild angebracht, auf dem mit schwarzen Buchstaben stand:

      Dr. Tinkturo Mörser

      Reparaturen, Restaurierung, Instandsetzung

      jeder Art, Zeit und Form

      „Eine rollende Werkstatt“, schlussfolgerte Daka.

      „Und ein Doktor. Vielleicht kann dieser Dr. Mörser das Gehirn von Papa wieder instand setzen.“ Silvania kicherte, als hätte sie selbst Probleme mit dem Gehirn.

      „Ihr habt einen Auftrag für mich?“, fragte jemand im Wohnwagen. Das Fahrerfenster war einen Spalt geöffnet.

      Dr. Mörser

      Dr. Tinkturo Mörser hatte mit der Aufschrift auf der Fahrertür seines Wohnwagens nicht zu viel versprochen. Er konnte tatsächlich alles reparieren. Innerhalb von 24 Stunden sprachen sich sein ausgezeichneter Service und seine Fachkenntnis in nahezu allen Häusern der Wohnsiedlung herum.

      Ole Hormsen, der Besitzer vom Kiosk vorne an der Ecke vom Lindenweg, brachte sein erstes Handy von 1988 zur Reparatur. Es sah aus wie ein Knochen, wog mindestens ein Kilo und war mehr Waffe als Kommunikationsgerät. Dr. Mörser schraubte es auseinander, erkannte auf den ersten Blick das Problem, löste es mit zwei geschickten Handgriffen und überreichte Ole Hormsen keine fünf Minuten später sein funktionierendes Handy. Ole Hormsen strahlte wie vom Weihnachtsmann geküsst. Mit dem Handy würde er bei der nächsten 80er-Jahre-Party der King of Retro sein.

      Hildegard Schaumburg, die Besitzerin der Bindburger


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